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AUSLAND/2192: Simbabwe - Anti-Schwulen-Gesetze behindern Kampf gegen HIV/Aids (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2014

Simbabwe: Anti-Schwulen-Gesetze behindern Kampf gegen HIV/Aids

von Jeffrey Moyo


Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

In Simbabwe sind gleichgeschlechtliche Beziehungen illegal
Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

Harare, 19. Dezember (IPS) - Im Rahmen der UN-Millenniumskampagne hat sich Simbabwe verpflichtet, HIV/Aids einzudämmen und allen Infizierten den Zugang zu den lebensverlängernden antiretroviralen Medikamenten zu ermöglichen. Doch Kritiker werfen der Regierung vor, wenig beziehungsweise gar nichts zum Schutz sexueller Minderheiten vor einer Ansteckung zu unternehmen. In dem afrikanischen Land ist Homosexualität eine Straftat.

Die acht Millenniumsentwicklungsziele (MGD) zur Armutsbekämpfung, die bis Ende 2015 erreicht sein sollen, sehen unter anderem die Bekämpfung schwerer Krankheiten wie HIV/Aids vor. Nach Ansicht zivilgesellschaftlicher Akteure besteht in Simbabwe ein großer Handlungsbedarf, Risikogruppen wie Schwule in die offiziellen Hilfsstrategien zu integrieren.

"Was die Bekämpfung von HIV/Aids betrifft, gibt es innerhalb des staatlichen Gesundheitswesens keine nationalen Behandlungs- oder Präventionsprogramme, die für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle (LGBTI) leicht zugänglich sind", sagt Samuel Matsikure, Programmkoordinator der Vereinigung 'Schwule und Lesben Simbabwes' (GALZ). Gesundheitshelfer hätten oftmals erhebliche Wissenslücken, was die besonderen Bedürfnisse der Kranken und die besten Präventions- und Behandlungsmethoden angehe.

GALZ ist eine Freiwilligenorganisation, die seit 1990 die Interessen der LGBTI in Simbabwe vertritt und sich für soziale Toleranz gegenüber den sexuellen Minderheiten einsetzt. Doch 24 Jahre nach der Gründung von GALZ ist Homosexualität in dem Land nach wie vor verboten. Auch die neue Verfassung schließt gleichgeschlechtliche Sexual- und Ehebeziehungen aus.

Nach Ansicht von Aktivisten wird es Zeit, dass die Regierung in Harare endlich akzeptiert, dass es die sexuellen Minderheiten im Lande gibt. "Sie müssen unbedingt in Strategien zur Bekämpfung von HIV/Aids einbezogen werden. Wie kann die Geißel HIV/Aids besiegt werden, wenn eine Bevölkerungsgruppe vernachlässigt wird, die die Krankheit mit Sicherheit weitergibt?" meint Trust Mhindo, der sich für die Rechte von LGBTI engagiert.

"Wir müssen uns für Gesetzesänderungen einsetzen, damit die LGBTI als solche anerkannt werden. Ansonsten ist der Kampf gegen HIV und Aids aussichtslos", warnt auch Benjamin Mazhindu, Vorsitzender des Nationalen Netzwerks HIV-Infizierter in Simbabwe (ZNPP+).


Vorurteile in Krankenhäusern

Angesichts der Ausgrenzung der LGBTI erscheint es vielen Beobachtern kaum realistisch, die Ausbreitung der Immunschwächekrankheit bis Ende 2015 einzudämmen. "In den meisten Gesundheitseinrichtungen werden die LGBTI schlecht behandelt, was dazu führt, dass sie sexuell übertragebare Krankheiten lieber für sich behalten beziehungsweise nicht die Informationen erhalten, die sie brauchen, um sich vor HIV/Aids zu schützen. Dieses Vakuum müssen wir dringend beseitigen", betont der GALZ-Direktor Chester Samba.

Viele HIV-Positive wie der 23-jährige Hillary Tembo trauen sich aus Angst vor dem Stigma nicht, bei den staatlichen Krankenhäusern vorzusprechen. "Ich habe überall Geschwüre. Ich kann mir gut vorstellen, wie das Klinikpersonal reagieren würde, wenn sie die zu Gesicht bekämen", sagt er.

Samba zufolge sind zwar keine Fälle bekannt, in denen den LGBTI eine antiretrovirale Therapie verweigert wurde. Doch seiner Meinung nach fehlt es an einer nationalen Strategie, die dazu beiträgt, Barrieren niederzureißen, die den sexuellen Minderheiten den Zugang zu HIV/Aids-Behandlungen und Informationen versperren.


Rechtliches Problem

Da die simbabwische Verfassung gleichgeschlechtlichen Sex verbietet, steht die Regierung vor einem großen Problem. "Wir können unsere Verfassung nicht verdrehen, damit sie den Bedürfnissen einer kleinen Bevölkerungsgruppe entgegenkommt, die gegen sie verstößt", meint ein hochrangiger Regierungsbeamter, der seinen Namen nicht genannt sehen will.

Wie viele LGBTI in dem Land im südlichen Afrika leben, kann Samba nicht genau sagen. Denn die sexuelle Orientierung von Simbabwern wird offiziell nicht erfasst. Den einzigen Anhaltspunkt bietet eine bisher unveröffentlichte Untersuchung, die GALZ in diesem Jahr durchgeführt hat, der zufolge 23,5 Prozent der 393 auf HIV/Aids getesteten Schwulen das HI-Virus in sich trugen. Bei den Lesben waren es 32,6 Prozent pro 179.

Laut dem Nationalen Aids-Rat in Simbabwe (NAC) sind etwa 1,24 Millionen Menschen in dem rund 13 Millionen Einwohner zählenden Land HIV-infiziert oder bereits an Aids erkrankt. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von etwa 15 Prozent. Aktuellen Daten des nationalen Statistikamts zufolge machen LGBTI etwa vier Prozent der HIV- Infizierten und Aids-Kranken aus.

GALZ berichtet, dass 15 Prozent seiner 6.000 Mitglieder mit dem Immunschwächevirus leben. Seit Januar sind fünf von ihnen an den Folgen von Aids gestorben. Jedes Jahr verliert die Organisation auf diese Weise fünf bis zehn Mitglieder. HIV-Infizierte wie Hillary Tembo haben angesichts fehlender staatlicher Strategien kaum Hoffnung, dass die Krankheit zu überleben. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/12/anti-gay-legislation-could-defeat-goal-to-end-aids-in-zimbabwe-by-2015/

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IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2014


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