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AUSLAND/1796: Ghana - Psychisch Kranke unterversorgt, neues Gesetz verspricht Abhilfe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2012

Ghana: Psychisch Kranke unterversorgt - Neues Gesetz verspricht Abhilfe

von Jonathan Migneault und Jamila Akweley Okertchiri

Bernard Akumiah ist für die Anerkennung psychischer Krankheiten - Bild: © Jamila Akweley Okertchiri/IPS

Bernard Akumiah ist für die Anerkennung psychischer Krankheiten
Bild: © Jamila Akweley Okertchiri/IPS

Accra, 14. Februar (IPS) - Das ständige Summen von Mücken war ein erstes Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte. Denn Bernard Akumiah vernahm als einziger die monotonen Geräusche, die sich später in Stimmen verwandelten. Das war 1982 gewesen, dem Jahr, in dem der Ghanaer an Schizophrenie erkrankte.

Damals stand Akumiah am Anfang seines Lebens. Wie er berichtet, wurde er von seiner Familie zunächst rührend umsorgt. Doch nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe er dann eine Art Trennlinie gespürt, die er später als Diskriminierung identifizierte.

Heute ist Akumiah 59 Jahre alt. Seine Krankheit hat er mit antipsychotischen Medikamenten in den Griff bekommen. Als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Ghanaischen Gesellschaft für psychische Erkrankungen kämpft er gegen die Stigmatisierung der Betroffenen und für die Anerkennung psychischer Störungen. "Wenn du krank und von deiner Familie verstoßen wirst, wer wird dann für dich sorgen? Die Regierung muss psychische Krankheiten endlich als gesundheitliches Phänomen anerkennen."


Zwölf Psychiater für 24 Millionen Menschen

Das hat sie nun offenbar vor. So soll bis Ende März ein neues Gesetz in Kraft treten, von dem sich Experten eine deutliche Verbesserung der Situation psychisch Kranker erhoffen. Denn bisher werden Schätzungen zufolge 98 Prozent aller Ghanaer mit geistigen und seelischen Störungen nie behandelt. Landesweit gibt es gerade einmal drei Spezialkliniken. Die meisten liegen im bevölkerungsreichsten Süden des Landes. Im armen Norden gibt es für Betroffene überhaupt keine Anlaufstellen. Das 24 Millionen Menschen zählende westafrikanische Land verfügt gerade einmal über zwölf Psychiater.

Ghana gibt ein Prozent seines Haushaltsbudgets für die Behandlung psychischer Krankheiten aus, unter denen rund ein Zehntel der Bevölkerung leidet. Nach Ansicht von Akwasi Osei, dem Leiter des Psychiatriekrankenhauses in Accra, müsste der Staat mindestens sieben Prozent seines Gesundheitshaushalts für die Behandlung psychischer Erkrankungen bereitstellen.

Im Psychiatriekrankenhaus in Accra mit nur 500 Betten werden derzeit 800 Patienten stationär behandelt. In der Männerabteilung sitzen Patienten auf dem Boden. Die meisten wirken erschöpft - offenbar eine Folge der Medikation. Einige berichten, dass sie ab und zu Besuch von der Familie erhalten, andere wurden von ihren Angehörigen verstoßen.

Wie Osei berichtet, ist die Stigmatisierung der Patienten die Folge einer immensen Angst vor dem Unbekannten. "Die Menschen wissen zu wenig über psychische Erkrankungen und deren Ursachen. Das schafft Angst und macht sie abergläubisch."

Ghanas Gesundheitsexperten sind zuversichtlich, dass das neue Gesetz dazu beitragen wird, die Stigmatisierung der Patienten zu beenden und die gesundheitliche und rechtliche Situation der Betroffenen zu verbessern.

Das Gesetz wurde 2006 dem Parlament vorgelegt und nach zwei Lesungen an den Gesundheitsausschuss weitergeleitet, der seine Zusage nach eigenen Angaben bis spätestens Ende März geben wird. Wie Humphrey Kofie, der Leiter der Ghanaischen Gesellschaft für psychische Erkrankungen, erläutert, wird es die Menschenechte der Betroffenen stärken. So ist es zum Beispiel künftig verboten, Menschen mit psychischen Erkrankungen das Wahlrecht vorzuenthalten.

Osei zufolge ist das neue Gesetz das progressivste seiner Art innerhalb Afrikas. Vorgesehen ist unter anderem die Einrichtung eines Trustfonds, der Gelder für die Behandlung psychischer Erkrankungen bereitstellt. Ferner ist die Einrichtung einer Behörde geplant, die Aufklärungsarbeit zur Bekämpfung von Vorurteilen leistet und traditionelle Heiler kontrolliert. Auch sollen die finanziellen Mittel für die Behandlung psychisch Kranker erhöht werden. Konkrete Zahlen liegen bislang nicht vor.

Kofie zufolge wäre es sinnvoll, zur Umsetzung der Maßnahmen rechtsverbindliche Instrumentarien bereitzustellen. Ansonsten könnte es dem neuen Gesetz ähnlich ergehen, wie dem 2006 verabschiedeten Gesetz für Behindertenrechte. Bis heute sind die staatlichen Institutionen für die meisten Ghanaer, die unter einer körperlichen Behinderung leiden, unzugänglich.
(Ende/IPS/kb/2012)


Link:
http://www.ips.org/africa/2012/02/ghana-need-to-recognise-mental-illness-as-a-health-concern/

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IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2012