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INTERNATIONAL/009: 'Gesundheitsversorgung kennt keine Grenzen', Han Demin von den 'Fliegenden Ärzten' (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. November 2012

Gesundheit: 'Gesundheitsversorgung kennt keine Grenzen' - Interview mit Han Demin von den 'Fliegenden Ärzten'

von Malgorzata Stawecka



New York, 2. November (IPS) - "Für medizinische Versorgung gelten keine nationalen Grenzen, ebenso wenig für wohltätige Zwecke." Getreu diesem Motto sorgt der chinesische Arzt Han Demin mit seinen 'fliegenden Ärzten' in Afrika und Asien dafür, dass mittellose Menschen, die an Grauem Star leiden, wieder sehen können. "Der älteste Patient, den wir operiert haben, war 96 Jahre alt, der jüngste erst fünf Monate", berichtet der Mediziner, der dieses Jahr für seine besonderen Leistungen einen der begehrten 'South-South Awards' erhalten hat.

Die Augenkrankheit bedeutet für Millionen Menschen in Entwicklungsländern, dass sie dauerhaft schlecht sehen oder sogar blind werden. Grauer Star lässt sich kurieren, doch die Kosten für eine Behandlung sind für die meisten Menschen in Entwicklungsländern unerschwinglich. Mit seinem 2003 gestarteten 'Brightness Action Programme' konnten 50.000 Menschen kuriert werden, davon etwa 14.000 in Afrika. Nach Angaben der WHO leiden weltweit etwa 20 Millionen Menschen an Grauem Star. Fünf Millionen von ihnen leben in China.

Han leitet in Peking das Tongren-Hospital und das Institut für Halsnasenohrenheilkunde. Er ist zudem Direktor eines Kooperationszentrums für Taube bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Es folgen Auszüge aus einem Interview, das IPS mit dem Mediziner führte.

IPS: Was hat Sie dazu gebracht, das Brightness Action Programme zu begründen?

Han Demin: 1999 stellte die WHO 'Vision 2020: the Right to Sight' vor und erklärte die Beseitigung des Grauen Stars zur prioritären Strategie, um Menschen in Entwicklungsländern vor dem Erblinden zu bewahren. 2003 begann in China die nationale Steuerungsgruppe zur Verhinderung von Blindheit mit dem Brightness Action Programme. Die Initiative zielt darauf ab, die fortschrittlichsten medizinischen Technologien und die besten Dienstleistungen in die Gebiete mit den bedürftigsten Menschen zu bringen.

Das Programm richtet sich vorwiegend an Patienten mit Grauem Star in Gebieten mit einem hohen Anteil ethnischer Minderheiten sowie in entlegenen und armen Regionen. Seit 2007 ist es über China hinaus unter anderem nach Nordkorea, in die Mongolei sowie nach Kambodscha, Vietnam, Bangladesch und Pakistan ausgeweitet worden. 2010 kamen nacheinander die afrikanischen Länder Malawi, Simbabwe, Sambia und Mosambik hinzu. Arme Patienten wurden dort kostenlos untersucht und an Grauem Star operiert.

IPS: Wie haben Sie Sponsoren im öffentlichen und privaten Sektor gefunden?

Han: Das Brightness Action Programme hat große Aufmerksamkeit erfahren und wird von der 'Hainan Airlines Group', der 'Macao Mingde Foundation', dem Zentralkomitee der chinesischen Vereinigung zur Demokratieförderung, der 'China Anhui Foreign Economic Construction Company', der 'CITIC Group Corporation' sowie anderen Institutionen und sozialen Organisationen unterstützt.

Als standardisiertes, umfassendes, kostengünstiges, hocheffizientes und nachhaltiges Entwicklungsmodell für Erblindungsprävention hat das Programm zunehmend Geber angezogen. Die individuellen und Gruppensponsoren können ihre Finanzierungsabsichten der nationalen Steuerungsgruppe in China vorschlagen. Ich hoffe, dass in der nahen Zukunft noch mehr internationale Akteure das Brightness Action Programme und andere humanitäre Hilfsprogramme beachten werden.

IPS: Bis jetzt richtet sich das Programm an Länder in Asien und Afrika. Wird es auch auf andere Weltregionen ausgeweitet, in denen es extrem viele Fälle von Grauem Star gibt?

Han: Für medizinische Versorgung existieren keine nationalen Grenzen, ebenso wenig für wohltätige Zwecke. Ich hoffe, alle Patienten mit Grauem Star werden durch den Werbeeffekt der South-South Awards mehr Aufmerksamkeit erhalten. Ich wünsche mir auch, dass wir mehr Menschen mit anderen Seh- und Hörstörungen helfen können, auch in Zentral- und Südamerika.

IPS: Was sind bisher die größten Erfolge des Programms? Und welche Herausforderungen bleiben bestehen?

Han: Seit 2003 haben wir über 300 Experten und medizinische Fachkräfte aus bekannten Krankenhäusern nach China geschickt. Unser Team hat die Sehkraft von mehr als 50.000 Patienten mit Grauem Star wiederhergestellt. Der älteste Patient, den wir operiert haben, war 96 Jahre alt, der jüngste erst fünf Monate. Mehr als zehn Millionen Menschen mit Augenkrankheiten haben wir kostenlos beraten.

Und nicht nur die Sprechstunde und die Behandlung sind umsonst. Wir haben rund 500 Mediziner und Helfer vor Ort fortgebildet, um die nachhaltige Entwicklung der Erblindungsprävention und -behandlung zu fördern. Da die Zahl der an Grauem Star Erkrankten in weniger entwickelten Ländern und Regionen in Asien und Afrika weiter zunimmt, ist es sehr wichtig, die epidemiologische Forschung zu stärken, um die Erkrankung rechtzeitig erkennen und behandeln zu können. Wir haben allerdings nicht genügend Ärzte an der gesellschaftlichen Basis, um die Ausbreitung der Krankheit unter Kontrolle zu halten.

IPS: Sie leiten auch andere wohltätige Initiativen, wie 'Hearing Restoration Action' und 'Cochlear Implementation Charity Action'. Können Sie uns mehr dazu sagen?

Han: Unterschiedlichen Erhebungen zufolge gibt es in China bis zu 20 Millionen Menschen mit Hörproblemen. Um vor allem arme Menschen wieder in die Welt der Töne zurückzuführen, hat unser Team gemeinsam mit vielen bekannten einheimischen und ausländischen Unternehmen und Hilfsorganisationen Programme entworfen, die sich um hörbehinderte Kinder kümmern. Bis jetzt haben 320 Patienten Cochlea-Implantate (Hörprothesen für Gehörlose) erhalten.

Auf unser Werben hin hat die chinesische Regierung 2005 ein Programm zur Wiederherstellung des Hörens, 'Qi Cong Action', eingeführt. Auf diesem Weg werden jährlich kostenlos 3.000 Cochlea-Implantate im Wert von etwa 100 Millionen US-Dollar für arme Kinder bereitgestellt. 2010 verkündete die Regierung eine Strategie, nach der jedes neugeborene taube Kind ein kostenfreies Cochlea-Implantat erhält. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.presseportal.de/pm/103031/2336813/-brightness-action-program-der-hna-group-im-rahmen-der-south-south-awards-2012-ausgezeichnet
http://www.southsouthawards.com/
http://apps.who.int/whocc/List.aspx?cc_subject=Prevention+of+deafness&cc_region=WPRO&
http://www.ipsnews.net/2012/10/qa-there-is-no-national-boundary-for-medical-care/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 2. November 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2012