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ARTIKEL/1488: Fernbehandlung - mit Augenmaß und Kontrolle (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 6/2018

Fernbehandlung
Mit Augenmaß + Kontrolle

von Carsten Heppner


Trotz geänderter Berufsordnung zur Fernbehandlung wird es in Deutschland keine Fernbehandlungsindustrie geben. Die Schranken anderer rechtlicher Vorgaben bleiben bestehen.


Selten hat eine Reise so lange gedauert wie der Weg von der zulässigen (brieflichen) Fernbehandlung über das Verbot derselbigen zurück zur Zulässigkeit der (ausschließlichen) Fernbehandlung. Mehr als 100 Jahre hat diese Reise benötigt. Ein Blick auf den Unterschied, der zwischen dem historischen Ausgangspunkt und dem auf dem diesjährigen Deutschen Ärztetag beschlossenen Standpunkt besteht, lohnt sich: War anfänglich nur die öffentliche Ankündigung brieflicher Behandlung wohl wegen der werbenden Wirkung untersagt, so verbot man später zusehends die briefliche Behandlung als solche. Einen vorläufigen Schlusspunkt setzte dann die Berufsordnung für die deutschen Ärzte von 1937 (siehe Info unten). Im Grundsatz galt dieses Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung bis heute in den Berufsordnungen der Länder fort. Die in Schleswig-Holstein und auf dem Deutschen Ärztetag beschlossene Neuregelung des § 7 Absatz 4 (Muster-)Berufsordnung lässt künftig auch eine ausschließliche Fernbehandlung in Verantwortung des handelnden Arztes zu. Ob eine Beratung oder Behandlung ausschließlich aus der Ferne über Kommunikationsmedien möglich ist, entscheidet der Arzt durch eine jeweilige Prüfung des Einzelfalls. Die in Erfurt geführte Diskussion hat Bedenken zur beschlossenen Öffnung erkennen lassen. Veränderungen einer mehr als ein Jahrhundert bestehenden Verbotsnorm verursachen im ersten Moment innere Unruhe, die sich regelhaft beim Verlassen alter Standpunkte und dem Aufbruch zu neuen Ufern immer einstellen können. Der Deutsche Ärztetag und die Schleswig-Holsteinische Ärzteschaft haben diese Bedenken aufgenommen und mit Augenmaß in die Diskussion um die Fernbehandlung einbezogen. Begrüßenswerterweise führte dann aber trotz der Bedenken beispielsweise um Call-Center, die wie Pilze aus dem Boden schießen könnten, die Anerkennung der aktuellen technischen und fachlichen Möglichkeiten sowie der Patientenerwartung eines Arzt-Patienten-Kontaktes mittels moderner Kommunikationstechniken zum zukunftsweisenden Beschluss einer unter Verantwortung des Arztes stehenden Fernbehandlungsmöglichkeit. Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass nun Tür und Tor einer unkontrollierten Fernbehandlungsindustrie geöffnet wird. Es bleiben Schranken anderer rechtlicher Vorgaben unbeschadet bestehen. So wird es bis auf weiteres beispielsweise keine AU-Bescheinigung geben, ohne dass es zu einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gekommen ist. Auch bleibt die Ausübung ambulanter Heilkunde an die jeweiligen landesrechtlich vorausgesetzten Vorgaben gebunden. Für Schleswig-Holstein sind diese u.a. in § 29 Absatz 2 Heilberufekammergesetz geregelt. Danach sind bei Ausübung ärztlicher Tätigkeit Vorgaben zu beachten. So ist die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit etwa an die Niederlassung in Praxen gebunden, soweit nicht gesetzliche Ausnahmen anderes (z.B. die Tätigkeit als angestellter Arzt in einer nach dem SGB V ermächtigten Einrichtung) gestatten. Im übrigen besteht keine Pflicht zur ausschließlichen Fernbehandlung. Dennoch sollte zum Ziele einer verbesserten Patientensteuerung bei der Versorgung von Patienten im ärztlichen Bereitschaftsdienst die nun geschaffene rechtssichere Möglichkeit eines Tele-Erstkontaktes verantwortungsvoll genutzt werden.

1937
Aus diesem Jahr stammte die jetzt geänderte Berufsordnung für deutsche Ärzte zum Thema Fernbehandlungsverbot: "Kranke dürfen nicht nur brieflich oder nur fernmündlich oder auf andere Weise nur aus der Ferne behandelt werden."


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 6/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201806/h18064a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Juni 2018, Seite 37
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2018

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