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KASSEN/1038: Bundessozialgericht ignoriert die Dimension des e-Card Projektes - ein Kommentar (Silke Lüder)


Aktion "Stoppt-die-e-Card" - 23. November 2014

KOMMENTAR

Bundessozialgericht ignoriert die Dimension des e-Card Projektes



Das BSG bleibt mit seiner Beurteilung (B1 KR 50/13) am 18.11.2014 völlig an der Oberfläche und ignoriert die Risiken und Nebenwirkungen des geplanten Aufbaus der weltweit größten Infrastruktur (so die Werbeargumente zu Beginn 2006), mit der mehr als 2 Millionen Teilnehmer am Gesundheitswesen auf die Krankheitsdaten fast der gesamten deutschen Bevölkerung zugreifen sollen.

Auch der 1. Senat des Bundessozialgerichtes findet es nötig, dass sich jeder gesetzlich Versicherte die neue elektronische Gesundheitskarte mit Prozessorchip und Foto aushändigen lassen muss, um weiter problemlos Leistungen beim Arzt zu bekommen. Kein Wort dazu, dass in dem Ausgabeprozess der Krankenkassen durch Einsenden ungeprüfter Fotos der Versicherten oder ein einfaches Upload-Verfahren im Internet jeder ein Foto einsenden kann, welches ihm gerade gefällt, und damit alle Kriterien für die Herstellung einer sicheren digitalen Identität für das geplante Versenden und Speichern von Sozial- und Medizindaten auf das Gröblichste verletzt werden. Wie viele Experten inzwischen festgestellt haben, wird hier gerade eben nicht der "Missbrauch im Gesundheitswesen" verhindert.

Das Sozialgericht stimmt zu, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Versicherten durch den Zwang zur e-Card eingeschränkt werde, meint aber, dass dieses berechtigt sei, weil ja das Recht der Krankenkassen auf Einsparungen auf ihrer Seite durch Verringerung des Missbrauchs höher zu bewerten sei. Eine sehr seltsame Rechtsauffassung durch die höchsten Sozialrichter bei einem Recht, welches das Bundesverfassungsgericht in den Rang eines Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung erhoben hatte.

Zumal die nackten Zahlen bisher dieser Auffassung des BSG völlig widersprechen. Selbst der Spitzenverband der Krankenkassen hat den "Missbrauch im Gesundheitswesen" durch Patienten auf einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr beziffert, das sind maximal 99 Millionen Euro. Nur auf Seiten der gesetzlichen Kassen hat das Projekt Ende 2014 schon die Milliardengrenze geknackt, ohne dass irgendein Vorteil für das Gesundheitswesen zu erkennen ist. Viele Kosten auf anderen Seiten sind dabei unberücksichtigt.

Die Bundessozialrichter urteilten also, wie oft nur sehr eingeschränkt, ausschließlich aus der Sicht der Krankenkassen und ihrer Sparpolitik, und ohne jegliche Berücksichtigung kritischer Expertisen zu diesem Thema. Sie beurteilten nur die kleine Karte und nicht die Zielsetzungen, die damit verbunden sind. Kritische Versicherte sind weiter auf dem Weg zum Bundeverfassungsgericht.

Die politische und juristische Auseinandersetzung mit diesem unsinnigen, teuren und gefährlichen Mammut-Projekt wird weitergehen. Niemand sollte sich von diesem Urteil entmutigen lassen.


Dr. Silke Lüder, Sprecherin der Aktion "Stoppt-die-e-Card"

Hamburg, 23.11.2014

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Quelle:
Bündnis "Stoppt die e-Card!"
Freie Ärzteschaft e.V.
Presse: Dr. Silke Lüder
Fachärztin für Allgemeinmedizin
Grachtenplatz 7, 21035 Hamburg
E-Mail: mail@silkelueder.de
Internet: www.stoppt-die-e-card.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. November 2014