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MELDUNG/584: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 13.08.12 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Beschleunigte Probenaufbereitung für die biomedizinische Forschung durch Elektrodialyse
→  Freiburger Forschungsteam entschlüsselt ein wichtiges Stoffwechselprodukt in Bakterien
→  Neisserien-Forscher tagen in Würzburg



Universitätsklinikum Jena - 09.08.2012

Turbo-Probenreinigung durch Elektrodialyse

Biochemiker des Jenaer Uniklinikums entwickeln mit jungem Unternehmen Hochdurchsatz-Probenreinigung

Mit einer miniaturisierten Elektrodialyse wollen Biochemiker des Universitätsklinikums Jena und Entwickler der UKJ-Ausgründung Scienova die Probenaufbereitung für die biomedizinische Forschung beschleunigen. Dazu kombinieren sie die Labordialyse mit der Elektrodialyse und entwickeln das entsprechende Zubehör, um die Methodik als Hochdurchsatzverfahren durchführen zu können. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das auf zwei Jahre angelegte Kooperationsprojekt.

Die Probenlösung mit Proteinen oder Nukleinsäuren wird in einen Membranschlauch gegeben, dieser mit Klammern verschlossen und in eine Pufferlösung getaucht, bis sich die Konzentration kleiner Moleküle und Ionen durch die Membran hindurch ausgeglichen und so in der Probe wesentlich verringert hat - als Dauer für diese Labordialyse geben Arbeitsanleitungen oft eine Nacht oder 24 Stunden an. Nach dem Prinzip dieses gängigen Trennungsverfahrens läuft auch die einfach als Dialyse bezeichnete Nierenersatztherapie ab.

"Die Labordialyse ist oft ein notwendiger Arbeitsschritt zur Entfernung von Salzen, Farbstoffen oder Detergentien, weil diese die folgenden Analyseschritte verfälschen könnten", so PD Dr. Heidrun Rhode vom Institut für Biochemie am Jenaer Uniklinikum (UKJ). "Aber für das Screening von Biomarker- oder Wirkstoffkandidaten in tausenden von Proben ist sie sehr aufwändig und langwierig."

Wesentlich schneller geht die Wanderung durch die Membran, wenn die Ionen oder geladene Moleküle nicht nur von der Konzentration, sondern zusätzlich von einem elektrischen Feld angetrieben werden. Für die Meerwasserentsalzung und die Wasseraufbereitung ist die Elektrodialyse ein Standardverfahren, mit ihrer Anwendung in den Maßstäben biomedizinischer Labore betreten die Jenaer Entwickler Neuland. "Bei der Entfernung von Indigotin erreichten wir in fünf Minuten den gleichen Effekt wie in 24 Stunden Diffusionsdialyse", beschreibt Dr. Stefan Kreusch das Potential der Methode. Der Biochemiker ist einer der Gründer der Scienova GmbH, die auf Zubehör für die parallele Labordialyse kleinster Mengen spezialisiert ist.

In einem Kooperationsprojekt, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert wird, wollen die Partner jetzt die Anwendungsbedingungen der Laborelektrodialyse untersuchen und das notwendige Zubehör für eine einfache und sichere Handhabung entwickeln, das auch parallele Dialysen ermöglicht. Die UKJ-Biochemiker stellen Modellproben zur Verfügung, an denen physikalische und chemische Kenngrößen getestet werden. Die Elektrodialyse darf die Proteine oder Nukleinsäuren in der Probe schließlich nicht beeinträchtigen. Die Geometrie der Vorrichtungen orientiert sich am standardisierten Laborzubehör. "Wir wollen die Elektrodialyse alltagstauglich in jedes Labor zu bringen und damit wesentlich schneller wichtige Proben zu bearbeiten", so Stefan Kreusch. Projektziel ist die parallele Dialyse von acht Proben von 10 bis 500 μl. Perspektivisch wollen die Wissenschaftler das Verfahren für Hochdurchsatztechniken fit machen.

Kontakt:

PD Dr. Heidrun Rhode
Institut für Biochemie I
Universitätsklinikum Jena
E-Mail: Heidrun.Rhode@mti.uni-jena.de

Dr. Stefan Kreusch
scienova GmbH, Jena
E-Mail: s.kreusch@scienova.com

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image178895
Projektmitarbeiterin Katharina Pfohl bereitet die Elektrodialyse in einer Versuchskammer vor.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1461

Quelle: Universitätsklinikum Jena, Stefan Dreising, 09.08.2012

Raute

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 10.08.2012

Ein Kanal von unerwarteter Bedeutung
Freiburger Forschungsteam entschlüsselt ein wichtiges Stoffwechselprodukt in Bakterien

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Susana Andrade und Prof. Dr. Oliver Einsle, Institut für Organische Chemie und Biochemie und Mitglieder des Exzellenzcluster BIOSS, des Zentrums für Biologische Signalstudien der Universität Freiburg, haben erstmals präzise Daten über die Funktion eines Transportproteins für Formiat erhalten - einem wichtigen Stoffwechselprodukt in Bakterien. Die Erkenntnisse können dabei helfen, neue antibiotische Wirkstoffe zu entwickeln, wie das Team im Fachmagazin "PNAS" berichtet.

Die mikrobielle Darmflora von Säugetieren setzt sich aus verschiedenen Mikroorganismen und Bakterienarten zusammen. Der menschliche Darm beherbergt einige hundert Gramm von Mikroorganismen, die insbesondere bei der Verarbeitung aufgenommener Nahrung essentiell sind. In einer Umgebung, die reich an Nährstoffen und Kohlenhydraten, aber arm an Sauerstoff ist, haben viele Bakterienarten eine besondere Form des Stoffwechsels entwickelt: die gemischte Säuregärung. Sie verarbeiten dabei Zucker, der über die Nahrung in den Darm gelangt, zu organischen Säuren wie Ameisensäue, Essigsäure und Milchsäure, die ausgeschieden werden. Die Bakterien gewinnen dadurch Energie, säuern ihre Umgebung aber deutlich an. Das nutzt nicht nur der Versorgung von guten Darmbakterien, sondern auch den pathogenen, also krankheitserregenden, Arten wie Cholerabakterien und Salmonellen. Im Körper des Menschen fehlt die gemischte Säuregärung. Deshalb bieten die molekularen Bestandteile dieses Prozesses bei Bakterien eine Grundlage, um neue antibiotische Wirkstoffe gegen die pathogenen Arten zu entwickeln.

Formiat ist eine zentrale Proteinkomponente in der gemischten Säuregärung. Darmbakterien besitzen mit dem Formiatkanal FocA ein spezielles Transportprotein, welches Formiat, das negativ geladene Ion der Ameisensäure, über die Zellmembran der Bakterien transportiert. Um mehr über die Funktion von FocA zu erfahren, baute Andrade dieses Protein in eine künstliche biologische Membran ein, an der die elektrischen Ströme von Ionen gemessen werden, die durch den Formiatkanal fließen. Neben präzisen Daten über das Transportverhalten von FocA konnte das Team genaue Informationen über den Schließmechanismus des Kanals erhalten: Bei zu niedrigem pH-Wert der Umgebung verhindert er, dass sich Bakterien durch weitere Ausfuhr von Säuren selbst schaden. Zudem kamen die Freiburger Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass FocA noch mehr verschiedene Anionen transportieren kann: die Ionen der Essigsäure, Milchsäure und Brenztraubensäure - exakt die Produkte der gemischten Säuregärung. Das Verhalten des Kanals für die jeweiligen Verbindungen entspricht den Mengenverhältnissen, in denen diese beim Abbau von Zucker gebildet werden. Der Kanal FocA hat damit für diesen Prozess eine weitaus zentralere Bedeutung als bislang angenommen wurde. Das dürfte ihn zu einer idealen Grundlage möglicher therapeutischer Maßnahmen bei Erkrankungen des menschlichen Darmtrakts machen.

Originalveröffentlichung:
Wei Lü, Juan Du, Nikola J. Schwarzer, Elke Gerbig-Smentek, Oliver Einsle & Susana L.A. Andrade (2012)
The formate channel FocA exports the products of mixed-acid fermentation.
Proc. Natl. Acad. Sci. USA
DOI:10.1073/pnas.1204201109

Kontakt:
Prof. Dr. Susana Andrade
Institut für Organische Chemie und Biochemie
Universität Freiburg
E-Mail: andrade@bio.chemie.uni-freiburg.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
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Foto: Universität Freiburg

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution69

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rudolf-Werner Dreier, 10.08.2012

Raute

Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 10.08.2012

Neisserien-Forscher tagen in Würzburg

Neisserien sind gefährliche Bakterien, die Hirnhautentzündungen, Blutvergiftungen und Geschlechtskrankheiten auslösen können. Neue Erkenntnisse über die Erreger werden ab 9. September auf einer internationalen Tagung an der Universität Würzburg diskutiert.

In Deutschland fand sie zuletzt 1990 statt, nun kehrt sie nach langer Zeit zurück: Die "International Pathogenic Neisseria Conference" findet vom 9. bis 14. September in Würzburg statt. Auf dieser Tagung treffen sich alle zwei Jahre die wichtigsten Neisserien-Forscher der Welt.

Zur Bakteriengattung der Neisserien gehören die Meningokokken, die als Erreger von Hirnhautentzündungen und Blutvergiftungen vor allem bei Kindern und Jugendlichen bekannt sind. Auch die Gonokokken, die für die Geschlechtskrankheit Gonorrhoe ("Tripper") verantwortlich sind, fallen in diese Gattung.

Zu der Tagung in Würzburg werden rund 450 Wissenschaftler aus aller Welt erwartet. Sie sprechen hier über Aspekte der Grundlagenforschung, aber auch über die weltweite Zunahme von Gonokokken-Stämmen, die gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig resistent sind.

Neue Impfstoffe gegen Meningokokken

Ein weiteres Thema auf der Tagung ist die Entwicklung von Impfstoffen gegen Meningokokken. Auf diesem Gebiet wird in Europa derzeit auf einen Durchbruch gewartet: auf die Zulassung des ersten Meningokokken-B-Impfstoffs. Erste Studien haben gezeigt, dass damit bei Säuglingen und Jugendlichen schon nach zwei Impfungen ein Impfschutz erzielt wird. Meningokokken aus der Serogruppe B machen in Europa die meisten Fälle aus. Die Entwicklung des Impfstoffs war jedoch schwierig, weil der Erreger sehr variabel ist.

In Afrika dagegen verursachen Meningokokken aus der Serogruppe A große Epidemien. Dort laufen aber zurzeit Impfkampagnen, auf deren Wirksamkeit große Hoffnungen ruhen. Der neue Impfstoff wurde von einem weltweiten nicht-kommerziellen Konsortium entwickelt und zur Marktreife gebracht.

Organisatoren der Tagung

Organisiert wird die Tagung von den Professoren Matthias Frosch und Ulrich Vogel vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie sowie von Professor Thomas Rudel vom Lehrstuhl für Mikrobiologie am Biozentrum der Universität.

Nationales Referenzzentrum für Meningokokken

In Sachen Meningokokken sind die Wissenschaftler vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität seit Jahren als renommierte Experten anerkannt: Das Bundesgesundheitsministerium hat das Würzburger Institut im Jahr 2002 zum Nationalen Referenzzentrum für Meningokokken ernannt.

Das heißt: Die Teams der Professoren Matthias Frosch und Ulrich Vogel sind mit der Typisierung der Erreger und mit der bakteriologischen Überwachung von Meningokokken-Infektionen in ganz Deutschland betraut. Diese Aufgaben erfüllen sie im Auftrag des Robert-Koch-Instituts (Berlin).

2007 wurde am Institut zudem das bundesweit tätige Konsiliarlabor für Haemophilus influenzae angesiedelt, das für den Nachweis und die Typisierung dieses Bakteriums zuständig ist. Der Erreger kann lebensbedrohliche Blutvergiftungen und Hirnhautentzündungen auslösen; außerdem Mittelohrentzündungen und Infektionen der Atemwege.

Gonokokken weltweit auf dem Vormarsch

Wie infizieren Gonokokken die Zellen des Menschen, wie lösen sie Krankheiten aus? Zu diesen Fragen hat die Forschungsgruppe von Professor Thomas Rudel wesentliche neue Erkenntnisse geliefert. Rudels Team hat auf molekularer Ebene entschlüsselt, wie Gonokokken sich an ihre Wirtszellen heften, in sie eindringen und dann den programmierten Zelltod beeinflussen.

Diese Arbeiten sind von großer Bedeutung, weil Gonokokken-Infektionen weltweit stark zunehmen und vermehrt Stämme mit multiplen Antibiotika-Resistenzen auftreten. Diese besorgniserregende Entwicklung hat die Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen dazu veranlasst, einen Aktionsplan zur Eindämmung der Infektionen mit Gonokokken zu veröffentlichen. Dieser Plan wird auf dem Kongress in einem eigenen Symposium diskutiert.

Link
Zur Homepage der International Pathogenic Neisseria Conference
www.ipnc2012.de

Kontakt
Prof. Dr. Ulrich Vogel
Institut für Hygiene und Mikrobiologie
Universität Würzburg
uvogel@hygiene.uni-wuerzburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution99

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 10.08.2012

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2012