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UMWELT/623: Atomkatastrophe in Fukushima - WHO soll objektiv über Gesundheitsgefahr informieren (IPPNW)


IPPNW - Berlin, den 22. März 2011
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

Atomare Katastrophe in Fukushima

WHO soll objektiv über gesundheitliche Gefahren informieren


Die IPPNW fordert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf, die Bevölkerung in Japan ungeschönt und objektiv über die gesundheitlichen Auswirkungen der Fukushima-Katastrophe und eine mögliche Kernschmelze zu informieren. "Die WHO sollte sich jetzt für eine Evakuierung der Frauen, Kinder und der schwangeren Frauen aus den betroffenen Regionen aussprechen, weil sie besonders strahlensensibel sind", erklärt IPPNW-Ärztin Dr. Angelika Claußen.

Seit Jahren kritisiert die IPPNW eine Vereinbarung zwischen der WHO und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) aus dem Jahr 1959. Da das Hauptziel der IAEO ist, die Atomenergie zu fördern, hindert diese Absprache die WHO daran, die Bevölkerung ausreichend vor den gesundheitlichen Risiken der Atomenergie zu schützen. Im Jahr 2001 hatte die WHO ihr Projektbüro für Nuklearkatastrophenschutz und Public Health in Helsinki geschlossen. Wir fordern die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken, dass die WHO die Öffentlichkeit jetzt trotz der Vereinbarung mit der IAEO unabhängig über die gesundheitlichen Auswirkungen von ionisierender Strahlung informiert. Dazu Angelika Claußen: "Die WHO-Reaktion auf die atomare Katastrophe von Fukushima ist völlig unzureichend. Wir befürchten eine Interessenkollision mit der IAEO, die die Risiken der Atomenergie seit Jahren herunterspielt".

So bezifferte die IAEO die Opfer des Super-GAUS von Tschernobyl auf weniger als 50 Tote. Die WHO spricht bis heute von 9.000 Menschen, die aufgrund der Strahlenexposition sterben könnten. Erst Ende Februar 2011 hat der Wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (UNSCEAR) diese Zahlen erneut bestätigt. Der promovierte Biologe Alexej Jablokow, Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, hat 2009 zahlreiche Daten und Untersuchungsergebnisse über die gesundheitlichen und ökologischen Folgen von Tschernobyl zusammengetragen. Er beziffert die Gesamtzahl der Toten auf 900.000 bis 1,8 Millionen weltweit. Die Zahlen beziehen auch zukünftige Tote mit ein, weil die Tschernobyl-Nuklide weiter in der Biosphäre bleiben. Allein bei den 830.000 Liquidatoren gebe es bisher 112.000-125.000 Tote.

Angelika Claußen kritisiert, dass seitens der IAEO angesichts der Fukushima-Katastrophe nicht die kleinste Bereitschaft besteht, die Förderung der Atomenergie zu überdenken. IAEO-Chef Yukija Amano hatte erklärt, der Unfall von Fukushima sei durch eine beispiellose Naturkatastrophe verursacht worden und ändere nichts an der Tatsache, dass die Menschheit diese stabile Energiequelle weiterhin benötige, auch um die negativen Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen.

Die IPPNW fordert den Gouverneursrat auf, die Satzung der IAEO zu aktualisieren und den Schutz der Bevölkerung vor den Risiken der zivilen und militärischen Nutzung der Atomenergie zur höchsten Priorität zu machen. Das umfasst auch die Schließung von Atomkraftwerken mit gravierenden Sicherheitsdefiziten. Zudem sind verbesserte Maßnahmen zur Überwachung von Nuklearmaterial notwendig, um die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern.

Im Vorfeld des 25. Jahrestags von Tschernobyl, vom 8.-11. April 2011, veranstaltet die IPPNW einen großen Kongress "Zeitbombe Atomenergie", auf dem auch Alexej Jablokow referieren wird. Weiterer Gast ist Dr. Keith Baverstock, Experte für Strahlenschutz und ehemaliger WHO-Mitarbeiter, der das Versagen der UN-Organisationen in der Fukushima-Krise kritisiert.


Weitere Informationen unter www.tschernobylkongress.de und auf
www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/ippnw_aktuell_24_web.pdf
(Artikel zu Tschernobylfolgen)


Über die IPPNW:

Diese Abkürzung steht für International Physicians for the Prevention of Nuclear War. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges engagieren sich seit 1982 für eine Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg. 1985 wurden sie dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seit 1990 stehen zusätzlich gesundheitspolitische Themen (z.B. Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere, Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten) auf dem Programm des Vereins. In der IPPNW sind rund 7.000 ÄrztInnen und Medizinstudierende organisiert.


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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - vom 22.03.2011
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges /
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
IPPNW-Geschäftsstelle, Körtestr. 10, 10967 Berlin
Sven Hessmann, Pressereferent
Telefon: 030-69 80 74-0, Fax: 030-69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. März 2011