Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN

AUSLAND/2203: Simbabwe - Müttersterblichkeit nimmt immer weiter zu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Februar 2015

Simbabwe: Müttersterblichkeit nimmt immer weiter zu - Top-Gesundheitsversorgungsland im freien Fall

von Jeffrey Moyo


Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

In Simbabwe nimmt die Müttersterblichkeit zu
Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

Harare, 4. Februar (IPS) - Für den 47-jährigen Albert Mangwendere aus Mutoko, einem Bezirk rund 140 Kilometer östlich der simbabwischen Hauptstadt Harare, ist es fast schon Routine, seine drei Frauen abwechselnd im Handkarren zur nächsten Entbindungsstation zu fahren. Doch nicht immer geht die Reise glücklich aus. "In den letzten 20 Jahren haben wir auf dem Weg zur Klinik zwölf Babys verloren", berichtet er.

Dabei hatten Mangwenderes Frauen angesichts der dramatisch hohen Müttersterblichkeit Glück im Unglück. Immerhin haben sie überlebt. Jedes Jahr sterben etwa 3.000 Frauen an den Folgen von Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt - und das in einem Land, das in den 1980er Jahren zu den Ländern Subsahara-Afrikas mit der besten Gesundheitsversorgung zählte.

Die hohen wirtschaftlichen Kosten der Müttersterblichkeit, die neben dem menschlichen Leid entstehen, haben die Vereinten Nationen 2013 mit mindestens 1,23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angegeben. Den UN-Zahlen zufolge hat die Müttersterblichkeitsrate zwischen 1990 und 2010 sogar zugenommen. Als Hauptursachen wurden bakterielle Entzündungen, Uterusrupturen, Nieren und Herzversagen und unstillbares Schwangerschaftserbrechen genannt.


Kleiner Gesundheitsetat

Dieses Jahr hat die Regierung dem Gesundheitssektor 301 Millionen US-Dollar zugewiesen. Das bedeutet, dass der Staat seinen 13,5 Millionen Bürgern einen jährlichen Pro-Kopf-Etat von rund 22 US-Dollar einräumt. Demgegenüber geben Südafrika jeweils 650 Dollar, Botswana jeweils 390 Dollar und Angola jeweils 200 Dollar pro Kopf für die Gesundheitsversorgung ihrer Bürger aus, wie die simbabwische Tageszeitung 'NewsDay' am 27. Januar berichtete.

Ein weiteres Problem sind die Gebühren, die einige simbabwische Entbindungsstationen erheben. "Dabei hatte die Regierung 2012 neue Bestimmungen zur Abschaffung der Kosten für die medizinische Versorgung von Schwangeren erlassen", berichtet Catherine Mukwapati, Leiterin der lokalen Hilfsorganisation 'Youth Dialogue Action Network'.

Die zuständige Klinikbehörde rechtfertigt die Entscheidung etlicher privater Zentren damit, dass ihnen die Kosten, anders als von der Regierung versprochen, nicht erstattet wurden. "Private Kliniken haben somit gar keine andere Wahl, als den Frauen eine Gebühr von jeweils 25 Dollar in Rechnung zu stellen", meint der Leiter der Gesundheitsabteilung von Harare, Stanley Mungofa.

Die Entbindungskosten an den privaten und staatlichen Kliniken belaufen sich auf 152 respektive 150 Dollar, wie Mungofa berichtet. Für einen Kaiserschnitt werden 450 Dollar veranschlagt.

Eine Gruppe von Geberstaaten hat Simbabwe für den Zeitraum 2011 bis 2015 435 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, um den Frauen im Lande eine kostenlose Entbindung zu ermöglichen. Der sogenannte Gesundheitsübergangsfonds untersteht dem Gesundheitsministerium und wird vom Weltkinderhilfswerk UNICEF verwaltet. Er soll zudem dem Exodus von ausgebildetem Gesundheitspersonal mit Hilfe von Gehaltserhöhungen entgegenwirken. Schon jetzt stehen jeweils 10.000 Menschen statistisch gesehen gerade einmal 1,6 Ärzte zur Verfügung.

Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

Die 28-jährige Chipo Shumba mit ihrem ersten Kind, dem sechs Fehlgeburten vorausgegangen sind
Bild: © Jeffrey Moyo/IPS

Mangwendere und seine Frauen müssen zwar keine Entbindungsgebühren entrichten, doch haben sie das Problem, dass der Weg, den sie bis zur nächsten Klinik zurücklegen müssen, sehr weit ist und alternative Transportmittel nicht zur Verfügung stehen.


Pro Schrei fünf Dollar

Verstärkt wird die Gesundheitskrise durch die Korruption. So hat 'Transparency International' von einer Klinik berichtet, die Frauen für jeden Schrei, den sie während des Geburtsprozesses ausgestoßen haben, fünf Dollar in Rechnung stellte. Einem Bericht der Organisation zufolge haben 62 Prozent aller Simbabwer im letzten Jahr ein Bestechungsgeld gezahlt.

In den 1980er Jahren galt der simbabwische Gesundheitssektor als einer der besten Subsahara-Afrikas. Doch die wirtschaftliche Talfahrt bescherte dem Land eine Hyperinflation von mehr als 230 Millionen Prozent. In den darauffolgenden Jahren verschlimmerte sich die Lage infolge der chronischen Unterfinanzierung des Sektors.

Das Millenniumsentwicklungsziel (MDG), bis 2015 die Müttersterblichkeit um drei Viertel gegenüber dem Jahr 1990 zu senken, dürfte Simbabwe somit verfehlen. Darauf lässt bereits ein Bericht zu den MDGs von 2012 schließen. Demnach müsste die Müttersterblichkeitsrate auf 174 pro 100.000 Lebendgeburten bis Ende des laufenden Jahres gesenkt werden.

Das Gesundheitsministerium sieht vor allem extreme pränatale Blutungen und unprofessionell durchgeführte Abtreibungen als Hauptursache für die hohe Müttersterblichkeit im Lande. Doch Zahlen, die diese Aussagen belegen würden, fehlen.

"Die Angaben zur Müttersterblichkeit sind unvollständig, weil sie nicht berücksichtigen, dass Tag für Tag Frauen und Kinder in den entlegenen Gebieten sterben, ohne dass diese Fälle je publik gemacht werden", weiß Helen Watungwa, Hebamme an einer privaten Klinik in Gweru, der Hauptstadt der Provinz Midlands 222 Kilometer von Harare entfernt. "Doch trotz der schlechten Bezahlung geben wir unser Bestes, um das Leben von Mutter und Kind zu retten."

"Es grenzt im Grunde an ein Wunder, dass wir unsere Schwangerschaften überlebt haben", meint Mavis Handa, eine der drei Frauen von Mangwendere. "Manchmal setzen die Wehen unterwegs ein, und wir bluten sehr stark. Doch weit und breit gibt es niemanden, der uns helfen könnte. Wir sind allein mit unserem Mann, der alles versucht, uns rechtzeitig ins Gesundheitszentrum zu bringen." (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/dying-in-childbirth-still-a-national-trend-in-zimbabwe/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. Februar 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang