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AUSLAND/2235: Kenia - Unsichere Schwangerschaftsabbrüche bleiben ein Problem (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Mai 2015

Kenia: Unsichere Schwangerschaftsabbrüche bleiben Problem

von Robert Kibet


NAIROBI (IPS) - Kenias Verfassung garantiert den Frauen des Landes das Recht auf sichere Schwangerschaftsabbrüche. Dennoch kommt es nach offiziellen Angaben zu durchschnittlich 465.000 unsicheren Abtreibungen pro Jahr, die wiederum ein Fünftel der hohen Müttersterblichkeitsrate ausmachen. Experten raten dringend dazu, die Hürden zu beseitigen, die sicheren Eingriffen im Wege stehen.

Schwangerschaftsabbrüche sind nach Artikel 26 (4) der 2010 reformierten Verfassung grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn eine Gesundheitsfachkraft eine Notfallbehandlung für erforderlich hält, das Leben der Schwangeren gefährdet ist oder wenn sie mit anderen staatlich fixierten Richtlinien kompatibel sind.

Das Gesundheitsministerium hatte im gleichen Jahr die Regelung eingeführt, dass Abtreibungen auch in Fällen rechtens sind, in denen die Schwangerschaft auf eine Vergewaltigung zurückzuführen ist. In solchen Fällen ist lediglich ein psychiatrisches Gutachten erforderlich.

Zwei Jahre später gab das Ministerium ebenso mit dem Ziel, unsichere Abtreibungen zu verhindern, ein Set aus neuen Standards und Richtlinien heraus. Doch drei Monate später wurden die Neuerungen aus unbekannten Gründen wieder zurückgezogen.

Wie Teresa Omondi, Vize-Geschäftsführerin und Programmleiterin des kenianischen Juristinnenverbands (FIDA), erklärte, sind die Bemühungen um eine rechtsverbindliche Zusatzregelung nur zum Teil vorhanden. Auch sei eine Umsetzung zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht möglich, weil es an medizinischen Fachkräften fehle, die in der Lage sind, den Eingriff sicher durchzuführen. Somit können sichere Abreibungen nicht verfassungsgemäß gewährleistet werden.

Dies bestätigt auch eine Untersuchung von Saoyo Tabitha Griffith, der FIDA-Beauftragten für reproduktive Gesundheitsrechte. Danach kann die Verfassungsreform von 2010 allein das Problem der unsicheren Abtreibungen nicht lösen.


Kontraproduktive Entscheidungen

Nach Ansicht Omondis blockiert das Gesundheitsministerium die Fortbildung von Ärzten und Gesundheitspersonal. "Es ist absurd, dass das Ministerium einerseits die medizinische Versorgung nach solchen Eingriffen zu einem Thema der öffentlichen Gesundheit erklärt, doch gleichzeitig den medizinischen Kräften die Hände gebunden sind", sagte sie.

In einer im vergangenen Februar erlassenen Direktive hat das Ministerium allen Gesundheitskräften - ob sie nun für öffentliche, private und religiöse Institutionen arbeiten - verboten, an Fortbildungskursen für sichere Schwangerschaftsabbrüche teilzunehmen und Abtreibungen aus medizinischen Gründen vorzunehmen.

Das Problem mit den unsicheren Schwangerschaftsabbrüchen ist im September letzten Jahres ins nationale Rampenlicht gerückt, als der 41-jährige Pfleger Jackson Namunya Tali vom High Court in Nairobi wegen Mordes zum Tode verurteilt wurde. Er hatte einen Schwangerschaftsabbruch durchgeführt, der Christine Atieno das Leben kostete.

In den letzten Jahren haben sich kenianische Gesundheitsminister afrikaweit zu Konferenzen getroffen, um die Option, die Müttersterblichkeitsrate in ihren Ländern durch sichere und professionelle Abtreibungsangebote zu verringern, zu diskutieren. Einig war man sich darin, dass die Müttersterblichkeit in den Ländern, in denen solche Leistungen angeboten werden, niedriger ist.

Unprofessionell durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche bergen die erhöhte Gefahr, dass schwangere Frauen an Komplikationen wie einer Uterusperforation (das Durchstoßen der Gebärmutterwandung), an Herz- und Nierenversagen und schweren Blutungen sterben.

"Es ist nicht so, dass Probleme nur dann auftreten, wenn die Frucht und Gebärmutterschleimhaut im Zuge eines Eingriffs nicht vollständig abgesaugt werden. Eine Uterusperformation muss behandelt werden", sagt Ong'ech John, ein Gesundheitsspezialisiert aus Nairobi.


In den letzten Jahren viel erreicht

Dass in den letzten Jahren Bewegung in die Abtreibungsdebatte gekommen ist, wird zum Teil auf einen Fall zurückgeführt, der dem renommierten Mediziner John Nyamu 2004 eine einjährige Haftstrafe einbrachte. Der Arzt war mit der Entdeckung von 15 Föten und Unterlagen aus einem Krankenhaus an einem Straßenrand in Verbindung gebracht worden. Nyamu hatte an der Klinik, die mittlerweile geschlossen wurde, gearbeitet.

Damals sei es häufig zu Razzien in den Krankenhäusern gekommen. Frauen, die abgetrieben hätten, seien wie ihre Ärzte und deren Mitarbeiter verfolgt worden. Doch wie Nyamu später im Gespräch mit der Nichtregierungsorganisation Ipas erklärte, die sich für das Recht auf sexuelle Rechte und sichere Abtreibungen einsetzt, habe sich das erlittene Martyrium gelohnt. So habe seine Verhaftung dazu beigetragen, dass den Menschen die Tragweite und die Folgen unsicherer Abtreibungen in Kenia bewusst geworden seien und der Staat gehandelt habe.

Damals seinen Abtreibungen ausschließlich in Fällen erlaubt gewesen, in denen das Leben der werdenden Mütter in Gefahr gewesen sei. Niemand habe das Thema aus Angst vor der Kriminalisierung öffentlich angeschnitten. Das sei anders geworden. Er warnte, dass Kenia ohne sichere Aborte das Millenniumsentwicklungsziel, die Müttersterblichkeitsrate um 75 Prozent gegenüber 1990 zu senken, bis Ende 2015 verfehlen werde.

Wie aus einer Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Mai 2014 hervorgeht, sterben jeden Tag durchschnittlich 800 Frauen weltweit an den Folgen vermeidbarer Komplikationen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt. 99 Prozent dieser Todesfälle ereignen sich in den Entwicklungsländern. (Ende/IPS/kb/05.05.2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/05/unsafe-abortions-continue-to-plague-kenya/

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IPS-Tagesdienst vom 5. Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2015

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