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TRANSPLANTATION/465: Forschung - Ursache für Transportschäden an den Organen identifiziert (idw)


Ludwig-Maximilians-Universität München - 01.02.2012

Wenn Spenderlungen der Atem stockt

Ursache für Transportschäden an den Organen identifiziert


Wieder frei durchatmen können - um dieses Ziel zu erreichen, hilft bei unheilbar lungenkranken Patienten manchmal nur eine Transplantation. Geeignete Spenderorgane sind allerdings rar, und deren Transport zum Empfänger ist heikel: "Die isolierte, undurchblutete Lunge kann dabei so stark geschädigt werden, dass sie funktionslos wird. Dieser sogenannte Ischämie-Reperfusions-Schaden ist eines der Hauptprobleme der Lungentransplantation", sagt Professor Alexander Dietrich vom Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der LMU. Gemeinsam mit dem Kollegen Professor Thomas Gudermann gelang es Dietrich nun in Kooperation mit einem Team um die Professoren Norbert Weißmann und Werner Seeger (Universität Gießen), die Ursache des lebensgefährlichen Schadens zu identifizieren: Die sogenannten Lungenendothelzellen, die die Innenseite der Blutbahn auskleiden, werden in den isolierten Organen durchlässiger, sodass Wasser und Immunzellen vermehrt in die Lunge eindringen und dort Entzündungen verursachen können. Eine wichtige Rolle bei diesem Vorgang spielen zwei Regulatorproteine, die die Durchlässigkeit der Endothelzellen beeinflussen. "Unsere Ergebnisse eröffnen die einzigartige Möglichkeit, mit spezifischen Hemmstoffen einzugreifen und medikamentöse Therapien zu entwickeln, mit denen Ischämie-Reperfusions-Schäden in der Zukunft abgemildert werden könnten", erklärt Dietrich. (Nature Communications, 31.01.2012)

Ischämie-Reperfusions-Schäden entstehen, wenn isolierte Lungen aus dem Spender entnommen und nicht durchblutet (d.h. "ischämisch") zum Empfänger transportiert werden. Sie sind eine lebensgefährliche Komplikation bei Lungentransplantationen und führen nach der Transplantation meist zum Versagen der wieder durchbluteten Spenderlunge. Da ohnehin viel zu wenige Spenderorgane zur Verfügung stehen, wäre eine Möglichkeit, diesen Schaden medikamentös zu verhindern, ein wichtiger Forschungserfolg. Daher war es Ziel der Wissenschaftler um Dietrich und Gudermann in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Weissmann und Seeger, diejenigen Zellen und Signalmoleküle zu finden, die bei der Entstehung des Schadens eine Rolle spielen und als Ansatzpunkt für therapeutische Maßnahmen dienen können. Zu diesem Zweck schufen die Wissenschaftler Mausmodelle, die bestimmte Proteine nicht mehr herstellen können - so konnten sie in der isolierten Lunge und am lebenden Modell untersuchen, welche Rolle diese Proteine bei der Entstehung des Lungenschadens spielen. In umfangreichen Einzelzellanalysen wurden zudem Änderungen im Calciumioneneinstrom und im Zellwiderstand der sogenannten pulmonalen Endothelzellen der Blutgefäße verschiedener Mausmodelle während der Ischämie verglichen.

"Zu unserer Überraschung war für die initialen Schritte des Ischämie-Reperfusions-Schadens vor allem die erhöhte Durchlässigkeit der Endothelzellen verantwortlich, durch die es zu Wassereinlagerungen und zum Einwandern von Immunzellen kommt", sagt Dietrich. Diese Vorgänge führen zu einem entzündeten, zerstörten und weitgehend funktionslosen Lungengewebe. Den Wissenschaftlern gelang es, mit der sogenannten NADPH-Oxidase 2 (Nox2) und dem Calciumkanal TRPC6 zwei Regulatorproteine zu identifizieren, die bei der Regulierung der Endothelzelldurchlässigkeit eine wichtige Rolle spielen, und die entsprechenden Signalwege zu ihrer Aktivierung aufzuklären. Nox2 ist dabei für die Produktion reaktiver Sauerstoffspezies verantwortlich, die ihrerseits eine Signalkaskade in Gang setzen, die TRPC6 aktiviert - wodurch vermehrt Calcium in die Zelle eindringt und diese durchlässiger macht. Die Ergebnisse der Wissenschaftler eröffnen die Chance, die beiden Regulatorproteine mit spezifischen Hemmstoffen zu blockieren und so Ischämie-Reperfusions-Schäden zu vermeiden. Als nächsten Schritt planen die Wissenschaftler, mit neu identifizierten spezifischeren TRPC6-Hemmern eine medikamentöse Therapie des Ischämie-Reperfusions-Schadens in der isolierten Mauslunge zu etablieren - und langfristig auch in der menschlichen Lunge Transportschäden auf dem Weg vom Spender zum Empfänger abzumildern.

Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung finanziell gefördert.
(göd)


Publikation:
"Activation of TRPC6 channels is essential for ischemia-reperfusion-induced lung edema in mice"
N. Weissmann, A. Sydykov, H. Kalwa, U. Storch, B. Fuchs, M. Mederos y Schnitzler, R. P. Brandes, F. Grimminger, M. Meissner, M. Freichel, S. Offermanns, F. Veit, O. Pak, K.-H. Krause, R.T. Schermuly, A.C. Brewer, H.H.H.W. Schmidt, W. Seeger, A.M. Shah, T. Gudermann, H.A. Ghofrani & A. Dietrich
Nature Communications, Online Publication 31.1.2012
DOI: 10.1038/ncomms1660

Kontakt:

Professor Dr. Alexander Dietrich
Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der LMU
E-Mail: Alexander.Dietrich@lrz.uni-muenchen.de

Professor Dr. Thomas Gudermann
Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie der LMU
E-Mail: Thomas.Gudermann@lrz.uni-muenchen.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution114


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 01.02.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Februar 2012