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RAUCHEN/439: Ein neues Programm für die ärztliche Raucherentwöhnung (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2/2010

Für immer rauchfrei!
Ein neues Programm für die ärztliche Raucherentwöhnung

Von Dr. Klaus-Dieter Kolenda und Dr. Ulf Ratje


Nach ersten Erfahrungen liegt die Erfolgsquote des Programms "Für immer rauchfrei" über dem Durchschnitt. Studienergebnisse stehen noch aus.


Das Interesse an Fortbildungen auf dem Gebiet der Raucherentwöhnung ist in Schleswig-Holstein groß. Seit 2006 wurden an der Akademie für Medizinische Fortund Weiterbildung der Ärztekammer Schleswig-Holstein Kompaktkurse für Ärzte zum Erwerb von Kenntnissen auf dem Gebiet der Raucherentwöhnung angeboten. An den achtstündigen Kursen haben bisher ca. 140 Kollegen teilgenommen. Seit dem Frühjahr 2008 liegt nun das Curriculum "Qualifikation Tabakentwöhnung" der Bundesärztekammer (BÄK) vor(1). Dieses Curriculum umfasst 20 Stunden und soll Ärzte befähigen, Raucherentwöhnung an Patienten durchzuführen. Die Autoren haben auf der Basis des BÄK-Curriculums eine Schulung für Ärzte entwickelt, die neben den Inhalten des Curriculums auch ein Programm enthält, mit dessen Hilfe die praktische Umsetzung der Raucherentwöhnung in der Arztpraxis sichergestellt werden kann. Das neue Programm "Für immer rauchfrei!" soll hier in seinen verschiedenen Facetten kurz beschrieben werden.


Aus dem Inhalt

- BÄK-Curriculum
- Abhängigkeit der Raucher
- RaucherCheck
- Einzeltraining
- Gruppentraining
- Rückfallprophylaxe
- Training bei Rückfall
- Programmschulung
- Abrechnungs- und Erstattungsmöglichkeiten


Der weit überwiegende Teil der Raucher, die eine Raucherentwöhnung wünschen, ist nikotinabhängig. Der Grad der bestehenden Nikotinabhängigkeit kann über verschiedene Scores (Fagerströmtest, Kriterien der Sucht nach ICD-10 u. a.) ermittelt werden. Weiterhin haben sich Raucher im Laufe der Zeit ein für sie typisches spezifisches Rauchverhalten angeeignet, so z. B. das Rauchen bei Stress, Langeweile oder Geselligkeit. Aufgrund dieser Umstände muss ein Raucherentwöhnungsprogramm sowohl der Nikotinabhängigkeit als auch der Verhaltensabhängigkeit wirksam begegnen. Um aus einem Raucher einen stabilen Nichtraucher zu machen, ist wegen der nur allmählichen Festigung neu erlernten Verhaltens zudem eine Programmdauer von einem Jahr nach Rauchstopp sinnvoll. Eine effektive Raucherentwöhnung ist daher aufwändig und kostspielig.

Um die begrenzten Ressourcen des Arztes zweckmäßig zu nutzen und eine möglichst hohe Erfolgsquote zu erzielen, sollte zunächst eine Vorauswahl getroffen werden, um die aktuell für eine Verhaltensänderung bereiten Raucher zu identifizieren. Diese Vorauswahl erfolgt im sogenannten RaucherCheck (Abbildung 1). Dabei werden alle für die Teilnahme an der Raucherentwöhnung relevanten Daten erhoben. Der allgemeinen Anamnese schließt sich die spezielle Raucheranamnese an. Die Befunderhebung bezieht sich auf biometrische Daten ebenso wie z. B. auf die Bestimmung des Kohlenmonoxids in der Ausatmungsluft. Aus Anamnese und Befunderhebung ergeben sich der Grad der Nikotinabhängigkeit sowie die aktuelle innere Bereitschaft zum Rauchstopp. Der Patient erhält entweder die Empfehlung, mit der Raucherentwöhnung zu beginnen, oder den Rat, die innere Bereitschaft über weitere motivierende Gespräche noch zu erhöhen und zu einem späteren Zeitpunkt den Abstinenzversuch zu wagen. Für die Intensivphase der Raucherentwöhnung stehen dann zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Entweder wählen Arzt und Patient das Einzeltraining über 5 x 30 Minuten, oder es ergibt sich die Möglichkeit eines Gruppentrainings über 8 x 60 Minuten (Abbildung 1). Hier können dann sechs bis zehn Patienten gleichzeitig betreut werden. Im Mittelpunkt dieser Intensivphase stehen anfänglich die Motivationssteigerung sowie die Selbstwahrnehmung des persönlichen Rauchverhaltens. Daraus können Lösungen für typische Rauchsituationen gefunden und eingeübt werden. Die Techniken des Trainings sind leicht erlernbar und orientieren sich an der motivierenden Gesprächsführung(2). Weiterhin muss die medikamentöse Unterstützung ab dem Zeitpunkt des Rauchstopps vorbereitet werden. Daher findet der Rauchstopp erst jeweils kurz vor der dritten Einheit statt. In der Folge wird das neu erlernte Verhalten gefestigt. Die klassischen Lebensstilfaktoren Bewegung, Ernährung und Entspannung finden als elementare Bestandteile Berücksichtigung innerhalb des Trainings. Nach Abschluss der Intensivphase, die ca. acht (Einzeltraining) bis zwölf (Gruppentraining) Wochen dauert, schließt sich die Rückfallprophylaxe an (Abbildung 1). Diese verläuft bis zu einem Jahr nach Beginn des Rauchstopps und beinhaltet alle sechs bis acht Wochen terminierte Kurzkontakte von ca. 15 Minuten Dauer. Dort werden die Inhalte des Intensivtrainings kurz wiederholt, insbesondere wird Wert auf die individuellen Schwerpunkte und Besonderheiten des jeweiligen Patienten gelegt. Kommt es zu einem Rückfall, sieht das ausgearbeitete Rückfallmanagement ein intensives Training vor. Innerhalb von 3 x 30 Minuten kommt es zum erneuten Rauchstopp. Danach schließt sich die weitere Rückfallprophylaxe an.

Besonderheiten des Programms "Für immer rauchfrei!" sind, dass der Arzt die Inhalte bequem mithilfe speziell entwickelter Programmkarten bearbeiten und zur Umsetzung eine Vielzahl zur Verfügung gestellter Formulare nutzen kann. Der Arzt erhält damit in einer bundesweit einmaligen Zusammenstellung ein Gesamtkonzept (Abbildung 1) mit allen relevanten Bausteinen für eine effektive Raucherentwöhnung in der Arztpraxis, mit der nach einer Progammschulung sofort begonnen werden kann. Die Honorierung der Leistungen erfolgt zurzeit weitgehend über die GOÄ. Das Gruppentraining ist aber nach § 20 SGB V zertifiziert und wird anteilig von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die ggf. eingesetzten Medikamente müssen allerdings noch privat bezahlt werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) hat jedoch kürzlich beschlossen, dass Raucherentwöhnung im Rahmen des DMP COPD bezahlt werden soll. Auch dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Rauchen allgemein als Suchterkrankung eingestuft wird und bei Vorliegen raucherabhängiger Erkrankungen für die Kostenerstattung der § 43 SGB V zur Anwendung kommt.

Die Wirksamkeit des Programms soll anhand einer Studie gesichert werden. Erste Hinweise lassen auf eine Erfolgsquote von weit über den bisher in Konzepten aus Verhaltenstraining und medikamentöser Unterstützung üblichen 30 Prozent schließen.

Die Programmschulung zu "Für immer rauchfrei!" deckt die Inhalte des eingangs beschriebenen BÄK-Curriculums "Qualifikation Tabakentwöhnung" ab und umfasst mit insgesamt 24 Stunden (16 Stunden Präsenzseminar und acht Stunden Selbsstudium einschließlich Lernerfolgskontrolle) auch den praktischen Umgang mit dem Programm.


Weitere Informationen zum Programm können unter www.fuer-immer-rauchfrei.de abgerufen werden.

Literatur bei den Verfassern oder im Internet unter www.aeksh.de Prof. Dr. Klaus-Dieter Kolenda, Kronshagen,
E-Mail klaus-dieter.kolenda@gmx.de,
Dr. Ulf Ratje, Eckernförde E-Mail ratje@praxis-prinzenstrasse.de


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 2/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201002/h10024a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Abbildung 1: Ablaufschema des Programms "Für immer rauchfrei!"


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Februar 2010
63. Jahrgang, Seite 34 - 35
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.org
www.aeksh.de
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2010