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HERZ/724: Meldungen von der 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (1) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 23.-24. April 2014

80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Mannheim, 23.-26. April 2014

→ Wie Patienten von der Herzmedizin-Forschung profitieren
→ Deutsche Herz-Medizin: Verbesserte Therapien, längeres Leben, höhere
      Lebensqualität
→ Herzklappeneingriffe: Frauen profitieren vom schonenderen Verfahren
→ Herzrhythmusstörungen am Abend häufiger, auch jahreszeitbedingte
      Schwankungen
→ Überleben nach Herzinfarkt: Deutschland steht im internationalen Vergleich
      sehr gut da
→ Event-Recorder: Bessere Diagnostik bei "unklarem" Schlaganfall mit
      implantierbarem Miniatur-EKG
→ Jetzt auch Mitralklappen-Therapie: Immer mehr Eingriffe schonend mittels
      Herzkatheter möglich
→ Anstieg des Kostendrucks bei herzmedizinischen Leistungen - Immer mehr
      Kliniken in den roten Zahlen



Wie Patienten von der Herzmedizin-Forschung profitieren

Mannheim, Mittwoch, 23. April 2014 - "Für 2014 erwarten wir auf der 80. Jahrestagung der DGK 8.500 Besucher. Geplant sind 36 wissenschaftliche Sitzungen, 64 Symposien und 34 Arbeitsgruppensitzungen, 1.125 Abstracts wurden angenommen", bilanziert Tagungspräsident Prof. Dr. Heyo Kroemer (Universitätsmedizin Göttingen). "Was im Jahr 1928 mit einem Treffen von 183 Delegierten begonnen hat, ist mittlerweile zu einem der größten wissenschaftlichen Kongresse Deutschlands geworden. Ein zentrales Thema war und ist die klinische Umsetzung aktueller Forschungsergebnisse." Prof. Kroemer: "Wir sehen da eine lange kontinuierliche Entwicklung. Manche Fragestellungen wurden in den 1920er Jahren angerissen und heute haben wir die passenden Antworten gefunden. In anderen Bereichen gab es wiederum spontane, unvorhersehbare Entwicklungen. So konnte sich in den 1920er Jahren niemand vorstellen, dass es einmal möglich sein würde, mittels Katheter eine neue Herzklappe einzusetzen. Wesentlich verändert haben sich auch die Patienten auf den Stationen. Wir sehen eine enorme Altersverschiebung. Heute haben wir auf der Kardiologie auch 90jährige, im Jahr 1928 war die Behandlung so alter Patienten noch kaum ein Thema." In den kommenden Jahren wird die Kardiologie in Deutschland ebenso wie in den übrigen Industrienationen vor neuen Herausforderungen stehen. Der zunehmende Altersdurchschnitt der Bevölkerung lässt auch eine Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erwarten. Aufgrund der demographischen Veränderungen wird auch an die Kardiologie verstärkt die Forderung nach Lösungen herangetragen werden. Prof. Kroemer: "Es wird also der Druck auf die Kardiologie steigen, ihre Forschungsergebnisse schnell in klinischen Fortschritt umzusetzen. Dieses Prozess bezeichnet man als Translation." Gegenwärtig werden auf mehreren Gebieten wissenschaftlich-technische Innovationen für den klinischen Alltag tauglich gemacht. So befindet sich eine Weiterentwicklung der Magnetresonanz-Tomographie (MRT) in Entwicklung, die eine so schnelle Bilderfolge liefert, dass damit Details eines einzelnen Herzschlags sichtbar gemacht werden können. Prof. Kroemer: "Eine mögliche Anwendung liegt in der verbesserten Diagnostik von Herz-Rhythmusstörungen."

Ein weiteres vielversprechendes Gebiet der kardiologischen Forschung sei der Einsatz von Stammzellen zur Reparatur eines - etwa in Folge eines Infarkts - geschädigten Herzmuskels. Auch hier rechnet Prof. Kroemer mit dem Einzug der Methode in die klinische Praxis. Das allerdings nicht so schnell wie erhofft, zumal erst kürzlich eine Reihe hochrangiger Publikationen zu diesem Thema wegen zweifelhafter Daten zurückgezogen werden musste. Prof. Kroemer: "Ich bin der festen Überzeugung, dass das kommen wird."

Ein aktuelles Problem für die Kardiologie stelle insbesondere die Vergütung der klinischen Leistungen im deutschen Fallpauschalsystem dar: "Wir werden für die gleichen Behandlungen 2014 weniger Geld als im Vorjahr bekommen. Da bleibt wenig Spielraum. Das ist gerade für die Universitätskliniken, zu deren Aufgabenverbund neben der Krankenversorgung ja auch Forschung und Lehre gehören, sehr problematisch."

Insgesamt gesehen sind die kardiologischen Kliniken und die Forschungseinrichtungen im Herz-Kreislaufbereich sehr gut aufgestellt, um die zukünftigen Herausforderungen zu meistern, sagt Prof. Kroemer.

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Deutsche Herz-Medizin: Verbesserte Therapien, längeres Leben, höhere Lebensqualität

Mannheim, Mittwoch, 23. April 2014 - "Die erweiterten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der Herz-Kreislauf-Medizin bieten verbesserte Behandlungsmöglichkeiten und damit längeres Leben und bessere Lebensqualität für die Patienten. Die Häufigkeit und Sterblichkeit von Herzkranken ist in Deutschland konsequent rückläufig." Das berichtet DGK-Präsident Prof. Dr. Christian W. Hamm (Gießen/Bad Nauheim) auf einer Pressekonferenz anlässlich der 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Im Congress Center Rosengarten Mannheim werden von 23. bis 26. April 8.500 Kardiologen aus 25 Ländern erwartet.

Herzkrankheiten machen heute in Deutschland 8,2 Prozent der im Rahmen der Krankenhausdiagnose-Statistik erfassten Krankenhausaufnahmen aus (2011). Die aktuellen Zahlen des bestätigen die schon beim Vergleich von 1995 und 2010 diagnostizierten Entwicklungen: Eine Abnahme der koronaren Herzkrankheiten - also der durch Arteriosklerose und reduzierte Durchblutung der Herzkranzgefäße bedingten Krankheiten - in allen Altersgruppen. Zunahme bei den Herzklappenerkrankungen jenseits des 75. Lebensjahres, bei den Herzrhythmusstörungen ab dem 45. Lebensjahr in allen Altersgruppen, und bei der Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz) insbesondere jenseits des 75. Lebensjahres.

Die zunehmende Krankheitshäufigkeit bei einer Reihe von kardiologischen Erkrankungen bedeutet allerdings nicht, dass wir immer kränker werden, sondern ist der demografischen Entwicklung geschuldet, so Prof. Hamm: "Unsere Gesellschaft wird insgesamt älter und einige Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems sind typisch für das höhere Lebensalter. Außerdem werden die Diagnosemethoden in der Herzmedizin immer präziser, wodurch Herzkrankheiten immer öfter erkannt und eindeutig diagnostiziert werden können."

Sterbeziffer bei Herzkrankheiten konsequent rückläufig

Nicht nur die Häufigkeit, auch die Sterblichkeit bzw. Mortalität (Sterbeziffer = Verstorbene je 100.000 Einwohner) ist bei Herzkrankheiten im vergangen Jahrzehnt kontinuierlich zurückgegangen. Allein zwischen 2010 und 2011 ist die Sterbeziffer in Deutschland von 267,7 auf 257,4 gesunken. Ein eindrucksvolles Beispiel für diese Entwicklung: Bei akutem Herzinfarkt ist die Sterbeziffer zwischen 2000 und 2010 bei Frauen um 18,4 Prozent und bei Männern um 15,8 Prozent zurückgegangen. Prof. Hamm: "Ein wichtiger Aspekt dieser Entwicklung ist, dass auch alte Menschen von den Entwicklungen der Herz-Medizin immer besser profitieren."

Neue Curricula beschreiben Ausbildung und ermöglichen wichtige Zusatzqualifikationen

Die eindrucksvollen aktuellen Entwicklungen in der Kardiologie stellen aber auch erhebliche Herausforderungen an die Kardiologen und ihre Fachgesellschaft, so Prof. Hamm: "Die DGK trägt dem auf mehrfache Weise Rechnung, indem sie Qualitätsstandards definiert, europäische Leitlinien übersetzt und an deutsche Gegebenheiten adaptiert und intensiv die Entwicklung von Standards zur Aus-, Weiter- und Fortbildung der Kardiologinnen und Kardiologen vorantreibt."

Das Fach Kardiologie ist gegenwärtig durch einen ausgeprägten Trend zur Spezialisierung charakterisiert. Längst kann ein ausschließlich klinisch tätiger Kardiologe nicht mehr alle diagnostischen und therapeutischen Methoden im Schwerpunkt Kardiologie beherrschen. So entwickeln sich Spezialisierungen in den einzelnen Disziplinen der Kardiologie, zum Beispiel zum Rhythmologen, interventionellen Kardiologen, Herzinsuffizienz-Spezialisten oder Experten für Erwachsene mit komplexen angeborenen Herzfehlern. "Diese Entwicklungen begleitet die DGK durch Angebote für strukturierte Zusatzqualifikationen. Diese Curricula der DGK bieten ein einheitliches Programm zur Erlangung von Zusatzqualifikationen, die erstmals einen vergleichbaren Standard in der Rhythmologie, der interventionellen Kardiologie und der Behandlung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern ermöglichen", so Prof. Hamm.

Die Projektgruppe Aus-, Weiter- und Fortbildung und die Kommission für Klinische Kardiologie der DGK haben in Zusammenarbeit mit eigens eingerichteten Task-Forces in den letzten Jahren zu diesen Themen Curricula in den Fachzeitschriften veröffentlicht, die auch auf der Homepage der DGK einsehbar sind. Nach den Kriterien der Curricula können sich Kardiologen von der DGK zertifizieren lassen und damit ihre Qualifikation nachprüfbar dokumentieren.

"Als Grundlage dieser fortschreitenden Spezialisierungen ist der DGK jedoch eine fundierte und umfassende Ausbildung in der allgemeinen Kardiologie äußerst wichtig", so Prof. Hamm. Das "Curriculum Kardiologie" stellt erstmals zusammen, welche Inhalte und praktischen Fertigkeiten angehende Kardiologen in ihrer Weiterbildungszeit erlernen sollten. Prof. Hamm: "Demnach wird die Qualifikation zum Kardiologen schrittweise in 3 Kompetenzlevels erreicht. Dieser Katalog soll auch die Ärztekammern erreichen und in die Weiterbildungsordnungen der Länder einfließen, um die Ausbildung zum Kardiologen von anderen Fachdisziplinen abzugrenzen."

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Herzklappeneingriffe: Frauen profitieren vom schonenderen Verfahren

Mannheim, Mittwoch, 23. April 2014 - Frauen sind bei einem Eingriff zum Ersatz einer nicht mehr funktionsfähigen Herzklappe in der im Durchschnitt älter als männliche Patienten, und sie erhalten eher als Männer eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI). Das ist das Ergebnis einer Auswertung von Daten aus dem "German Aortic Valve Registry" (GARY), die auf der 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) präsentiert wurde. Im Congress Center Rosengarten Mannheim tagen von 23. bis 26. April 8.500 Kardiologen aus 25 Ländern.

Im GARY werden alle Patienten, die wegen einer schweren Aortenklappenstenose einen Klappenersatz eingesetzt bekommen - entweder in Form eines herkömmlichen chirurgischen Eingriffs (AKE) oder mittels einer schonenderen Katheter-Intervention (TAVI).

"TAVI hat sich bei Patienten mit schwerer, symptomatischer Aortenklappenstenose und einem hohen Operationsrisiko als Alternative zum konventionellen chirurgischen Eingriff etabliert, bei früher inoperablen Patienten als Mittel der Wahl", so Studienautor Dr. Timm Bauer (Universitätsklinikum Gießen und Marburg).

Einige weitere Ergebnisse der geschlechtsspezifischen Auswertung der Daten von insgesamt 30.292 Patienten: In der Gruppe der herzchirurgisch behandelten Patienten war die Sterblichkeitsrate bei Frauen mit 3,8 Prozent höher als bei Männern (2,6 Prozent). "In der TAVI-Gruppe hingegen wiesen die Frauen trotz des höheren Lebensalters keine erhöhte Sterblichkeit auf", so Dr. Bauer.

Quelle:
DGK Abstract P1720: T. Bauer et al, Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Transkatheter-Aortenklappenimplantation und chirurgischem Aortenklappenersatz: Ergebnisse aus dem "German Aortic Valve Regiatry".
Clin Res Cardiol 103, Suppl 1, April 2014

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Herzrhythmusstörungen am Abend häufiger, auch jahreszeitbedingte Schwankungen

Mannheim, Mittwoch, 23. April 2014 - Gefährliche Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern und Kammertachykardien kommen zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten gehäuft vor. Das zeigt eine Studie der Universität München, die auf der 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) präsentiert wurde. Ausgewertet wurden in der Untersuchung die telemetrisch erfassten Daten von insgesamt 1.534 implantierten Defibrillatoren. Ohne ein solches Gerät wären diese Rhythmusstörungen in der Regel tödlich.

Gegen 20 Uhr beobachteten die Forscher eine deutliche Häufung von Episoden von Kammerflimmern, die interessanterweise nicht abhängig von körperlichen Aktivitäten der beobachteten Patienten waren. Im Jahresverlauf zeigten sich sowohl für Kammerflimmern als auch für Kammertachykardien Häufungen im Frühjahr und Frühherbst.

"Denkbare Ursachen könnten die circadiane Rhythmik körpereigener Hormone oder die Pharmakokinetik bestimmter antiarrhythmischer Medikamente sein", so Studienautor Dr. Eimo Martens. "Saisonale Veränderungen der Witterung könnten ebenfalls eine Rolle spielen, zum Beispiel durch Infekthäufung." Weitere klinische Analysen sollen ursächliche Faktoren identifizieren, die für diese Schwankungen verantwortlich sind.

Quelle:
DGK Abstract V1208: Martens E. et al, Daytime and season as predictors for cardiac rhythm disturbances - a multicentre analysis. Clin
Res Cardiol 103, Suppl 1, April 2014

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Überleben nach Herzinfarkt: Deutschland steht im internationalen Vergleich sehr gut da

Mannheim, Donnerstag, 24. April 2014 - "Deutschland steht hinsichtlich der Sterblichkeit im Krankenhaus nach einem Herzinfarkt im europäischen Vergleich gut da. In Deutschland versterben in der Klinik vier Prozent der Patienten nach einem Herzinfarkt (Akutes Koronarsyndrom, ACS: Sammelbegriff für die verschiedenen Formen des Herzinfarkts) im Krankenhaus. Das sind etwa so viele wie in Schweden, wo die Krankenhausmortalität bei 5,8 Prozent liegt, und deutlich weniger als im Großbritannien mit 8,8 Prozent", so PD Dr. Kurt Bestehorn (Institut für Klinische Pharmakologie an der TU Dresden) bei einer Pressekonferenz anlässlich der 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Im Congress Center Rosengarten Mannheim werden von 23. bis 26. April mehr als 8.500 Kardiologen aus 25 Ländern erwartet.

Der unter anderem auf Basis von Daten des AQUA-Instituts (Angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen) erstellte "Deutsche Herzbericht", der von der Deutschen Herzstiftung in Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften herausgegeben wird, zeigt, dass ACS-Patienten in Deutschland dabei keineswegs weniger krank sind als in anderen Ländern. 15 Prozent von ihnen leiden bereits an einer prognostisch sehr ungünstigen Herzinsuffizienz (HI, Herzmuskelschwäche) und rund ein Drittel hat einen Diabetes mellitus. Sowohl in Schweden als auch in Großbritannien kommen diese beiden wichtigen Komorbiditäten seltener vor: Herzinsuffizienz in 9,7 Prozent (Schweden) bzw. 5,3 Prozent (UK) der Fälle. Die in Deutschland mit 8 Tagen längere Verweildauer (Schweden 5 Tage, UK 6,6 Tage) könnte unter anderem auch hierdurch begründet sein. Patienten in Deutschland haben aber trotzdem bessere Überlebenschancen, so PD Bestehorn.

Probleme bei der Vergleichbarkeit der Daten

Allerdings bestehen erhebliche Unterschiede der Patienten-Kollektive sowohl auf der Ebene von Kliniken als auch auf Ebene der Bundesländer, weshalb die Sterblichkeit im Krankenhaus ohne Berücksichtigung weiterer Charakteristika der Patienten wie zum Beispiel Begleiterkrankungen oder soziodemografischer Faktoren als alleiniger Qualitäts-Maßstab problematisch sei, so PD Bestehorn.

Katheter-Untersuchungen und -Interventionen

Im Deutschland wurden 2012 ca. 850.000 Herzkatheter-Untersuchungen und/oder Herzkatheter-Interventionen zum Öffnen eines verschlossenen Herzkranzgefäßes im Katheterlabor durchgeführt. Die davon betroffenen Patienten können dabei in vier Gruppen unterteilt werden:

  • 13 Prozent Patienten mit akutem Koronarsyndrom, bei denen bisher keine Katheterintervention zum Öffnen eines verschlossenen Herzkranzgefäßes durchgeführt wurde.
  • 19 Prozent Patienten mit akutem Koronarsyndrom, bei denen vorher bereits eine Katheterintervention durchgeführt wurde.
  • 21 Prozent Patienten ohne akutes Koronarsyndrom, bei denen vorher bereits eine Katheterintervention durchgeführt wurde.
  • 47 Prozent Patienten ohne akutes Koronarsyndrom, bei denen bisher keine Katheterintervention durchgeführt wurde.

Zwar liegt der Anteil der Patienten, die weder einen Herzinfarkt hatten noch eine Katheterintervention benötigten, mit 47 Prozent bei knapp der Hälfte. Doch zeigen Analysen der Daten, dass bei 77,1 Prozent dieser Patienten mit der ersten Katheteruntersuchung eine Herzkrankheit diagnostiziert wurde. Doz. Bestehorn: "Die hohe Zahl diagnostizierter Herzkrankheiten bei Patienten, die nur zu diagnostischen Zwecken zu einer Katheteruntersuchung überwiesen wurden, zeigt, dass in Deutschland nicht leichtfertig zum Herzkatheter gegriffen wird. Der bisweilen geäußerte Vorwurf, hierzulande würde zu schnell an das Katheterlabor überwiesen, lässt sich anhand der Daten des AQUA-Instituts nicht bestätigen."

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Event-Recorder: Bessere Diagnostik bei "unklarem" Schlaganfall mit implantierbarem Miniatur-EKG

Mannheim, Donnerstag, 24. April 2014 - Viele Menschen mit einem Schlaganfall scheinbar unklarer Ursache haben ein unbemerktes Vorhofflimmern. Mittels eines implantierbaren Miniatur-EKG-Gerätes ("Event-Recorder") wird es in Zukunft leichter möglich sein, diesen Patienten durch rasche Diagnose und Therapie zu helfen. Die Chance, Vorhofflimmern zu finden, ist mit dem Eventrecorder sechsmal so groß wie mit Standard-Diagnosemethoden. Das berichtete Prof. Johannes Brachmann (Klinikum Coburg) auf einer Pressekonferenz anlässlich der 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Im Congress Center Rosengarten Mannheim werden von 23. bis 26. April mehr als 8.500 Kardiologen aus 25 Ländern erwartet.

Ein Drittel der Schlaganfälle "kryptogen"

Bei rund einem Drittel der Schlaganfall-Patienten wird keine Grundkrankheit entdeckt, die erklären kann, warum es zum Schlaganfall gekommen ist. In solchen Fällen spricht man von einem kryptogenen Schlaganfall. "Die Daten der kürzlich publizierten Studie CRYSTAL AF zeigen, dass bei weit mehr Patienten mit kryptogenem Schlaganfall periodenweise Vorhofflimmern vorliegt als bisher angenommen. Dieses anfallsartige ("paroxysmale") Vorhofflimmern wird von den Betroffenen in der Regel nicht bemerkt, bzw. werden Symptome falsch gedeutet", sagt Prof. Brachmann.

Bei der Herzrhythmusstörung Vorhofflimmern kommt es zu schnellen, chaotischen Kontraktionen der Herz-Vorhöfe, wodurch sich die Strömung des Blutes im Herzen verändert. Es können sich Gerinnsel bilden, die dann in das Gehirn geschwemmt werden. Weil Vorhofflimmern bei manchen Patienten nur selten und für einen sehr begrenzten Zeitraum auftritt, fällt es in einer herkömmlichen EKG-Untersuchung oft nicht auf. Viel häufiger gelingt die Diagnose mit dem in der CRYSTAL AF Studie eingesetzten Event-Recorder: eine Art Miniatur-EKG-Gerät, das in einem kleinen Eingriff unter die Haut implantiert wird und über einen Zeitraum von bis zu mehreren Jahren die Herzaktion beobachtet. So können auch selten auftretende Auffälligkeiten des Herzrhythmus entdeckt werden.

Event-Recorder findet Vorhofflimmern deutlich öfter

Innerhalb von sechs Monaten wurden damit bei 8,9 Prozent der Patienten nach einem kryptogenen Schlaganfall Episoden von Vorhofflimmern mit einer Länge von jeweils mindestens 30 Sekunden gefunden. Bei Patienten, die nach dem Standard-Verfahren diagnostiziert wurden, waren es nur 1,4 Prozent. "Die Chance, Vorhofflimmern zu finden, war also mit dem Event-Recorder sechsmal so groß" (Anm.: HR=6,43; 95% CI, 1,9-21,74), so Prof. Brachmann. Innerhalb von 12 Monaten wurde mit Event-Recorder bei 12,4 Prozent der Patienten Vorhofflimmern gefunden, im Vergleich zu 2 Prozent bei konventioneller Diagnostik (HR=7,32; 95% CI, 2,57-20,81).

"Dieser Unterschied ist bedeutsam", so Prof. Brachmann. "Denn Menschen mit Vorhofflimmern müssen behandelt werden, insbesondere wenn sie bereits einen Schlaganfall hatten." Wird Vorhofflimmern diagnostiziert, erfolgt eine lebenslange medikamentöse Hemmung der Blutgerinnung, um weitere Schlaganfälle zu verhindern.

"Ein kryptogener Schlaganfall alleine ist noch kein Grund für eine gerinnungshemmende Behandlung", stellt Prof. Brachmann klar. "Diese ist erst angezeigt, wenn zusätzliche Probleme wie Vorhofflimmern vorhanden sind. Stellt man in Zukunft die Diagnose mit dem Event-Recorder, so werden wohl mehr Patienten in den Genuss dieser Therapie kommen. Eine diesbezügliche Empfehlung in den Leitlinien gibt es allerdings noch nicht, dazu sind die Daten aus CRYSTAL AF noch zu frisch. Ich gehe jedoch davon aus, dass eine Untersuchung mit dem Event-Recorder in naher Zukunft nach einem Schlaganfall unklarer Ursache Standard werden wird."

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Jetzt auch Mitralklappen-Therapie: Immer mehr Eingriffe schonend mittels Herzkatheter möglich

Mannheim, Donnerstag, 24. April 2014 - Patienten mit Herzklappen-Erkrankungen können immer besser schonend mittels Herzkatheter ohne offene Operation behandelt werden. Nach den Erfolgen mit der minimalinvasiven (perkutanen) Implantation künstlicher Aortenklappen, die die Behinderung des Blutstroms aus dem Herzen beseitigt und den Rückstrom von Blut aus der Hauptschlagader ins Herz verhindert, ist es nun auch möglich geworden, die Mitralklappe, die den linken Herz-Vorhof von der linken Herzkammer trennt, ohne Öffnung von Brustkorb und Herz zu versorgen. Das berichtete Prof. Karl-Heinz Kuck (Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg) bei einer Pressekonferenz anlässlich der 80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim.

"Bei der Anuloplastie genannte Methode bleiben die Klappen-Segel intakt und der bindegewebige Ring (Anulus fibrosus), der sozusagen das Gerüst der Klappe bildet, wird enger gezogen", erklärt Prof. Kuck. Dadurch kann eine undicht gewordene Klappe so verändert werden, dass sie wieder in der Lage ist, das Zurückströmen von Blut in den Vorhof zu verhindern. Dieser Eingriff wird häufig durchgeführt, indem das Herz eröffnet wird und Patienten während der Korrekturoperation mit der Herz-Lungen-Maschine am Leben erhalten werden. Diese Operation ist allerdings belastend, sodass sie sehr alten bzw. sehr kranken Menschen nicht zugemutet werden kann.

Keine Herz-Lungen-Maschine nötig

Seit kurzem ist es möglich, Patienten mit dem Herzkatheter und damit weit schonender zu versorgen. Bei dieser Prozedur kann das Herz während der gesamten Operation weiter schlagen, es ist kein Kreislaufersatz durch die Herz-Lungen-Maschine erforderlich. Mit dem über die Leiste eingeschobenen Katheter wird ein Kunststoffband in den Anulus (Klappenring) eingesetzt, das diesen enger macht.

Erste Erfahrungen mit dieser Methode, die mittlerweile europaweit an vier Zentren durchgeführt wird, sind ausgezeichnet, berichtet Prof. Kuck: "Es ist bisher kein einziger Patient während oder nach einem solchen Eingriff verstorben. Das ist insofern bemerkenswert, als wir nur sehr schwer kranke Menschen mit der neuen Methode behandelt haben. Bei allen Patienten ist es gelungen, den Ring in die Klappe einzubringen, bei den meisten hat das auch zu einer relevanten Verbesserung der Funktion der Klappe geführt. Bislang haben wir diesen Eingriff nur bei Patienten durchgeführt, die wir anders nicht versorgen konnten. Ich habe aber wenig Zweifel, dass dieses Verfahren langfristig auch bei Patienten mit geringerem Risiko zum Einsatz kommen wird. Dazu benötigen wir aber erst einmal Langzeitdaten.

Grundsätzlich gibt es keinen Grund anzunehmen, dass etwas, das bei Hochrisikopatienten funktioniert, bei Patienten mit geringerem Risiko schlechter funktionieren sollte."

Bei der Implantation künstlicher Aortenklappen steht bereits seit einigen Jahren ein Katheter-Verfahren (TAVI) zur Verfügung. Zu diesem gibt es nun ebenfalls erfreuliche neue Daten aus der kürzlich publizierten CoreValve High Risk Studie. Prof. Kuck: "In dieser Studie wurden Patienten mit einem mäßig hohen Risiko untersucht, bei denen eine Mortalität von 7 Prozent innerhalb von 30 Tagen zu erwarten ist."

Wenn dermaßen kranke Patienten eine künstliche Aortenklappe erhielten, betrug die Sterblichkeit innerhalb eines Jahres nach Implantation einer TAVI 14,2 Prozent, nach einem Klappenersatz in offener Operation jedoch 19,1 Prozent. Auch die Häufigkeit von Schlaganfällen war 5,8 Prozent innerhalb von 12 Monaten in der TAVI-Gruppe geringer. Prof. Kuck: "Man sieht an diesen Daten, dass auch bei Patienten mit nicht extrem hohem Risiko die Sterblichkeit nach einer TAVI hochsignifikant geringer ist als nach einer offenen Operation. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die perkutane Klappentherapie ein Segen ist, und zwar nicht nur für Patienten, die offen nicht operiert werden können." Das werde zukünftig zu einem breiteren Spektrum von Korrekturmöglichkeiten bei Klappenerkrankungen beitragen.

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Anstieg des Kostendrucks bei herzmedizinischen Leistungen - Immer mehr Kliniken in den roten Zahlen

Mannheim, Donnerstag, 24. April 2014 - Immer mehr Krankenhäuser in Deutschland schreiben rote Zahlen. Das liegt unter anderem an Besonderheiten des Abrechnungssystems, die dazu führen können, dass Krankenhäuser für ein und dieselbe Prozedur von Jahr zu Jahr weniger Geld erhalten. Unter diesen Bedingungen die hohen Leistungsstandards und die Qualität aufrecht zu erhalten, wird zunehmend schwieriger, warnt die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie auf einer Pressekonferenz anlässlich ihrer 80. Jahrestagung. Im Congress Center Rosengarten Mannheim werden von 23. bis 26. April mehr als 8.500 Kardiologen aus 25 Ländern erwartet. "Die Länder kommen ihren Investitionsverpflichtungen immer weniger nach. Darüber hinaus rechnen bundesdeutsche Krankenhäuser damit, im Jahr 2014 für gleiche oder sogar bessere Leistungen der Herz-Kreislauf-Medizin fast 10 Prozent weniger Geld zu bekommen als noch im Vorjahr", so PD Dr. Lutz Frankenstein (Universitätsklinikum Heidelberg, Mitglied der Projektgruppe "Leistungsbewertung in der Kardiologie" der DGK). "Der Spardruck, der auf den kardiologischen Abteilungen lastet, ist enorm." Die Statistik zeigt einen steilen Anstieg der Krankenhäuser mit negativem Jahresergebnis, aktuell sind bereits 51 Prozent der Häuser betroffen.

Ursache: Besonderheiten des Vergütungssystems im Gesundheitswesen "Das ist aber fast immer nicht die Folge von schlechtem Management, sondern zu einem wesentlichen Teil in den Besonderheiten des Vergütungssystems im Gesundheitswesen begründet", sagt PD Frankenstein. Eine dieser Besonderheiten ist der "Katalogeffekt", also die sich über die Jahre verändernde Bewertung identischer Fälle. "Die vom Gesetzgeber mit dem Fallpauschalensystem etablierten Rahmenbedingungen belasten damit die Kardiologien immer schwerer. Das funktioniert so: Eine Stichprobe von knapp 250 deutschen Krankenhäusern meldet ihre Kosten an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK), das dann auf dieser Basis die neuen Fallpauschalen kalkuliert. Das bedeutet, dass aus unseren Kosten von 2012 die Vergütung für 2014 wurden", erklärt PD Frankenstein. Die Konsequenz: Erfolgreiches Sparen seitens der Krankenhäuser führt dazu, dass die niedrig gehaltenen Kosten eines Jahres zwei Jahre später niedrigere Fallpauschalen und damit höheren Kostendruck ergeben. Ein Beispiel dafür ist die Implantation eines Medikamenten-freisetzenden Stents, die im Jahr 2009 mit rund 700 Euro vergütet wurde und im Jahr 2014 der Abteilung gerade etwas mehr als 200 Euro bringt.

Weiterentwicklung der Medizin kostet Geld

Ein weiterer belastender Faktor für die Budgets der Krankenhäuser und insbesondere der innovationsorientierten kardiologischen Abteilungen ist die Weiterentwicklung der Medizin. Alle größeren Innovationen werden vom InEK vorab begutachtet. Dennoch ist selbst bei positivem Gutachten unklar, ob die Kosten in vollem Umfang oder nur zu einem kleinen Anteil von den Krankenkassen übernommen werden. Bei Weiterentwicklungen etablierter Behandlungen ist dies noch einmal anders: Verteuern kleine Weiterentwicklungen eine Behandlungsmethode, so fließt diese Entwicklung erst nach mindestens zwei Jahren in die Kalkulation der Fallpauschalen ein. In der Zwischenzeit muss die Differenz aus dem Budget des Krankenhauses abgedeckt werden - ein Spagat, der zunehmend an die Substanz geht.

"Dabei wird die Zusammenarbeit der DGK mit dem InEK und dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) von beiden Seiten als vertrauensvoll und positiv empfunden", so PD Frankenstein. So ist es in einigen Bereichen gelungen, innovative, medizinisch wichtige und durch Evidenz belegte Behandlungspfade in entsprechende Fallpauschalen abzubilden, die einer Anwendung auf breiter Basis entgegenkommen. Dies gilt etwa für den Ischämie-Nachweis mittels Myokardszintigraphie oder auch Druckdraht, eine Methode, mit der das Ausmaß der Beeinträchtigung des Herzmuskels bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit abgeschätzt werden kann. Diese Untersuchungen helfen bei der Frage, ob ein Patient die Versorgung eines Herzkranzgefäßes mittels Stent überhaupt benötigt, oder nicht. Das ist gleichermaßen für die bestmögliche medizinische Versorgung der Patienten, wie auch mit Blick auf die Kosten sinnvoll.

Unzutreffend, so PD Frankenstein, sei der oft geäußerte Vorwurf, kardiologische Abteilungen würden zu viele Herzkatheter-Untersuchungen durchführen, um damit Einnahmen zu generieren: "Ein solches Verhalten wäre nicht nur ethisch untragbar, sondern ist auch ökonomisch wenig sinnvoll." Der aktuelle Fallpauschalen-Katalog weist für die Untersuchung und Behandlung von Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder Angina pectoris im Katheterlabor lediglich geringfügig höhere Pauschalen auf als bei medikamentöser konservativer Behandlung ohne Herzkatheter. PD Frankenstein: "Die Differenz von 400 bis 500 Euro entspricht gerade mal dem Material- und Personaleinsatz im Katheterlabor. Man kann also nicht behaupten, dass dies für die Abteilungen eine lohnende Einnahmequelle wäre."

Raute

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 8500 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa.

Weitere Informationen unter
www.dgk.org

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Prof. Dr. Eckart Fleck, 23.-24.04.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2014