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AUSLAND/2351: Großbritannien - Inhumane Experimente mit dem Genom menschlicher Embryonen (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 117 - 1. Quartal 2016
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

Inhumane Experimente

Von Stefan Rehder


Wissenschaftler aus Großbritannien wollen das Genom menschlicher Embryonen gezielt verändern. Die Embryonen wurden für künstliche Befruchtungen im Labor erzeugt und von den Paaren der Forschung zur Verfügung gestellt. Nach Abschluss der Experimente müssen sämtliche genetisch modifizierten Embryonen vernichtet werden. So will es die britische Aufsichtsbehörde.


Anfang Februar hat die britische Aufsichtsbehörde »Human Fertilisation and Embryology Authority« (HFEA) einen Antrag des Londoner Francis Crick-Instituts genehmigt, der Eingriffe in die menschlichen Embryonen erproben will. Wie das Institut auf seiner Internetseite mitteilte, wollen die Forscher um Kathy Niakan die Gene ermitteln, »die menschliche Embryonen benötigen, um sich gesund zu entwickeln«. Der Leiter des Francis Crick-Instituts Paul Nurse kommentierte die Entscheidung der HFEA auf der institutseigenen Webseite mit den Worten: »Ich freue mich, dass die HFEA den Antrag von Dr. Niakan genehmigt hat. Ihre Forschung ist wichtig, um zu verstehen, wie sich ein gesunder menschlicher Embryo entwickelt. Wir werden unser Verständnis für die Erfolgsaussichten von IVF verbessern, indem wir uns auf das Frühstadium der menschlichen Entwicklung fokussieren - die ersten sieben Tage.«

Wie in »LebensForum« bereits berichtet, wollen die Forscher um Niakan dazu einzelne Abschnitte des Genoms der Embryonen herausschneiden und durch andere ersetzen (vgl. LF, Nr. 116, S. 23ff.). Auf diese Weise wollen die Wissenschaftler herausfinden, welche Gene die Zell- und Organentwicklung früher Embryonen regulieren. Die Klärung der Funktionen einzelner Gene sei nicht nur von grundlegender biologischer Bedeutung. Unter Umständen könnten die Ergebnisse der Experimente auch dazu beitragen, die Methoden künstlicher Befruchtungen zu verbessern und Unfruchtbarkeit erfolgreicher zu behandeln, heißt es in dem Antrag, den Niakan im September des vergangenen Jahres bei der HFEA einreichte.

Die von der HFEA genehmigten Experimente sind nicht die ersten ihrer Art. Bereits im April 2015 hatten chinesische Forscher um Junjiu Huang von der SunYat-sen-Universität in Guangzhou erstmals die CRISPR/Cas9-Technologie an menschlichen Embryonen getestet. Anders als Niakan, die die Technologie an gesunden menschlichen Embryonen zum Einsatz bringen will, experimentierten die Chinesen mit nichtüberlebensfähigen Embryonen. Sie versuchten dabei einen genetischen Defekt zu korrigieren, der zu der tödlich verlaufenden vererbbaren Krankheit Beta-Thalassämie führt. Das Ergebnis der Experimente war selbst für die Forscher erschreckend. Nur vier der 86 Embryonen wiesen anschließend ein Gen auf, das in der gewünschten Weise modifiziert worden war. Zahlreiche Embryonen wiesen bei der Überprüfung stattdessen eine Großzahl von Veränderungen ihres Genoms auf, die die Forscher überhaupt nicht beabsichtigt hatten. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Zeitschrift »Protein & Cell«, nachdem zuvor die Zeitschriften »Nature« und »Science« eine Publikation der Ergebnisse aus ethischen Gründen abgelehnt hatten.

Bei der CRISPR/Cas9-Technologie, die auch bei den Experimenten von Niakan zum Einsatz kommen soll, handelt es sich um eine noch sehr junge Technologie, die die Gentechnik revolutionieren könnte. Sie wurde erst 2012 gemeinsam von der US-Amerikanerin Jennifer Doudna von der Universität von Kalifornien in Berkeley und der Französin Emmanuelle Charpentier entwickelt. Charpentier leitet seit Herbst letzten Jahres die Abteilung »Regulation in der Infektionsbiologie« des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin.

CRISPR steht für »Clustered Regulary Interspaced Short Palindromic Repeats«. Das sind kurze, sich wiederholende DNA-Sequenzen, die sich im Erbgut von Bakterien finden. Sie wechseln sich mit ebenfalls kurzen Sequenzen ab, die mit der DNA von Viren übereinstimmen, die Bakterien infizieren. Mit Hilfe dieser Sequenzen »erinnern« sich Bakterien an Viren, von denen sie schon einmal infiziert wurden. Cas9 ist die Bezeichnung für ein Protein, mit dem die Bakterien, die von Viren infiziert werden, den DNA-Doppelstrang zunächst zerschneiden und die wiedererkannte Viren-DNA dann aus der eigenen DNA herausschneiden. Anschließend »reparieren« zelleigene Reparaturmaschinen die Schnittstellen. Dabei kann auch neue DNA eingebaut werden, wenn diese zuvor in den Zellkern verbracht wurde.

Mit der CRISPR/Cas9-Technologie lassen sich im Prinzip einzelne Gene gezielt und punktgenau aus dem Erbgut herausschneiden und durch andere ersetzen. Bis 2012 verwandten Forscher dazu andere Genscheren. Die neueste Generation künstlicher Genscheren, die sich hinter dem Kürzel CRISPR/Cas-9 verbergen, sind um ein Vielfaches potenter als jene Instrumente, mit denen Molekularbiologen bisher ihre Werkzeugkästen bestückten. Statt binnen Monaten und Wochen - wie Zinkfinger-Nukleasen und TALEN - lassen sich CRISPR/Cas9-Genscheren binnen weniger Tage im Labor designen. Zudem können die Forscher mit den neuen Genscheren - anders als mit ihren Vorgängern - mehrere Ziele gleichzeitig auf der im Zellkern verborgenen Erbinformation ansteuern, die DNA aufspleißen, inaktive Gene ein- und aktive Gene ausschalten, ganz entfernen und andere einsetzen. Last but not least lassen sich die CRISPR/Cas9-Genscheren nicht nur preiswerter herstellen als ihre Vorgänger, ihre einfache Handhabung und ihre Fähigkeit, Vorgänge, die früher nacheinander initiiert werden mussten, gleichzeitig in Gang zu setzen, senken auch die Kosten der Labors erheblich.

In der Phantasie der Forscher macht dies die Genscheren zu einem mächtigen Instrument, mit dem sich genetisch bedingte Krankheiten an der Wurzel korrigieren und sogar ausrotten ließen. Doch das ist - zumindest derzeit - noch eine Illusion. Denn zusätzlich zu den Zielen, die sie ansteuern sollen, steuern die Genscheren immer auch solche an, die die Forscher gar nicht ins Visier nehmen wollen. Das sogenannte »off-Targeting«, das bislang allen Genscheren immanent ist, kann bei multiplexen Instrumenten wie CRISPR/Cas-9 noch verheerendere Wirkungen entfalten als bei den bislang verwandten. Versuche mit Schweinen haben gezeigt, dass die Zellen bei einer mehrfach aufgespleißten DNA keinesfalls jeweils nur die richtigen Chromosomenenden wieder zusammenbinden. Sogenannte Translokationen kommen einem Zell-GAU gleich. Hinzu kommt, dass der Ursprung der CRISPR/Cas9-Genscheren in Streptokokken-Bakterien liegt, die bei der Anwendung beim Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit Immunreaktionen auslösen würden. Bei noch ganz jungen menschlichen Embryonen ist damit nicht zu rechnen, da diese noch nicht über ein Immunsystem verfügen.

2015 modifizierten US-amerikanische Forscher die von Doudna und Charpentier entwickelte Methode noch einmal, und zwar so, dass ein neues in Keimzellen eingebrachtes Gen jetzt automatisch das zweite noch »native« Gen aus dem homologen Chromosomensatz entfernt und durch die modifizierte Variante ersetzt. In vielen Labors werden die CRISPR/Cas9-Genscheren inzwischen täglich verwandt. Pflanzen werden mittels der Methode bereits so manipuliert, dass sie resistenter gegen Trockenheit werden. Bei Ziegen wurden mittels dieser Methode die Muskelmasse und das Haarwachstum gesteigert. Bei Schweinen versuchen Forscher Retroviren zu beseitigen, um so auf dem Gebiet der Xenotransplantation weiter voranzukommen.

Wie die Chinesen sollen auch die britischen Forscher nach Anschluss ihrer Experimente sämtliche genetisch manipulierten Embryonen vernichten. Offen ausgesprochen wird das nicht. Die Forscher verstecken diesen Umstand hinter dem Begriff »zu Forschungszwecken verwendet«. So heißt es auf der Webseite des Francis Crick-Instituts: »Getreu den Vorschriften der HFEA werden sämtliche gespendeten Embryonen nur zu Forschungszwecken und nicht für Behandlungsmethoden verwendet. Die Embryonen werden von Patienten zur Verfügung gestellt, die nach vorheriger Aufklärung ihre Zustimmung gegeben haben, überschüssige Embryonen aus ihrer IVF-Behandlung zu spenden.«

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Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 117, 1. Quartal 2016, S. 4 - 5
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
Herausgeber: Aktion Lebensrecht für Alle e.V.
Bundesvorsitzende Dr. med. Claudia Kaminsky (V.i.S.d.P.)
Verlag: Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg
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E-Mail: info@alfa-ev.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2016

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