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DEMENZ/349: DAK-Pflegereport 2017 - Pflege zu Hause bringt Angehörige an ihre Grenzen (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 4/17
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

DAK-Pflegereport 2017: Pflege zu Hause bringt Angehörige an ihre Grenzen

von Astrid Lärm, DAlzG


Der Pflegereport 2017 der Krankenkasse DAK hat die Situation von Menschen mit Demenz in Deutschland untersucht. Der Bericht mit dem Titel "Gutes Leben mit Demenz: Daten, Erfahrungen und Praxis" wurde am 26. Oktober in Berlin vorgestellt. Immer mehr Menschen sind direkt oder indirekt von einer Demenzerkrankung betroffen. Angehörige fühlen sich durch die Pflege oft an ihre Grenzen gebracht und wünschen sich mehr Entlastung. Bei dieser Forderung werden sie von einer überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Der Report zeigt einen großen Bedarf an finanzieller Unterstützung, Information und gesamtgesellschaftlicher Aufklärung zum Thema.


Hauptgrundlage des Reports ist eine Umfrage unter 1.437 Personen. Von ihnen haben 322 aktuelle oder frühere Erfahrungen in der Pflege und Betreuung eines demenzkranken Angehörigen. Die Stichprobe der Befragten ist repräsentativ für die Gesamtbevölkerung.

Viele Menschen mit Demenz leben auf Wunsch zu Hause

Zwei Drittel aller Menschen mit Demenz werden zu Hause betreut. Das geschieht laut DAK-Pflegereport meist auf Wunsch der Betroffenen selbst. Nur etwa ein Drittel der Angehörigen sieht den Haushalt der demenzkranken Person als den besten Ort für eine Betreuung. In der Gesamtbevölkerung ist dieser Anteil mit 28 Prozent noch geringer. Trotzdem wird der Haushalt anderen Wohnformen vorgezogen.

Auf Platz zwei steht mit 22 Prozent die ambulant betreute Pflegewohngruppe oder Wohngemeinschaft (WG), gefolgt von einem guten Pflegeheim mit 17 Prozent. Der Bericht weist darauf hin, dass es noch zu wenig WGs gibt, um dieser Nachfrage gerecht zu werden. Mit nur rund 3.500 ambulant betreuten Wohngemeinschaften in ganz Deutschland ist dieses Modell unterrepräsentiert.

Alleinige Verantwortung ist sehr belastend

Viele Angehörige, die Menschen mit Demenz zu Hause pflegen und betreuen und gleichzeitig die Hauptbetreuungsperson sind, fühlen sich durch diese Aufgabe sehr stark belastet. Sie seien oft an der Grenze ihrer Kräfte, gaben 59 Prozent von ihnen an. Der DAK-Pflegereport enthält neben der Umfrage eine qualitative Studie. Hier wird die Situation einzelner Angehöriger geschildert und es zeigt sich die besondere Belastung, die eine Demenz mit sich bringt. Die alleinige Verantwortung für einen demenzkranken Menschen zu tragen führt zu körperlicher und psychischer Erschöpfung. Entlastung erleben Angehörige, wenn sie ihre Aufgabe mit anderen teilen können.

Respekt für Betroffene und Pflegende

Laut Aussagen der Angehörigen werden Menschen mit Demenz sowohl zu Hause als auch in Pflegeeinrichtungen mehrheitlich mit Respekt und Würde behandelt. Rund 72 Prozent der befragten Angehörigen machten diese Aussage. Demgegenüber sieht die Gesamtzahl der Befragten große Defizite im gesellschaftlichen Umgang mit Demenzkranken und Pflegenden: Nur 17 Prozent sagten, es gäbe ausreichenden Respekt für Menschen mit Demenz, nur 16 Prozent nehmen genügend Anerkennung für pflegende Angehörige wahr. Eine große Mehrheit aller Befragten (78 Prozent) fordert daher mehr Unterstützung für Betroffene und Pflegende. Konkret fordern sie mehr finanzielle Unterstützung durch die Pflegeversicherung (75 Prozent) und mehr Unterstützung durch professionelle Dienste (64 Prozent). insgesamt 53 Prozent wünschen sich mehr Selbsthilfeangebote, 36 Prozent mehr Informationsangebote.

Ist ein gutes Leben mit Demenz möglich?

Nur 39 Prozent der Gesamtbevölkerung gehen davon aus, dass ein gutes Leben mit Demenz möglich ist. Wer schon einmal an der Pflege und Betreuung eines Menschen mit Demenz beteiligt war, ist eher dieser Meinung (46 Prozent). Im Bericht heißt es dazu: "Ein 'gutes Leben' der Menschen mit Demenz wurde vor allem dann wahrgenommen, wenn es bei der Betreuung und Pflege Erfahrungen emotionaler Verbundenheit gab. Gerade auch die lustigen Momente, das gemeinsame Lachen, wirkten hier offensichtlich sowohl entlastend wie auch verbindend. Von daher wünschen sich fast zwei Drittel der Angehörigen, die ein gutes Leben mit Demenz für möglich halten, einen humorvollen Umgang mit der Demenz" (DAK-Pflegereport 2017, Seite 21).

Besonders gut gelingt die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz laut Bericht dort, wo auf die emotionalen Bedürfnisse der Betroffenen geachtet wird und wo es gelingt, die belastenden Aspekte der Krankheit in den Hintergrund rücken zu lassen. Ein humorvoller Umgang mit der Erkrankung scheint hier besonders hilfreich zu sein.

Informationen sind Schlüssel zu einer positiven Haltung

Wissen über die Erkrankung hilft Angehörigen offenbar dabei, eine positive Haltung einzunehmen. Vor allem jene, die sich ausreichend informiert fühlen, halten ein gutes Leben mit Demenz für möglich.

Das gilt nicht nur für pflegende Angehörige, sondern für die gesamte Bevölkerung. Hier zeigt der Bericht noch großen Nachholbedarf: Nur 20 Prozent der Bevölkerung hat den Eindruck; gut über Demenz informiert zu sein. Rund 35 Prozent der Befragten bezeichneten Demenz als Tabuthema.


Info

Monika Kaus: "Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe"

Die 1. Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Monika Kaus, war bei der Vorstellung des DAK-Pflegereports in Berlin dabei. Sie sagte dazu: "Der DAK-Report zeigt, dass zu viele Angehörige die Pflege und Betreuung als Gefängnis empfinden, aus dem sie nicht ausbrechen können. Daran muss sich etwas ändern. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und kann nicht an Einzelne delegiert werden. Erst wenn die Verantwortung auf mehreren Schultern ruht, ist ein gutes Leben mit Demenz möglich. Dafür wird sich die Deutsche Alzheimer Gesellschaft auch weiterhin einsetzen. Außerdem ist es nach wie vor wichtig, über die Erkrankung zu informieren. Der Report zeigt, dass ein fundiertes Wissen für Angehörige sehr hilfreich ist und dass die gesamte Bevölkerung noch immer zu wenig über Demenz informiert ist."

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 4/17, S. 16 - 17
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2018

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