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INTERNATIONAL/019: Durchfall und Lungenentzündung - UN-Plan will Kindersterblichkeit um ein Drittel senken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. April 2013

Gesundheit: Kampf gegen Durchfall und Lungenentzündung - UN-Plan will Kindersterblichkeit um ein Drittel senken

von Carey L. Biron


Bild: Kristin Palitza/IPS

Acht Monate alter Junge, der in Tansania wegen einer Lungenentzündung behandelt wird
Bild: Kristin Palitza/IPS

Washington, 16. April (IPS) - Die Vereinten Nationen haben einen groß angelegten Plan vorgestellt, der erstmals weltweite Maßnahmen zur Prävention von Todesfällen bei Kindern infolge von Lungenentzündung und Durchfall koordinieren soll. Bis 2025 sollen die Ursachen für die Krankheiten beseitigt sein, die für etwa 30 Prozent der Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren verantwortlich sind.

Aus kürzlich veröffentlichten Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO und des UN-Kinderhilfswerks UNICEF geht hervor, dass jedes Jahr rund zwei Millionen Kinder an den beiden Krankheiten sterben. Die UN führt die Situation darauf zurück, dass Gegenmaßnahmen bisher Stückwerk geblieben sind und die am stärksten Gefährdeten nicht erreicht haben.

"Kinder, die arm sind, Hunger leiden und in entlegenen Regionen wohnen, sind mit höchster Wahrscheinlichkeit von diesen 'vergessenen Killern' betroffen", heißt es in einem am 12. April veröffentlichten gemeinsamen Bericht von WHO und UNICEF. "Die Bürde, die aufgrund von Lungenentzündungen und Durchfallerkrankungen auf Familien und Gesundheitssystemen lastet, verschärft die bereits bestehenden Ungleichheiten."

Mit Unterstützung von mehr als 100 weltweit tätigen zivilgesellschaftlichen Organisationen haben die beiden UN-Organisationen mit dem 'Integrated Global Action Plan for the Prevention of Pneumonia und Diarrhoea' (GAPPD) einen neuen 'Fahrplan' für die nationale und internationale Kooperation in diesem Bereich vorgestellt. Das medizinische Fachmagazin 'The Lancet' berichtet darüber ausführlich in einer ebenfalls am 12. April veröffentlichten Sonderausgabe.

"Mit dem GAPPD haben wir ein Instrument, um diese vermeidbaren Krankheiten ein für allemal zu bekämpfen", erklärt Julio Frenk, der Dekan der 'Harvard School of Public Health'. "Wenn wir das richtig angehen, könnten die Welleneffekte für Gleichheit, Bildung und Armutsreduzierung enorm sein."


Kern der UN-Millenniumsziele

Die neue Initiative dringt bis zum Kern der von den Vereinten Nationen entworfenen Millenniumsentwicklungsziele (MDG) durch. Das vierte Millenniumsziel sieht vor, dass die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren bis 2015 um zwei Drittel im Verhältnis zu dem Stand von 1990 gesenkt wird. In mehreren Regionen wie Subsahara-Afrika und Südafrika wurden bisher aber nur unzureichende Fortschritte festgestellt.

Der Aktionsplan zeigt zwar nicht unbedingt neue Techniken oder Mechanismen zur Akquise finanzieller Mittel auf. Er bietet jedoch einen innovativen Ansatz, um bereits weitverbreitete Interventionen multilateraler, nationaler und lokaler Akteure aufzunehmen. Bisher seien diese Aktionen nicht immer ausreichend im Zusammenhang hervorgehoben worden, um eine maximale Wirkung zu erzielen, kritisiert der Report. Die einzelnen Präventivstrategien und deren Vermittlung über Gesundheitseinrichtungen, Familien oder Schulen seien sich untereinander ähnlich.

Im Gesundheitsbereich ist längst bekannt, dass etwa das Stillen von Kindern das Auftreten von Durchfallerkrankungen erheblich reduzieren kann. Neuen Erkenntnissen zufolge werden aber nur 39 Prozent der Babys unter sechs Monaten ausschließlich mit Muttermilch ernährt. Zudem erhalten nur knapp ein Drittel der Kinder, bei denen eine Lungenentzündung vermutet wird, Antibiotika. Kaum mehr Kinder mit Diarrhö nehmen preisgünstige Präparate zum Ausgleich des krankheitsbedingten Flüssigkeitsverlustes ein.

"Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, die Armen und besonders Anfälligen zu erreichen. Diejenigen, die die höchsten Risiken tragen, leben oft in den am schwersten zugänglichen Gebieten", erklärt George Armah, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität von Ghana. Dabei könnten eine breitere Impfabdeckung und eine verbesserte Gesundheitspflege ohne größere Zusatzkosten erreicht werden.

Da der neue Aktionsplan aber darauf abzielt, bis 2025 eine Impfabdeckung von 90 Prozent zu erreichen, warnen Beobachter davor, dass hohe Immunisierungskosten diesen wichtigen Bestandteil von GAPPD auf lange Sicht unrealisierbar machen könnten. "Selbst bei reduzierten Preisen würden die Impfstoffe gegen den Durchfall-Rotavirus und gegen Lungenentzündung zusammen 75 Prozent der rasant ansteigenden Kosten für eine vollständige Impfung von Kindern ausmachen", kritisiert Jennifer Cohen von der Organisation Ärzte ohne Grenzen.


Impfkosten in schwindelerregende Höhen gestiegen

"Der Preis für eine Basisimpfung ist in den vergangenen zehn Jahren um astronomische 2.700 Prozent gestiegen", berichtet die Medizinerin. "Wir befürchten, dass Ländern, mit denen wir zusammenarbeiten, der Boden unter den Füßen weggezogen wird, wenn Geber ihre Unterstützung für Impfungen auslaufen lassen und die Staaten die Kosten selbst schultern müssen."

WHO und UNICEF betonen, dass das GAPPD-Rahmenwerk besonderes Augenmerk auf die Gesundheitsarbeiter in kleinen und sehr abgelegenen Gemeinden richtet. Wie Armah von der Universität von Ghana anmerkt, wird ein großer Teil der im Rahmen des Aktionsplans notwendigen Arbeit von lokalen Gesundheitsposten abhängen. "Hier in Ghana sind medizinische Programme inzwischen nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben ausgerichtet", sagt er. "Es ist wichtig zu erkennen, dass innerhalb der Gemeinschaften am besten erkannt werden kann, welche Menschen geimpft werden müssen."

Die beiden UN-Organisationen haben sich äußerst ehrgeizige Ziele gesetzt, indem sie bis 2025 die Kindersterblichkeit durch Lungenentzündung auf weniger als drei pro 1.000 Lebendgeburten und die Todesrate aufgrund von Diarrhö auf eins pro 1.000 Lebendgeburten senken wollen. Zudem ist vorgesehen, bis 2030 allen Haushalten und Gesundheitseinrichtungen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu sichern. Bis 2040 sollen alle Haushalte über "angemessene" sanitäre Anlagen verfügen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.defeatdd.org/sites/default/files/node-images/gappd-full-report.pdf
http://www.un.org/Depts/german/millennium/fs_millennium.html
http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/
http://www.ipsnews.net/2013/04/global-health-plan-aims-to-end-a-third-of-childhood-deaths/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2013