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AUSLAND/2621: USA - Facebook ermöglicht Ermittlungen wegen Abtreibung (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 33 vom 19. August 2022 - Internationales
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Willige Helfer
Facebook ermöglicht Ermittlungen wegen Abtreibung

von Melina Deymann


Stell dir vor, du bist in der Lage, eine sehr schwere Entscheidung treffen zu müssen. Diskutiert man mit Freunden, oder? Heutzutage gern auch online. So etwas sollte man online heutzutage tunlichst lassen, zumindest in den USA und wenn es sich um Fragen eines Schwangerschaftsabbruchs dreht.

Das Protokoll eines solchen Facebook-Chats wurde nun einer Jugendlichen aus dem US-Bundesstaat Nebraska zum Verhängnis. Dort sind Schwangerschaftsabbrüche nur bis zur 20. Woche legal erlaubt.

Der 17-jährigen Celeste B. wird vorgeworfen, einen toten Fötus beerdigt zu haben, nachdem sie einen Schwangerschaftsabbruch nach der 20. Woche gehabt haben soll. Sie soll sich, gemeinsam mit ihrer Mutter, illegal eine sogenannte "Abtreibungspille" besorgt und mit der Mutter bei Facebook über die Einnahme gechattet haben, so berichtet es das US-Magazin "Motherboard". Facebook, das zum Zuckerberg-Konzern Meta gehört (genauso wie zum Beispiel Instagram und WhatsApp), hat der Polizei für ihre Ermittlungen offenbar Daten der 17-jährigen Nutzerin übergeben - und damit den Befürchtungen recht gegeben, dass Unterlagen der sogenannten sozialen Medien in den USA dazu genutzt werden sollen, Frauen wegen Schwangerschaftsabbrüchen ins Gefängnis zu bringen.

Im Fall von Celeste B. hatte diese bei Befragungen durch die Polizei angegeben, eine Fehlgeburt erlitten zu haben - die Polizei ermittelte trotzdem weiter, zuvor hatte sie nach eigenen Angaben einen "Tipp" erhalten.

Laut den von Facebook herausgegebenen Daten soll Celeste B. ihre Mutter gefragt haben: "Fangen wir heute an?" Ihre Mutter habe ihr zugestimmt und Hinweise gegeben, in welcher Reihenfolge und in welchem Abstand die Medikamente zu nehmen seien. Gegen die Mutter ermittelt die Polizei nun unter anderem wegen "Durchführung beziehungsweise des Versuchs einer Abtreibung". Grundlage für die gesamte Ermittlung sind außer dem "Tipp" die Protokolle von Facebook. Nach deren Herausgabe beschlagnahmte die Polizei in der Hoffnung auf weitere Hinweise 13 Smartphones und Laptops der Familie. Den beiden Frauen droht eine Haftstrafe.

Meta verteidigt sich inzwischen damit, dass die Verfolgung von Schwangerschaftsabbrüchen nicht grundsätzlich unterstützt werde. Zwar seien die Daten herausgegeben worden, aber in den Unterlagen von Gericht und Staatsanwaltschaft sei das Wort Abtreibung nicht erwähnt worden.

Eine Verschlüsselung der Daten, die es auch dem Konzern unmöglich macht, die Protokolle zu lesen, ist bei Facebook standardmäßig deaktiviert und nur "optional verfügbar".

Seit dem Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA, in dem die Präzedenzfälle Roe vs. Wade und Planned Parenthood vs. Casey gekippt worden waren, sind in einigen US-Bundesstaaten wieder rigorose Abtreibungsgesetze in Kraft. Allein in Kansas hat dazu bis jetzt ein Referendum stattgefunden, bei dem restriktivere Reproduktionsgesetze beschlossen werden sollten, weitere Abstimmungen sind im November für Kalifornien und Kentucky geplant. Die Bevölkerung von Kansas machte den Republikanern, die den Gesetzentwurf eingebracht hatten, jetzt einen Strich durch die Rechnung - über 60 Prozent stimmten dafür, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur 22. Schwangerschaftswoche legal bleiben. Damit ist Kansas weiterhin Zuflucht für Frauen aus den umliegenden Bundesstaaten wie Texas, Oklahoma und Missouri, in denen Abtreibungen illegal sind. Doch auch im Internet gebuchte Reisen könnten bald in das Visier der Ermittler geraten, genauso wie andere "Spuren", die Frauen online hinterlassen. Aktivisten warnen zum Beispiel davor, Apps zum Tracken des Zyklus zu verwenden - auch diese Daten können im Zweifel beschlagnahmt und als Beweis für einen Schwangerschaftsabbruch herangezogen werden.


Über die Autorin
Melina Deymann, geboren 1979, studierte Theaterwissenschaft und Anglistik und machte im Anschluss eine Ausbildung als Buchhändlerin. Dem Traumberuf machte der Aufstieg eines Online-Monopolisten ein jähes Ende. Der UZ kam es zugute.
Melina Deymann ist seit 2017 bei der Zeitung der DKP tätig, zuerst als Volontärin, heute als Redakteurin für internationale Politik und als Chefin vom Dienst. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie bei der Arbeit für die "Position", dem Magazin der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 54. Jahrgang
Nr. 33 vom 19. August 2022, Seite 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
Anschrift von Verlag und Redaktion:
Hoffnungstraße 18, 45127 Essen
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 26. August 2022

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