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KRIEGSMEDIZIN/030: Zunehmende Gewalt gegen medizinische Fachkräfte und Gesundheitseinrichtungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. August 2011

Gesundheit: Zunehmende Gewalt gegen Helfer


New York, 15. August (IPS) - In Bürgerkriegsländern nimmt die Zahl der gewaltsamen Übergriffe auf medizinische Fachkräfte und Gesundheitseinrichtungen kontinuierlich zu. Wie aus einem neuen Bericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) hervorgeht, kam es in 16 Ländern einschließlich Libyen, Afghanistan, Somalia und Kolumbien in den vergangenen zweieinhalb Jahren zu 655 solcher Anschläge, die zu 33 Prozent den regulären Streitkräften und zu 36,9 Prozent den gegnerischen bewaffneten Gruppen angelastet werden.

Diese kriminellen Gewaltattacken kosteten Tausenden wenn nicht gar Millionen Menschen das Leben und müssten unverzüglich eingestellt werden, heißt es in der Untersuchung 'Healthcare in Danger' (Gesundheitsversorgung in Gefahr). "Die menschlichen Kosten sind niederschmetternd. So sterben viele Zivilisten und Kämpfer nicht etwa an den Folgen einer Bombenexplosion oder Schießerei, sondern daran, dass man Gesundheitsexperten daran hindert, ihren Job zu tun", kritisierte der IKRK-Generaldirektor Yves Daccord.

"Menschen sterben, weil Krankenwagen nicht rechtzeitig ankommen, weil das Gesundheitspersonal in seiner Arbeit behindert wird, Hospitäler zu Zielscheiben von Angriffen werden oder das Umfeld für die Helfer zu gefährlich ist, um eine effektive Gesundheitsversorgung zu gewährleisten", sagte der IKRK-Experte Robin Coupland, dessen Untersuchungen über bewaffnete Auseinandersetzungen in 16 Kriegsländern die Grundlage der neuen Studie bildeten.


Bruch der Genfer Konventionen

Damit verstoßen die Konfliktparteien jedoch gegen die 150 Jahre alten Genfer Konventionen, denen zufolge Kriegsverletzte ein verbrieftes Recht auf medizinische Versorgung haben. Auch sind die Kriegsparteien nach dem humanitären Völkerrecht dazu verpflichtet, Ärzten und Pflegern den ungehinderten Zugang zu denjenigen Menschen ermöglichen, die ihrer Hilfe bedürfen.

Die IKRK-Untersuchung schildert, wie etwa die Regierung von Bahrain im Frühjahr gegen die Prinzipien der internationalen Übereinkunft verstieß. Nachdem sich im Krankenhaus der Hauptstadt Manama im Zuge der gewaltsamen Niederschlagung der Pro-Demokratie-Proteste immer mehr Demonstranten und Journalisten behandeln ließen, wurden 47 Ärzte festgenommen und wegen Unterstützung der Demonstranten und ihres vermeintlichen Versuchs, die Regierung zu stürzen, vor Gericht gestellt.

Die gefährliche Lage, in der sich Ärzte und Pflegekräfte inzwischen seit Jahren befänden, gehöre "zu den menschlichen Tragödien, die in der Regel übersehen werden", sagte Daccord, ein ehemaliger Fernsehjournalist. Die neue Studie bildet den Auftakt einer vierjährigen IKRK-Kampagne, die die Kriegsparteien an ihre Verpflichtung erinnern soll, Kriegsverletzten die nötige medizinische Versorgung zukommen zu lassen und Ärzten und Pflegern den ungehinderten Zugang zu ihren Patienten zu ermöglichen. (Ende/IPS/kb/2011)


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http://www.icrc.org/eng/assets/files/reports/4073-002-16-country-study.pdf
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=56836

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IPS-Tagesdienst vom 15. August 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2011