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MELDUNG/570: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 10.07.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Schritt für Schritt verfolgt: ATP-Spaltung in Membranprotein erstmals dynamisch gemessen
→  Neue Einsichten - wie Zuckermoleküle mit Proteinen wechselwirken



Ruhr-Universität Bochum - 09.07.2012

Schritt für Schritt verfolgt

- ATP-Spaltung in Membranprotein erstmals dynamisch gemessen
- RUB-Forscher berichten im Journal of Biological Chemistry

Wie ein Transportprotein aus dem Energiespeichermolekül ATP seine Antriebskraft gewinnt, haben RUB-Forscher dynamisch verfolgt. Mit der zeitaufgelösten Infrarotspektroskopie beobachteten sie die strukturellen Veränderungen in dem bakteriellen Membranprotein MsbA und seinem Interaktionspartner ATP. Über die Ergebnisse berichten die Forscher um Prof. Dr. Eckhard Hofmann und Prof. Dr. Klaus Gerwert vom Lehrstuhl Biophysik in der aktuellen Ausgabe des Journal of Biological Chemistry.

Transportproteine sind mit verschiedenen Krankheiten assoziiert

ABC-Transporter sind Membranproteine, die verschiedene Substanzen von einer Seite der Zellmembran auf die andere befördern. Die Antriebskraft dafür liefert das Molekül ATP, ein universeller Energiespeicher der Zellen. ATP besitzt drei Phosphatgruppen; wird eine davon abgespalten, wird Energie frei. Die Transporter sind medizinisch relevant, da sie bei der Multiresistenz von Krebszellen gegen Chemotherapeutika eine zentrale Rolle spielen und mit verschiedenen Erbkrankheiten wie Mukoviszidose zusammenhängen. In den letzten Jahren haben Forscher die 3D-Strukturen von mehreren dieser Transporter auf atomarer Ebene aufgeklärt. Obwohl die Architektur der Nanomaschinen bekannt ist, fehlt bisher das detaillierte Verständnis darüber, wie die Spaltung des Energieträgers ATP dynamisch den Transport von verschiedenen Substanzen über biologische Membranen ermöglicht.

Protein steuert ATP-Spaltung

In dem Fetttransporter MsbA aus dem Bakterium Escherichia coli verfolgten die Bochumer Forscher nun erstmals dynamisch die ATP-Spaltung, Hydrolyse genannt. Mit der Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie untersuchten sie die Motordomäne von MsbA, also den Teil des Proteins, an dem sich die ATP-Spaltung vollzieht. Mit der Methode können Forscher kleinste Veränderungen im Protein im Bereich von Nanosekunden verfolgen. Gleichzeitig erfasst das Verfahren aber auch Veränderungen in den Molekülen, mit denen das Protein interagiert - in diesem Fall ATP.

Phosphatsignale verraten, was bei der Spaltung vor sich geht

Die große Herausforderung bei der Datenanalyse ist es, die Signale im gemessenen Spektrum bestimmten Molekülen bzw. Molekülgruppen zuzuordnen. Gelingt das, kann man erkennen, welche Molekülgruppen sich zu welchem Zeitpunkt strukturell verändern. Die Biophysiker markierten die Phosphatgruppen des ATP-Moleküls, so dass sie charakteristische Signale im Spektrum hinterließen. Auf diese Weise verfolgten sie, wie ATP an das Transportprotein band, eine seiner drei Phosphatgruppen abgespalten und in die Umgebung abgegeben wurde, ohne sich zuvor noch einmal an das Protein anzuheften. "Unsere Daten liefern auch wichtige Hinweise dafür, wie sich das Protein während der ATP-Hydrolyse bewegt. Das legt den Grundstein für die Untersuchung des gesamten Membranproteins, die wir als nächstes in Angriff nehmen", so Prof. Hofmann. Gefördert wurden die Untersuchungen vom Protein Research Department der RUB und aus Mitteln des SFB 642 "GTP- und ATP-abhängige Membranprozesse", deren Sprecher Prof. Gerwert ist.

Titelaufnahme
F. Syberg, Y. Suveyzdis, C. Kötting, K. Gerwert, E. Hofmann (2012):
Time-resolved fourier transform infrared spectroscopy of the nucleotide-binding domain from the ATP-binding cassette transporter MsbA. ATP Hydrolysis is the rate-limiting step in the catalytic cycle
Journal of Biological Chemistry
doi: 10.1074/jbc.M112.359208

Weitere Informationen
Prof. Dr. Eckhard Hofmann
AG Proteinkristallographie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität, 44780 Bochum
eckhard.hofmann@bph.rub.de

Angeklickt
Biophysik an der RUB
http://www.bph.ruhr-uni-bochum.de/

Redaktion:
Dr. Julia Weiler

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image176359
ATP-Spaltung: Das Transportprotein MsbA (grau) spaltet ATP (bunt), um Energie für den Transportprozess zu gewinnen. ATP besitzt drei Phosphatgruppen (orange-rot). Wird eine davon abgespalten (gelb), wird Energie frei. Den Spaltprozess kann man im Infrarot-Spektrum verfolgen (oben), in dem die verschiedenen ATP-Zwischenprodukte charakteristische Banden hinterlassen (rot: ATP, gelb: abgespaltenes Phosphat, weiß: Protein).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution2

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 09.07.2012

Raute

Universität Basel - 06.07.2012

Neue Einsichten, wie Zuckermoleküle mit Proteinen wechselwirken

Zuckermoleküle spielen eine bedeutende Rolle in molekular-biologischen Prozessen der Signalübertragung und des gegenseitigen Erkennens von Zellen. Wie nun Forschende der Universität Basel zeigen, können Zuckermoleküle als vorgeformte Cluster von Wassermolekülen verstanden werden. Damit eröffnen sich neue Perspektiven, zuckerähnliche Strukturen als Medikamente einzusetzen. Die Studie wurde vom Fachmagazin "Angewandte Chemie" als "Very Important Paper" veröffentlicht.

Selectine sind Proteine, die mit Zuckern wechselwirken und als therapeutische Zielmoleküle zunehmend Beachtung finden. Zugeschrieben wird ihnen eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Entzündungen, wie sie z.B. bei Asthma, Schuppenflechten oder rheumatoider Arthritis auftreten. Die molekulare Wechselwirkung zwischen Selectinen und ihren Bindungspartnern wird durch den Zucker Sialyl Lewisx (sLex) vermittelt. Ein therapeutischer Ansatz besteht darin, diese Wechselwirkung zu unterbinden. Auf der Suche nach potenten Selectin-Blockern wurde sLex deshalb als Leitstruktur verwendet. Die treibenden Kräfte hinter den Wechselwirkungen zwischen Selectinen und sLex wurden bisher aber nur unvollständig aufgeklärt.

Die Arbeitsgruppe von Beat Ernst, Professor für Molekulare Pharmazie an der Universität Basel, konnte nun nachweisen, dass sich sLex wie eine Ballung ("Cluster") von Wassermolekülen verhält. Darin sind die Wassermoleküle für die Bindung an das Selectin geforderte Geometrie angeordnet. Dieser vorgeformte Wassercluster ermöglicht die Ausbildung von spezifischen Wechselwirkungen mit den Selectinen.

Aufgrund der Ähnlichkeit der Leitstruktur sLex mit dem vorgeformten Wassercluster erwies sich deren Weiterentwicklung zu einem therapeutischen Wirkstoff gegen Entzündungskrankheiten als äusserst schwierig. In ihrer Publikation schlagen die Forschenden nun eine neue Strategie vor: Während derjenige Teil von sLex, der den Wassercluster mimt, übernommen wird, sollen diejenigen Teile, die nicht im direkten Kontakt zum Selectin stehen, durch wasserabweisende Strukturen ersetzt werden.

Mit ihrer Arbeit haben Prof. Ernst und sein Team vom Departement für Pharmazeutische Wissenschaften einen wichtigen Beitrag zur Erschliessung von Selectinen als therapeutische Zielmoleküle geleistet. Ein erfolgreiches Beispiel aus ihrer Selectin-Forschung, der Wirkstoff GMI-1070, befindet sich zurzeit in Phase II der klinischen Entwicklung (siehe UniNews vom 13. Oktober 2011).

Originalbeitrag
Florian P.C. Binder, Katrin Lemme, Roland C. Preston, and Beat Ernst Sialyl Lewisx:
A Pre-organized Water Oligomer?
Angew. Chem. Int. Ed.
published online 2 Jul 2012
doi: 10.1002/anie.201202555

Weitere Auskünfte
Prof. Dr. Beat Ernst
Universität Basel
Institut für Molekulare Pharmazie
Pharmazentrum
Klingelbergstrasse 50, 4056 Basel
E-Mail: beat.ernst@unibas.ch

Weitere Informationen finden Sie unter
http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.201202555/pdf
Originalbeitrag

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image176250
Das Zuckermolekül sLex (links) mimt die Wassermoleküle (rechts), die das Selectin umgeben. Als vorgeformter Wassercluster kann sLex deshalb analog zu den Wassermolekülen spezifische Wechselwirkungen mit dem Zielprotein ausbilden.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution74

Quelle: Universität Basel, lic. phil. Christoph Dieffenbacher, 06.07.2012

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2012