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UMWELT/867: Energiemanagement in Kliniken (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12, Dezember 2021

Klimaschutz in der Klinik

von Stephan Göhrmann


ENERGIEMANAGEMENT. Krankenhäuser und andere große Gesundheitseinrichtungen haben einen hohen Energieverbrauch. Doch nicht immer kann auf klimaneutrale Energiegewinnung umgestellt werden.


Ganzjährige Patientenversorgung im 24-Stunden-Betrieb: Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen sind ressourcenintensive Verbraucher. Einem Bericht des Lancet zufolge verbraucht ein Krankenhaus etwa so viel Strom wie eine Kleinstadt. Ein Klinikbett benötigt im Jahr mehr Strom als ein Einfamilienhaus. Im Zuge der Ambition, Emissionen einzusparen, stehen Gesundheitseinrichtungen vor großen Herausforderungen.

Der 125. Deutsche Ärztetag stand unter dem Schwerpunktthema Klimawandel und Gesundheit. Die Delegierten forderten u.a. eine nationale Strategie für eine klimafreundliche Gesundheitsversorgung in Deutschland. Kliniken als Großverbraucher von Ressourcen wie Energie und Wasser und als Erzeuger von Problemabfällen sollten zur klimaschonenden Infrastruktur ertüchtigt werden. Um das Gesundheitswesen zukunftssicher zu gestalten, müssten sich Krankenhäuser den aus dem Klimawandel resultierenden Herausforderungen stellen und Ressourcenverbrauch wie Abfallerzeugung minimieren.

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KLIK Green

Mit dem Projekt KLIK Green soll die Ausweitung von Klimaschutz in Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen erreicht werden. Krankenhäuser sind im Sektor Dienstleistung und Handel die ressourcenintensivsten Verbraucher, da sie ganzjährig im 24-Stunden-Betrieb Patienten versorgen. Durch die Teilnahme am Projekt KLIK Green werden Einsparungen im Bereich Energie, Beschaffung, IT, Mobilität, Abfallvermeidung und Speisenversorgung ermöglicht. Nach Projektangaben können Kliniken allein durch Energieeinsparungen die betrieblichen Energiekosten um bis zu zehn Prozent reduzieren.
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Das Projekt KLIK Green bildet schon seit längerem in den Kliniken und Reha-Einrichtungen beschäftige Fachkräfte zu Klimamanagern aus und unterstützt diese somit dabei, interne Abläufe in Verwaltung und Versorgung, Strukturen und Gebäude auf deren Energieverbrauch und Abfallerzeugung zu analysieren und zu optimieren.

Genau das macht Tim Schladetsch. Er ist stellvertretender Leiter des Gebäude-Managements der Westküstenkliniken (WKK) in Heide und Brunsbüttel und befindet sich derzeit in der Ausbildung zum Klimamanager bei KLIK Green. In Schleswig-Holstein sind derzeit acht Klimamanager in verschiedenen Einrichtungen tätig oder befinden sich in der Ausbildung.

Am WKK hat Schladetsch verschiedene Bereiche ausgelotet, bei denen Maßnahmen zur Stromeinsparung und -gewinnung in Betracht gezogen werden können. Große Teile der Dachfläche des Krankenhauses in Heide sollen genutzt werden, um Photovoltaikanlagen zu verbauen. Der erzeugte Strom könnte dann direkt vor Ort verbraucht werden. Doch Dach ist nicht gleich Dach. Schon gar nicht bei einem Krankenhaus. Da das WKK einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des zentralen Gebäudes hat, würden die Panels durch die Sogkraft der Rotorblätter abgedeckt werden. Weiteren Nachbesserungsbedarf sieht Schladetsch bei den verwendeten Leuchtmitteln und der Wärmedämmung in den älteren Gebäuden. Unterschiedliche Baujahre resultieren in einer differenten Gebäudeausstattung. "Jedes Krankenhaus startet von einem unterschiedlichen Punkt. Wer neu baut, muss gegebenenfalls weniger in die Klimaneutralität investieren als jemand, der ältere Gebäude zu seinem Bestand zählt. Wichtig ist, dass man tätig wird und tätig bleibt", so Schladetsch. Für die stetige Analyse werden große Datenmengen benötigt. Knapp 250 Strommessgeräte sind im WKK verbaut. Mit ihnen kann man den Stromverbrauch stationsbezogen ermitteln. Dabei wird einiges ersichtlich: Die Vermutung liegt nahe, dass Röntgengeräte und MRT die meiste Energie verbrauchen. Dem ist aber nicht so. "Sie laufen nur für kurze Zeit und haben damit keine allzu große Auswirkung auf den Gesamtverbrauch", so Schladetsch.

Der angehende Klimamanager des WKK startet nicht bei Null. Das Thema begleitet die Kliniken schon seit über zehn Jahren. Damals hat das WKK drei Blockheizkraftwerke installiert. Zu der Zeit galten sie als wirtschaftlich und klimaneutral, da sie Strom und Wärme vor Ort produzieren. Das hat sich heute geändert - sie laufen nämlich auf Erdgas. Das WKK hat sich dazu entschieden, die Anlagen weiter laufen zu lassen. Denn eine Veränderung der Energiegewinnung muss wirtschaftlich nachhaltig sein. Neuanschaffungen werden nicht nur unter dem Gesichtspunkt des technischen Fortschritts betrachtet. Effizienz und Emissionen sind ebenso wichtige Aspekte bei Investitionen. Denn gerade in der Wirtschaftlichkeit liegt auch das Potenzial, das für die Verbrauchsanpassung von Krankenhäusern spricht. Klimaneutralität bedeutet auch, den Verbrauch zu reduzieren. Für Kliniken und Reha-Einrichtungen lohnt sich der Klimaschutz damit auch aus finanziellen Gründen.

Die Aufgabe eines Klimamanagers ist keine einmalige Tätigkeit. Erst eine stetige Analyse der Klinikabläufe und die Datenerfassung erlauben es, Optimierungspotenziale aufzudecken und rechtzeitig anzugehen. Kontinuierliche Bestrebungen in Richtung Klimaneutralität lassen sich einfacher und kostengünstiger in den Einrichtungen umsetzen. Im WKK ist es daher ein Dauerthema.

Über allen möglichen Optimierungsvorhaben schwebt Schladetsch zufolge der Versorgungsgedanke des Krankenhauses: "Die Versorgungssicherheit hat oberste Priorität. Alle neuen Techniken müssen mindestens dieselbe Sicherheit garantieren wie die abzulösenden Techniken."

Ein Krankenhaus läuft im Dauerbetrieb, ein Stromausfall kann tödliche Folgen haben. 2014 verstarb in einem Schweriner Krankenhaus ein 29-jähriger Patient, der sich auf der Intensivstation befand. Nach einem Stromausfall fielen die Beatmungsgeräte kurzzeitig aus. Aus bisher ungeklärter Ursache habe die Stromweiterleitung aus den Notstromaggregaten nicht funktioniert. Der Fall hat in Schleswig-Holstein dazu geführt, dass die Krankenhäuser die eigene Stromversorgung optimierten. Im WKK gibt es daher neben einem Notstromaggregat noch ein zweites Backup-Aggregat, das die Stromversorgung übernimmt, sollte das Hauptaggregat nicht ordnungsgemäß funktionieren. Zusätzlich sind die Intensivstation sowie der OP-Bereich an eine Batterieanlage angeschlossen. Für den Fall, dass die Notstromversorgung versagen sollte, übernimmt sie die Stromversorgung nach 0,5 Sekunden. "Die Geräte laufen bei diesem niedrigen Ausfall einfach weiter", so Schladetsch. Für längere Stromausfälle gibt es zudem Dieselmotoren, die den Notbetrieb des Krankenhauses auch für einen längeren Zeitraum gewährleisten können.

Stehen Klimaneutralität und Patientensicherheit im Widerspruch? Die Delegierten des 125. Deutschen Ärztetages appellierten an alle Entscheidungsträger im Gesundheitswesen, notwendige Maßnahmen zum Erreichen der Klimaneutralität des Gesundheitswesens bis zum Jahr 2035 umzusetzen. Erste Schritte seien die Initiierung rechtlicher Rahmenbedingungen, die Benennung von Klimabeauftragten und die Verabschiedung von Klimaschutzplänen in allen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens. Um bis zum Jahr 2035 Klimaneutralität zu erreichen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Standards, die Qualität und die Sicherheit der medizinischen Versorgung in Deutschland nicht beeinträchtigt werden, sehen die Delegierten eine enge Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung von Gesundheitseinrichtungen, dem medizinischen Fachpersonal, den Zulieferern und Patienten, aber auch der öffentlichen Hand als erforderlich an. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sollten mit dazu beitragen, dass klimaneutrales Handeln gefördert und belohnt wird.

In der Tat ist das Energienetz sensibel. "Je mehr unterschiedliche Stromquellen ein Netz bedienen, desto störungsanfälliger wird es", erklärt Schladetsch. Das WKK verbraucht acht Millionen Kilowattstunden im Jahr. Das ist etwa so viel wie 2.000 Einfamilienhäuser zusammen. 50 Prozent des Stromverbrauchs bezieht das Klinikum von den örtlichen Stadtwerken. Die anderen 50 Prozent werden mithilfe der Blockheizkraftwerke selbst produziert.

Dass hierfür fossile Brennstoffe verwendet werden, ist zwar nicht klimaneutral. Doch im Zweifel geht es um Menschenleben. "Auch hier gilt es, die Versorgung der Patienten zu gewährleisten", beschreibt Schladetsch die Devise: Klimaschutz sollte im Gesundheitswesen überall da umgesetzt werden, wo es möglich ist.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 12, Dezember 2021
74. Jahrgang, Seite 12-13
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 12. Februar 2022

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