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AUSLAND/1793: Indien - Männer gegen Müttersterblichkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Februar 2012

Indien: Männer gegen Müttersterblichkeit

von Manipadma Jena

Indische Geburtshelfer - Bild: © Manipadma Jena/IPS

Indische Geburtshelfer
Bild: © Manipadma Jena/IPS

Bhubaneshwar, Indien, 3. Februar (IPS) - Im ostindischen Bundesstaat Orissa haben die Behörden im Kampf gegen die hohe Mütter- und Säuglingssterblichkeit eine neue wirksame Waffe entdeckt: Männer. Sie unterstützen die Arbeit lokaler Geburtshelferinnen. Einer von ihnen ist Malay Ranjan Juanga. Er hat dafür gesorgt, dass drei indigene Frauen aus dem entlegenen Dorf Nola im Keonjhar-Bezirk sicher die nächste Entbindungsstation erreichten.

Seit einem Jahr sind insgesamt 205 MHAs ('Male Health Activists') in Orissa im Einsatz. Juanga ist für die Betreuung von 96 Familien in Nola zuständig. Um das acht Kilometer abseits der Hauptstraße gelegene Dorf zu erreichen, muss man zu Fuß den Chandragiri-Hügel erklimmen. Autos kommen auf der von Regen unterspülten Straße nicht voran, und mit Fahrrädern geht es nicht viel besser. Dennoch gelang es dem Gesundheitsaktivisten, die drei schwangeren Frauen sicher in die 30 Kilometer entfernte Klinik der Stadt Harichandanpur zu bringen.

Im Februar vergangenen Jahres nahmen 205 MHA ihre Arbeit in Orissa, einem der am schwächsten entwickelten Bundesstaaten Indiens, auf. Fast 40 Prozent der rund 20,7 Millionen Einwohner sind Ureinwohner oder gehören stark diskriminierten Hindu-Kasten an. Sie leben in schwer zugänglichen Gebieten.


Hohe Sterblichkeitsraten

Die Müttersterblichkeit in Orissa ist mit 258 pro 100.000 Geburten extrem hoch. Das Gleiche gilt für die Säuglingssterblichkeit, die bei 65 pro 1.000 Geburten liegt, wie eine jüngste demografische Erhebung belegt. Zugrunde liegen Daten über 1,4 Millionen Haushalte mit insgesamt sieben Millionen Menschen für den Zeitraum 2007 bis 2009.

"Die Regierung Indiens hat grundlegende Maßnahmen festgelegt, mit denen das Leben von Müttern, Säuglingen und Kindern gerettet werden kann", berichtet Patricia Dandonoli von der Hilfsorganisation 'Concern Worldwide' mit Sitz in New York. Diese Maßnahmen seien einfach und kosteneffektiv, jedoch schwierig umzusetzen.

Um die UN-Millenniumskampagne gegen die weltweite Armut zu unterstützen und um insbesondere zur Senkung der Kinder- und Müttersterblichkeit beizutragen, hat 'Concern Worldwide' in Orissa sowie in den afrikanischen Ländern Malawi und Sierra Leone die Initiative 'Innovations' ins Leben gerufen, die den Einsatz von Helfern wie den MHA vorsieht.

Die MHA arbeiten mit weiblichen Gesundheitshelfern (ASHA) zusammen, die bereits das Rückgrat der von der Regierung vorangetriebenen Nationalen Gesundheitsmission für die Dörfer ('National Rural Health Mission') bilden. Diese Strategie zielt darauf ab, die auf Mütter und Kinder bezogenen Millenniumsziele besser anzusteuern. Dem Plan zufolge kommt auf jeweils 1.000 Einwohner eine ASHA, die die Bevölkerung über die verfügbaren Gesundheitsdienste informieren soll.

In weit abgelegenen Gebieten wie Nola lauern allerdings auch andere Gefahren. So ist es für die weiblichen Helfer oftmals gefährlich, die Gebärenden nachts in die Krankenhäuser zu begleiten. Im Dorf Melani werden die Frauen bereits von dem männlichen Kollegen Singari Munda eskortiert.

Als eine Frau mitten in der Nacht Wehen bekam und niemand sie in die 15 Kilometer entfernte Klinik bringen konnte, trieb Munda ein Auto auf und fuhr sie ins Krankenhaus. Als Komplikationen auftraten, brachte der Helfer die Gebärende in eine besser ausgestattete Einrichtung in der Stadt Keonjhar. Er blieb eine Woche dort und begleitete Mutter und Kind schließlich wieder sicher nach Hause.


Männer für Familienplanung sensibilisiert

In der patriarchalischen Gesellschaft Indiens haben es die weiblichen Gesundheitshelfer oft nicht leicht, Männer für Familienplanung zu sensibilisieren. Sowohl die Familienplanung als auch die Versorgung der Kinder würden zu sehr auf die Frauen abgewälzt, meint Dharitri Rout von der 'Women's Organisation für Socio-Cultural Awareness', die Innovations in Keonjhar unterstützt. Dass nun auch männliche Gesundheitshelfer in die Häuser kämen, habe bewirkt, dass sich inzwischen auch die Ehemänner mehr mit diesen Fragen beschäftigten.

Singari Munda kann das bestätigen: "In Melani trifft sich ein Mal im Monat ein Komitee aus verheirateten Männern", berichtet er. "Sie diskutieren über Familienplanung und Impfungen." (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.concern.net/
http://mohfw.nic.in/NRHM.htm
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106574

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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2012