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AUSLAND/2019: Kenia/Somalia - Geplante Rückführung der Flüchtlinge darf sich nicht auf Hilfsleistungen auswirken (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - Berlin, 28. November 2013

Kenia/Somalia: Geplante Rückführung der Flüchtlinge aus Dadaab darf sich nicht auf Hilfsleistungen auswirken



Nach einer Befragung der internationalen medizinischen Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen wollen vier von fünf Flüchtlingen in den Lagern von Dadaab angesichts der angespannten Sicherheitslage in Somalia nicht in ihre Heimat zurückkehren. Ärzte ohne Grenzen betont, dass ein Abkommen zur freiwilligen Rückführung der Somalier aus Kenia zwar ein positiver Schritt sein kann, sich aber nicht negativ auf die Hilfeleistungen für die Flüchtlinge auswirken darf.

Das Abkommen wurde am 10. November von den Vereinten Nationen, Kenia und Somalia unterschrieben und skizziert das praktische und juristische Verfahren für die freiwillige Rückkehr von Hunderttausenden Flüchtlingen nach Somalia. Viele von ihnen wurden in Kenias großen Lagern geboren oder haben bis zu 22 Jahre dort verbracht. Ärzte ohne Grenzen ist zwar der Ansicht, dass die Reintegration von Flüchtlingen in Somalia Teil einer konkreten und nachhaltigen Lösung ist, jedoch müssen Hilfsleistungen für alle beteiligten Parteien weiterhin Priorität haben. "Niemand wählt ein Leben als Flüchtling. Die meisten Flüchtlinge kommen kaum mit dem zurecht, was sie von der Regierung oder Hilfsorganisationen bekommen", sagt Jean-Clément Cabrol, Leiter der Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Brüssel. "Die Entscheidung, in das Heimatland zurückzukehren, sollte aus freien Stücken erfolgen und nicht mit gekürzten Hilfeleistungen erzwungen werden."

Die praktische Umsetzung des trilateralen Abkommens wirft laut Ärzte ohne Grenzen einige Fragen auf. "Freiwillige Rückführungen implizieren, dass die Menschen sich der Situation innerhalb Somalias bewusst sind", erklärt Cabrol. Die 22-jährige Erfahrung, auf die Ärzte ohne Grenzen in Somalia zurückblickt, legt den Schluss nahe, dass sichere Bedingungen für die Rückkehr der Flüchtlinge nicht gegeben sind. Nach wie vor herrscht in vielen Teilen des Landes eine hohe Unsicherheit, und es gibt immer noch zahlreiche Vertriebene innerhalb des Landes.

"Die Sicherheit und Würde der Rückkehrenden müssen gewährleistet sein", betont Cabrol. "Die somalische Regierung und ihre Partner müssten garantieren, dass die Rechte der Rückkehrenden respektiert werden und dass sie Unterstützung erhalten. Gleichzeitig muss die Hilfe in Kenias Flüchtlingslagern für diejenigen, die nicht nach Somalia zurückgehen wollen, aufrechterhalten werden."

Eine Erhebung, die Ärzte ohne Grenzen im August 2013 im Dadaab-Lager Dagahaley unter Patienten durchführte, ergab, dass vier von fünf Personen angesichts der aktuellen Situation nicht nach Somalia zurückkehren möchten - trotz der schwierigen Lebensbedingungen in den Lagern. Fast die Hälfte der im Lager Dagahaley Befragten gab an, keine Mittel zu haben, um ihre Unterkünfte in der Regenzeit trocken zu halten. Eine von zehn Personen hatte keinen Zugang zu Latrinen und eine von vier gab an, sich nicht sicher zu fühlen. "Diese Ergebnisse machen deutlich, wie gering die Versorgung ausfällt", sagt Cabrol.

Beschlüsse von Geldgebern zur Kürzung der Beiträge haben direkte Auswirkungen auf die Flüchtlinge in Dadaab. So wurden unlängst die Essensrationen um zwanzig Prozent verringert. Das führte dazu, dass die Flüchtlinge weniger als die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene minimale Kalorienzufuhr pro Tag erhalten.

Es sei deswegen entscheidend, dass die Hilfe für die Flüchtlinge in Kenia beibehalten werde, meint Cabrol weiter. "Eine Reduzierung der Hilfsleistungen in den Lagern könnte als Druck auf die Flüchtlinge interpretiert werden, zurück nach Somalia zu gehen, und das ist inakzeptabel."

Über die Zukunft der Flüchtlinge in Dadaab wird seit Jahrzehnten diskutiert. Einfache Lösungen gibt es nicht. Nichtsdestotrotz gibt es Alternativen: Die internationale Gemeinschaft davon überzeugen, mehr Flüchtlinge ins Ausland umsiedeln zu lassen; Flüchtlinge in einem sichereren Gebiet in Lagern von überschaubarer Größe unterbringen; den Flüchtlingen zu mehr Selbstständigkeit verhelfen. "Diese Menschen sind verletzlich und mussten schon zu viel leiden", sagt Cabrol. "Wo auch immer sie leben, müssen ihre Sicherheit, ihre Gesundheitsversorgung und ihre Würde gewährleistet sein."

Ärzte ohne Grenzen ist seit zwanzig Jahren in Dadaab tätig. Im Lager Dagahaley ist die Organisation gegenwärtig die einzige, die eine medizinische Versorgung anbietet. Monatlich führen die Teams von Ärzte ohne Grenzen mehr als 9.000 ambulante Behandlungen durch und nehmen 600 Patienten im Krankenhaus Dagahaley auf - sowohl Flüchtlinge als auch Einheimische.

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen
Pressemitteilung vom 28.11.2013
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Pressestelle: Telefon: 030/22 33 77 00
E-Mail: office@berlin.msf.org
Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2013