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POLITIK/2093: Wie viele Geburtskliniken braucht Schleswig-Holstein? (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 3, März 2022

Wie viele Geburtskliniken braucht das Land?

von Dirk Schnack


GEBURTSHILFE. 18 geburtshilfliche Abteilungen sind landesweit in Schleswig-Holstein noch in Betrieb. Der Hebammenverband befürchtet nach der Schließung von Ratzeburg und Eckernförde eine schlechtere Versorgung. Andere Akteure sehen die Situation weit weniger dramatisch, sondern setzen auf die hohe Versorgungsqualität in den größeren Zentren.


Der Hebammenverband nahm die Schließung des Kreißsaals am Ratzeburger Krankenhaus zum Anlass für einen offenen Brief an Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und an die Fraktionschefs im Kieler Landtag. Darin forderte die erste Vorsitzende Anke Bertram einen Paradigmenwechsel in der Geburtshilfe.

Nach ihrer Wahrnehmung werden Kreißsäle gegen den Widerstand der Bevölkerung geschlossen. Als Folgen nannte sie "weitere Wege, längere Fahrtzeiten, eine Gefährdung in Notfallsituationen, eine schlechtere Versorgung."

Sie forderte deshalb u. a. die Förderung der physiologischen Geburt, eine Eins-zu-eins-Betreuung, die individuell, wohnortnah und bedarfsgerecht erfolgen soll sowie eine geänderte Vergütung: Die Fallkostenpauschalen setzen aus ihrer Sicht Fehlanreize. Bertram deutet in ihrem Brief an, dass viele Frauen die Entwicklung in der Geburtshilfe in ihre Entscheidung für die Landtagswahl am achten Mai einbeziehen könnten.

Das Landesgesundheitsministerium verwies darauf, dass die Schließungen Entscheidungen der Träger seien. Die Gründe für die Schließungen seien "fachlich nachvollziehbar" und die Anforderungen des Bundes für geburtshilfliche Abteilungen stetig gestiegen. Dies führe dazu, dass insbesondere Geburtskliniken der Level-IV-Versorgung "vermehrt Schwierigkeiten haben, ihren Betrieb fortzuführen." Im Rahmen der Krankenhausplanung soll das Thema mit allen Verbänden weiter bewegt werden. Das Ministerium versicherte zudem: "Nach den Schließungen der Geburtshilfen in Eckernförde und Ratzeburg ist die Versorgung von Schwangeren dieser Regionen weiterhin sichergestellt." Umliegende Kliniken verfügten über ausreichende Kapazitäten.

Im Landtag wurde das Thema noch im Februar diskutiert. Landesgesundheitsminister Dr. rer. pol. Heiner Garg (FDP) sagte: "Die Geburtenzahlen in den Geburtskliniken des Levels vier sinken zum Teil so stark, dass Geburten nicht mehr täglich durchgeführt werden. Eine geringe Geburtenzahl erschwert zum Beispiel die Suche nach geeignetem Fachpersonal, was wiederum Auswirkungen auf die Qualität hat." Aus seiner Sicht müßten Qualitätsvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) so umgesetzt werden können, dass die Versorgung in Flächenländern noch möglich bleibt. Garg will sich auch für transparente Betreuungsschlüssel durch Hebammen, regelmäßige Fortbildungen des medizinischen Personals, eine Verstetigung des neonatologischen Simulationstrainings und weitere Boarding-Angebote einsetzen.

Auch die Einschätzung des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF) fiel anders als die der Hebammen aus. Die Landesvorsitzende Doris Scharrel hält die Schließung von Geburtskliniken, die zu geringe Fallzahlen, eine qualitativ nicht ausreichende Ausstattung und keine kinderärztliche Versorgung aufweisen, unter Hinweis auf die von der Landesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen für richtig. "In solchen Abteilungen fehlt die Routine und sie haben hohe Vorhaltekosten", gab Scharrel zu bedenken. Das flächendeckende Vorhalten kleiner Strukturen, die zum Teil ausschließlich mit Belegärzten arbeiten müssen, sei nicht zielführend. Oberstes Ziel müsse lauten: "Schaden von Mutter und Kind unter der Geburt im Hinblick auf das weitere Leben abwenden." Um das zu erreichen, hält Scharrel eine gewisse Konzentration nicht nur für vertretbar, sondern für erforderlich.

Nach Angaben der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein (KGSH) gibt es Geburtshilfekliniken in Kiel (UKSH und Städtisches Krankenhaus), Lübeck (UKSH und Marienkrankenhaus), Flensburg, Husum, Schleswig, Rendsburg, Heide, Preetz, Neumünster, Itzehoe, Pinneberg, Henstedt-Ulzburg, Segeberg, Eutin, Geesthacht und Reinbek. Sieben Abteilungen sind geschlossen worden. Die daraus resultierenden weißen Flecken auf der Landkarte hält KGSH-Geschäftsführer Patrick Reimund nicht für unzumutbar. Er gab zu bedenken: "Es führt in Einzelfällen zu Verschlechterungen der Erreichbarkeit. Wenn das allerdings zu qualitativen Verbesserungen der Versorgung führt, würde ich eine ergebnisoffene Diskussion für sinnvoll halten."

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 3, März 2022
75. Jahrgang, Seite 15
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 9. April 2022

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