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GESCHICHTE/562: 50 Jahre Kathetertechnologie - Durchbruch bei der Behandlung koronarer Herzerkrankungen (BVMed)


BVMed - Bundesverband Medizintechnologie e.V. - 14. Januar 2014

BVMed zu 50 Jahren Kathetertechnologien bei Gefäßverengungen:
"Durchbruch bei der Behandlung von koronaren Herzerkrankungen"



Berlin. Vor 50 Jahren, am 14. Januar 1964, behandelte der US-amerikanische Radiologe Charles Dotter zum ersten Mal eine Gefäßverengung mit einer Kathetertechnologie. Dieser medizintechnische Meilenstein war "der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die vom Ballonkatheter bis zu modernen Stent-Technologien reicht und bis heute Millionen von Menschen mit koronarer Herzkrankheit das Leben gerettet hat", so BVMed-Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Joachim M. Schmitt. Die Geschichte der Kathetertechnologien zeigt dabei auch, wie wichtig die Zusammenarbeit von Ärzten und Ingenieuren der MedTech-Unternehmen ist.

Charles Dotter wurde 1952 als damals 32-Jähriger zum Rektor der radiologischen Fakultät der Universität Oregon berufen. Er baute ein eigenes Katheterlabor auf und entwickelte seine Instrumente in Heimarbeit - aus Teflonfolie, Gitarrensaiten, Tachometerwellen und Elektrokabeln lötete er die ersten Katheter selbst zusammen. Als Dotter im Sommer 1963 einen Katheter in die Leistenarterie eines Patienten einführte, um ein Kontrastmittel einzuspritzen und so den Arterienverschluss im Röntgenbild sichtbar zu machen, beseitigte er beim Zurückziehen des Katheters unbeabsichtigt die Blockade. Auf dem Röntgenbild war deutlich zu sehen, dass das Blut wieder ungehindert fließen konnte.

Am 14. Januar 1964 kam die neue Technik erstmals gezielt zum Einsatz. Die 82-jährige Patientin Laura Shaw wurde mit Durchblutungsstörungen im linken Bein, die auf einen Verschluss der Beinschlagader zurückzuführen waren, in die Uniklinik Oregon eingeliefert. Nachdem sie sich mehrfach weigerte, der empfohlenen Amputation zuzustimmen, wandte sich der behandelnde Arzt an Dotter. Dieser fand heraus, dass die Ursache für die Durchblutungsstörung eine verstopfte Oberschenkelarterie war. Charles Dotter beseitigte diese Stenose mit einem von ihm entwickelten Katheter. Schon nach wenigen Minuten war der Fuß wieder durchblutet, eine Woche später konnte die Patientin mit zwei gesunden Beinen entlassen werden.

Gut ein Jahrzehnt später verhalf der Deutsche Kardiologe Andreas Grüntzig der Kathetertechnologie endgültig zum Durchbruch. 1974 hatte Grüntzig erstmals ein verengtes Herzkranzgefäß mit einem selbst entwickelten Ballonkatheter geweitet. 1977 erfolgte die erste erfolgreich durchgeführte Ballondilatation der Koronararterie am Menschen. Es konnte kein Wiederverschluss der Arterie (Restenose) festgestellt werden. Sein Bericht über die ersten fünf Eingriffe mit dieser Methode (Angioplastie oder "Perkutane transluminale Coronarangioplastie", PTCA) erregte 1978 weltweit Aufsehen. Im Jahr 1980 überschritt die Anzahl der durchgeführten Ballondilatationen bereits die Grenze von 1.000 Operationen.

Dotters Vision, das Skalpell durch den Katheter zu ersetzen, rückte mit Grüntzigs Erfolgen in greifbare Nähe. Noch dazu an einer besonders sensiblen Stelle: dem Herzen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur eine Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit gefährlich verengten Herzkranzgefäßen: die Bypass-Operation am offenen Herzen. Durch den Ballonkatheter gab es nun erstmals eine Alternative zu diesem belastenden Eingriff mit all seinen Risiken.

Ein weiteres Jahrzehnt dauerte es, bis Dotters Idee, ein Gefäß durch einen Stent dauerhaft geöffnet zu halten, Wirklichkeit wurde. 1986 setzten Jaques Puel und Ulrich Sigwart die ersten koronaren Stents in eine menschliche Koronararterie ein. 1989 wurde erstmals ein "aufblasbarer" Stent mit einem Ballonkatheter implantiert. Durch die vom italienischen Kardiologen Antonio Colombo 1996 entwickelte Hochdruckimplantation und die dadurch erheblich reduzierten Komplikationen kommt es zum endgültigen Durchbruch der Stents.

Seit 2002 sind Medikament-freisetzende Stents (DES - Drug Eluting Stents) verfügbar. DES sind mit Wirkstoffen beschichtet, die gezielt das Zellwachstum hemmen, ohne dabei die Regeneration der Gefäßwand zu behindern. In den ersten Wochen nach dem Eingriff gibt der Stent die Wirkstoffe langsam an das umliegende Gewebe ab. So werden die unkontrollierte Zellvermehrung und somit die Wiederverengung des Gefäßes (Restenose) verhindert und der freie Fluss von Blut und Sauerstoff zum Herzen hin gesichert. Durch DES konnte die Wiederverengungsrate der geweiteten Gefäße von rund 30 Prozent auf unter 10 Prozent gesenkt werden.

Seit 2009 verbindet der Medikament-freisetzende Ballon (DEB - Drug Eluting Balloon) die bewährte PTCA mit der wirkungsvollen pharmazeutischen Komponente des Medikament-freisetzenden Stents (DES). Eine weitere Alternative bieten seit 2012 so genannte resorbierbare Stents. Diese Gefäßgerüste stützen das Blutgefäß so lange, wie es medizinisch notwendig ist und lösen sich danach langsam auf.

"Seit Mitte der 90er Jahre haben sich Katheter-Operationen immer mehr zur Standardtherapie bei koronarer Herzkrankheit und akuten Herzinfarkten entwickelt. Millionen Menschen verdanken den Erfindungen von Charles Dotter und seinen Nachfolgern ihr Leben", so der BVMed.


Hintergrundinformationen:
Charles Dotter (1920-1985)

Charles Dotter, der "Vater der interventionellen Radiologie", wurde 1920 in Boston geboren. Schon als Kind zeigte er großes Interesse an feinmechanischen Apparaten. Nach seinem Studium in New York arbeitete Dotter an der Cornell Medical School, wo er mit 30 Jahren ein revolutionäres Rollfilm-Magazin für Röntgenaufnahmen entwickelte. Mit dieser Erfindung war es zum ersten mal möglich, den menschlichen Herzschlag mit zwei Bildern pro Sekunde auf Film zu bannen. Im Laufe seines Lebens entwickelte Dotter eine Reihe von Diagnosetechniken, die bis heute den Grundstein der kardiologischen Diagnostik bilden. Trotz der Ablehnung der meisten Mediziner in den USA, die seinen unkonventionellen Methoden skeptisch gegenüberstanden, folgte Dotter seinem Kurs unbeirrbar. Sein Durchhaltevermögen zeigte sich auch im Privatleben: zweimal erkrankte Dotter am Hodgkin-Lymphom, einem bösartigen Lymphdrüsentumor, zweimal musste er sich wegen verengter Herzkranzgefäße einer Bypass-Operation unterziehen. Sein schlechter Gesundheitszustand konnte ihn allerdings weder von seinem unglaublichen Arbeitspensum, noch von seinem Ziel abhalten, alle Viertausender Nordamerikas zu besteigen. Den Erfolg seiner ersten Strahlentherapie feierte er mit einer Besteigung des Matterhorns.


Was ist eine koronare Herzkrankheit?

Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine weit verbreitete Erkrankung der Herzkranzgefäße. Sie entsteht, wenn die das Herz versorgenden Gefäße verengt oder verkalkt sind. Allein in Deutschland leiden über eine Million Menschen an KHK, mehr als 340.000 Patienten sterben jährlich an ihren Folgen. Durch den Einsatz von Stents und Ballonkathetern können die Herzkranzgefäße auf behutsame Weise geweitet und offen gehalten werden. Neueste, mit Medikamenten beschichtete Modelle verringern das Risiko einer späteren Verengung weiter.


Wie funktioniert ein Stent?

Koronare Stents können eine Engstelle der Herzkranzgefäße mittel- bis langfristig beseitigen. Das Verfahren erfolgt minimal-invasiv: Durch die Leistenarterie wird ein Ballonkatheter bis zur Herzarterie eingeführt, der zunächst die betroffenen Gefäße weitet. Anschließend implantiert der Kardiologe den Stent an der vorbereiteten Stelle. Das röhrenförmige, dehnbare Geflecht aus chirurgischem Metall (meistens Kobaltchrom) stützt dort das Gefäß von innen und hält es offen. Jährlich werden Patienten bei rund 320.000 Angioplastien rund 260.000 Stents eingesetzt.

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Quelle:
BVMed-Pressemeldung Nr. 03/14 vom 14. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2014