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ARTIKEL/1051: Gefahr für das deutsche Gesundheitssystem? (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2009

Gefahr für das deutsche Gesundheitssystem?

Von Dirk Schnack


Die Auseinandersetzungen über die Vergütung ärztlicher Leistungen bergen nach Ansicht von Prof. Günther Jansen große Risiken. Der Vorsitzende des Patientenombudsvereins Schleswig-Holstein warnt in diesem Zusammenhang vor einer Zerstörung des bestehenden Krankenversicherungssystems und fordert Politiker und Interessengruppen auf, das System nicht im Streit um Eigeninteressen zu opfern.

Staatsmedizin mit Unterfinanzierung, daraus folgende Leistungsbeschränkungen und eine noch weiter überbordende Bürokratie: Diese Folgen befürchtet Jansen, wenn das bestehende System weiter beschädigt wird. Als Beispiel nennt er den zum Jahresbeginn eingeführten Gesundheitsfonds, über den alle Beitragseinnahmen der gesetzlichen Krankenkassen eingesammelt und, ergänzt durch staatliche Zuschüsse, verteilt werden. "Der Gesundheitsfonds zeigt schon heute, dass staatlicher Zentralismus nicht nur viel zusätzliches Geld kostet, sondern gleichzeitig die Flexibilität einer auf demokratischen Prinzipien basierenden Selbstverwaltung der Krankenkassen - getragen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Mitgliedern aushebelt", sagte Jansen.

Er befürchtet, dass der staatliche Gesundheitsfonds bei anhaltender Entwicklung in diese Richtung für die gesamte Finanzierung zuständig sein wird - und damit auch für die Abrechnung mit Ärzten und Krankenhäusern. Die Krankenkassen würden dann zu Verwaltungsstellen des staatlichen Gesundheitssystems degradiert. Um dieses Szenario zu vermeiden, forderte Jansen Kassen und Ärzte auf, Lösungen im Honorarstreit zu finden. "Dabei muss insbesondere die kontinuierliche Behandlung von Patienten gewährleistet werden", sagte Jansen. Ziel müsse es sein, Ärzte im Rahmen der bereitgestellten Gesamtvergütung möglichst leistungsgerecht zu vergüten. "Die Ärzte müssen aber auch begreifen, dass nicht jedes Wunschhonorar finanziert werden kann. Auch in anderen Berufen ist nicht jeder Umsatz und jeder gewünschte Betriebsgewinn erreichbar. Und dennoch liefern die Berufe ihre volle Arbeitszeit ab und akzeptieren schwankende Einkommen", gab Jansen zu bedenken.

Er erinnert in seiner Erklärung daran, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen die umstrittene Honorarvereinbarung ausgehandelt hatten. Im Vergleich zur Gesamtvergütung in 2007 ist dabei ein Plus von fast drei Milliarden Euro vorgesehen. Nur: "Offensichtlich hat niemand die Ärzteschaft informiert, dass Honorarzuwächse im Zwischenjahr 2008 auf den zusätzlichen Honorarrahmen anzurechnen waren", so Jansen. Er stellt weiter fest: "Wenn es darüber hinaus in der teilweise komplizierten Verteilung dieser Mittel zwischen den Bundesländern, den Arztgruppen und den gebildeten Europreisen für Behandlungen zu ungewollten Verwerfungen gekommen ist, sind diese durch Gesetzgeber, Ärzteorganisationen und Krankenkassen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beseitigen oder abzumildern." Jansen räumt den Ärzten ausdrücklich das Recht ein, ihre Forderungen geltend zu machen und auf neue Vereinbarungen zu drängen. Er bittet zugleich aber, alle erforderlichen Behandlungen für GKV-Versicherte über die gesamte Dauer eines Quartals durchzuführen und dabei zu bedenken, dass dieses nicht nur gesetzlich und vertraglich vorgesehen ist. Er erinnert auch an ein Eigeninteresse der Ärzte denn in 2009 wird der tatsächliche Behandlungsbedarf der Patienten für das Honorarvolumen in 2010 erfasst.

Jansen: "Es muss im Interesse aller Beteiligten, der Patienten und der Ärzte, aufhören, Behandlungen am Quartalsende auszusetzen, Patienten in unzulässigen Verfahren zu Selbstzahlern zu machen, Stempelgebühren einzuführen oder die Zulassung der Praxis für die Versorgung von GKV-Patienten auf Zeit zurückzugeben. Wo das entgegen aller gesetzlichen und vertraglichen Regeln geschieht, müssen die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen dem entgegentreten, wenn erforderlich auch mit einem Entzug der Praxiszulassung für Kassenpatienten". Der Vorsitzende des Patientenombudsvereins forderte die Krankenkassen und die Kassenärztliche Vereinigung in Schleswig-Holstein auf, die derzeit laufenden Gespräche in dem geringen Spielraum regionaler Kompetenzen - auch mit evtl. vorhandenen zusätzlichen finanziellen Spielräumen zugunsten der Ärzte - dafür zu nutzen, wieder geordnete Abläufe in die Patientenbehandlung zu bringen.

Jansen: "Die Ärzteschaft hat in unserer Gesellschaft nicht nur einen exzellenten Ruf, sondern sie arbeitet auf der Grundlage eines besonderen Berufsethos. Dieses gilt es zu bewahren. Ihre Rechte werden die Ärzte in Zukunft nur dann erfolgreich durchsetzen, wenn sie sich nicht selbst auseinander dividieren."

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2009 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2009/200904/h090404a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt April 2009
62. Jahrgang, Seite 30 - 31
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Karl-Werner Ratschko (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2009

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