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ARTIKEL/1336: Studie - Arztfirma statt Einzelpraxis ... die Vorteile größerer Einheiten (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2014

Organisation
Arztfirma statt Einzelpraxis: die Vorteile größerer Einheiten

Von Anne Mey


"Effizienter, flexibler, transparenter" - eine Studie zählt Vorteile größerer ambulanter Einrichtungen auf. Risiken sprechen die Studienautoren nicht an.


Das Problem ist bekannt: In ländlichen Gebieten bleiben immer häufiger Praxen leer. Viele Mediziner in Schleswig-Holstein entscheiden sich für eine Angestelltentätigkeit in bestehenden Praxen. Dies zeigte bereits die Ärztestatistik für Schleswig-Holstein 2012. Ist die Einzelarztpraxis also noch zeitgemäß? Die Diskussion um die Zukunft der ambulanten Versorgung will die Initiative der Gesundheitswirtschaft (IGW) nach eigenen Angaben mit einer Studie zu neuen Organisations- und Betriebsformen anreichern. Auf der Grundlage von vier Fallstudien stellt der Verfasser Dr. Robert Paquet die Vorteile größerer Organisationseinheiten für die ärztliche Versorgung vor. Bei steigenden Anforderungen böten diese Formen die Möglichkeit, Angebote und Leistungen effizienter, flexibler und transparenter zu gestalten.

Bisher dient noch immer die niedergelassene Einzelarztpraxis als Leitbild für die ambulante medizinische Versorgung und laut Paquet gibt es noch zahlreiche Vorurteile gegen größere Betriebsformen, die auch über die Gemeinschaftspraxen und MVZs hinausgehen können. Dabei böten diese Modelle für Ärzte und Patienten einige Vorteile gegenüber der Einzelarztpraxis, die der niedergelassene Mediziner als ökonomisch selbstständiger Kleinunternehmer betreibt. So haben größere Einheiten ein höheres Investitionspotenzial, das neueste medizinische Technik zur Diagnose und Behandlung ermöglicht und gleichzeitig betriebswirtschaftlich verkraftbar ist. Die Ärzte werden von administrativen und organisatorischen Aufgaben entlastet, was der Zuwendung zum Patienten und der Konzentration auf die medizinische Tätigkeit zugutekommt. Die Zusammenarbeit von mehreren Ärzten führt laut Paquet auch zu einer "quasi automatischen" Qualitätskontrolle unter den kooperierenden Medizinern. Dies sei zwar eine informelle, aber hochwirksame Strategie zur Qualitätssicherung. Wesentlich dafür sei, dass nicht nur verschiedene Fachrichtungen in MVZs vertreten sind, sondern auch mehrere Kollegen der gleichen Fachrichtung in einer Einrichtung praktizieren, um die gegenseitige Kontrolle zu gewährleisten.

Im Zuge der sich verändernden Strukturen ist auch die ärztliche Fortbildung ein Thema. Während sich Krankenhäuser verstärkt auf operative Fächer konzentrieren, muss die ambulante Krankenversorgung mehr leisten. Das bedeutet für den allein praktizierenden Arzt eine Belastung in Form erheblicher Opportunitätskosten. In größeren Einheiten kann laut Paquet der Bedarf an Fortbildungen besser geplant und ohne wirtschaftliches Risiko für den Einzelnen umgesetzt werden. Auch gegen Korruption seien größere Betriebsformen aufgrund sozialer Kontrolle und des Zwangs zur expliziten Regelung der Zusammenarbeit wirksam.

Wie die Zukunft aussehen könnte, zeigt Paquet mit der Fallstudie des Endokrinologikums Hamburg, das laut Dr. Bernard Frieling, dem Geschäftsführenden Gesellschafter, die einzige echte deutsche Arztfirma ist. Praktisch bedeutet das: 15 MVZs, ein eigenes Labor für die eigenen 180 Ärzte und Dritte sowie eine Forschungsgesellschaft. 800 Mitarbeiter sind neben den Fachärzten in den Labors und MVZs beschäftigt. Personalverwaltung, Einkauf, Facility-Management - sämtliche Verwaltungsaufgaben sind zentral organisiert. In den einzelnen MVZs vor Ort konzentriert man sich allein auf die Patientenversorgung.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung solcher neuen Organisations- und Betriebsformen, insbesondere MVZs, seien formal gar nicht so schlecht. Dennoch gebe es beträchtliche Restriktionen. Das Verbot der Organisation von MVZs durch Kapitalgesellschaften durch das Versorgungssicherungsgesetz sei dabei nur eines von mehreren Hindernissen.

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2014 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2014/201404/h14044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt April 2014
67. Jahrgang, Seite 55
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz-Joseph Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2014

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