Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FAKTEN


NACHSORGE/078: Geriatrische Rehabilitation 2016 - Trotz guter Evidenz und Innovationen zu wenig verordnet (DDG)


Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) - 25.07.2016

Geriatrische Rehabilitation 2016 - Trotz guter Evidenz und Innovationen zu wenig verordnet


Die positive Kosten-Nutzen-Rechnung von Rehabilitationsmaßnahmen in der Geriatrie ist Konsens: Die Lebensqualität verbessert sich, Pflegebedürftigkeit wird vermindert oder verhindert. Trotzdem ist die Zahl der vom MDK ausgesprochenen Reha-Empfehlungen mit knapp 31.000 im Jahr 2015 bei fast 1,5 Millionen Begutachtungen viel zu gering. Was muss sich also am deutschen Angebot für die Rehabilitation älterer Menschen verbessern? Welche aktuellen Erkenntnisse liefert die Forschung? Diesen Fragen widmen sich die beiden Fachgesellschaften der Altersmedizin - mit überraschenden Antworten! So ist z. B. Reha im heimischen Umfeld von der Effizienz her der stationären Rehabilitation gleichzusetzen.

Der Grundsatz "Reha vor Pflege" ist hierzulande auf dem Papier gesetzliche Vorgabe. Es gibt jedoch gerade in Deutschland ein systemisches Problem, diesen auch tatsächlich in der Realität umzusetzen. Kostenträger der geriatrischen Rehabilitationen sind in der Regel die Krankenkassen, Nutznießer einer erfolgreichen Maßnahme hingegen auch die Pflegekassen. Gerade vor diesem Hintergrund ist es nützlich, einen Blick über den nationalen Tellerrand zu werfen und die Expertise internationaler Experten miteinzubeziehen.

"Mir erscheinen die deutschen Angebote für die Rehabilitation älterer Menschen grundsätzlich gut entwickelt", sagt Professor Ian Cameron aus Sydney, "insgesamt gibt es aber meiner Ansicht nach in den meisten Ländern Schwierigkeiten, den Stand der Forschung, der starke Hinweise auf die Vorteile von geriatrischer Rehabilitation liefert, in effektive Maßnahmen zu übersetzen." Prof. Cameron leitet unter anderem das John Walsh Centre for Rehabilitation Research, ist Mitherausgeber des Journal of Rehabilitation Medicine und berät als Geriater die australische Regierung in medizinischen Fragen älterer Menschen. Er wird auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft der Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) das Thema "Nutzen der geriatrischen Rehabilitation" umfassend beleuchten.

Rehabilitation in Pflegeeinrichtungen kann negative Nebeneffekte haben

"Die meisten älteren Menschen mit einer schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung können potentiell von Rehabilitation profitieren", sagt Cameron. "Die besten Beispiele finden sich gerade nach Schlaganfällen oder Hüftfrakturen und es gibt immer mehr Hinweise für die positive Wirkung von Rehabilitation nach Immobilisierung und bei Gebrechlichkeit.

Doch wo sollte die Reha stattfinden? Stationär in einer Klinik, in einer Pflegeeinrichtung oder zu Hause in der gewohnten Umgebung der älteren Menschen? Dies wurde bisher nicht ausreichend geklärt. Weltweit gibt es dazu erheblich abweichende Modelle. Im Rahmen des Vortrags wird Prof. Cameron darstellen, dass eine Rehabilitation in Pflegeeinrichtungen potentiell negative Ergebnisse produzieren kann, indem Behinderung und Abhängigkeit verlängert werden. Ist es dagegen möglich, eine Rehabilitation im häuslichen Umfeld anzubieten, ist dies mindestens so effektiv wie im Rahmen einer stationären Behandlung.

"Der größte Vorteil von Rehabilitationsmaßnahmen für ältere Menschen ist es, ein eigenständigeres Leben mit einer verbesserten Lebensqualität führen zu können", so Cameron. "Das könnte auch die Nutzung von Pflegeeinrichtungen verringern." Um bei Rehabilitationsmaßnahmen die höchste Kosteneffizienz und die besten Ergebnisse zu erzielen, kommt er zu dem Schluss, dass es in vielen Fällen nützlich ist, diese in der heimischen Umgebung stattfinden zu lassen.

• Zur Person:

Professor Ian Cameron ist Facharzt für Geriatrie und Lehrstuhlinhaber für Rehabilitationsmedizin an der Universität Sydney. Forschungsschwerpunkte sind Verletzungen, Rehabilitation und Behinderungen insbesondere bei älteren Menschen. Prof. Cameron leitet das John Walsh Centre for Rehabilitation Research, das klinische, epidemiologische und anwendungsorientierte Studien interdisziplinär zusammenführt. Er ist Autor verschiedener Cochrane Reviews. Bei der Fachzeitschrift Journal of Rehabilitation Medicine und bei BioMed Central Geriatrics fungiert er als Mitherausgeber. Als Experte berät Prof. Cameron die australische Regierung und staatliche Organisationen in den Bereichen Rehabilitation und Gesundheitsangebote speziell für ältere und behinderte Menschen.

• Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)
Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Ärzte, die sich auf die Medizin der späten Lebensphase spezialisiert haben. Wichtige Schwerpunkte ihrer Arbeit sind neben vielen anderen Bewegungseinschränkungen und Stürze, Demenz, Inkontinenz, Depressionen und Ernährungsfragen im Alter. Häufig befassen Geriater sich auch mit Fragen der Arzneimitteltherapie von alten Menschen und den Wechselwirkungen, die verschiedene Medikamente haben. Bei der Versorgung geht es darum, den alten Menschen ganzheitlich zu betreuen und ihm dabei zu helfen, so lange wie möglich selbstständig und selbstbestimmt zu leben. Die DGG wurde 1985 gegründet und hat heute rund 1700 Mitglieder.

• Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG)
Die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie ist bewusst interdisziplinär ausgerichtet. Sie unterstützt zum einen Gerontologen und Geriater aktiv in der Forschung und Lehre über das Altern. Daneben finden hier alle in diesem Arbeitsfeld tätigen Berufsgruppen die Möglichkeit, sich fachlich auszutauschen und zu diskutieren - z. B. Biologen, Psychologen, Sozial- und Pflegewissenschaftler sowie Alten- und Krankenpfleger. Darüber hinaus ist der die Förderung des Nachwuchses ein besonderes Anliegen der Fachgesellschaft. Die DGGG wurde 1990 gegründet und hat heute rund 1200 Mitglieder.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dggeriatrie.de/presse-469/1133-pm-geriatrische-rehabilitation-2016-trotz-guter-evidenz-und-innovationen-zu-wenig-verordnet.html

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/de/attachment50474
Pressemitteilung "Geriatrische Rehabilitation 2016 - Trotz guter Evidenz und Innovationen zu wenig verordnet"

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1658

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG), Nina Meckel, 25.07.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juli 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang