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INFEKTION/1603: Forschung zur Bekämpfung von Biofilmen - Genome lesen, Bakterien verstehen (idw)


Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung - 10.01.2017

Genome lesen - Bakterien verstehen

Bekämpfung von Biofilmen: ERC Consolidator Grant für HZI-Forscherin Susanne Häußler


Die medizinische Mikrobiologin Prof. Susanne Häußler erhält einen ERC Consolidator Grant der Europäischen Union. Mit dieser Fördermaßnahme unterstützt der Europäische Forschungsrat ERC jedes Jahr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa. Häußler und ihr Team untersuchen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig Bakterien, die sich durch die Bildung von Biofilmen besonders hartnäckig im Körper festsetzen. Die Zuwendungen für ihr Projekt belaufen sich auf knapp zwei Millionen Euro für eine Laufzeit von fünf Jahren.

In dem EU-unterstützten Projekt will Susanne Häußler die genetische Ausstattung Biofilm-bildender Bakterien, insbesondere des Krankheitserregers Pseudomonas aeruginosa, analysieren. Ziel ist es dabei, die Biofilm-assoziierte Wachstumsform der Bakterien zuverlässig zu identifizieren und deren Schwachstellen für eine wirkungsvollere Therapie zu nutzen. Die Forschungsarbeiten für das Projekt starten voraussichtlich im April.

Pseudomonas aeruginosa ist ein widerstandsfähiges Bakterium, das fast überall in der Umwelt vorkommt. Wenn es sich in Wunden oder in der menschlichen Lunge dauerhaft festsetzt, kann es schwere, oft tödliche Erkrankungen auslösen. Insbesondere Patienten mit Verbrennungen und Mukoviszidose-Erkrankte sind anfällig für eine chronische Infektion mit Pseudomonas aeruginosa: Keine andere Bakterienart kommt häufiger in der Lunge von Mukoviszidose-Patienten vor. Besonders problematisch ist die Fähigkeit der Pseudomonas-Bakterien, sich in einer geschlossenen Schicht - einem sogenannten Biofilm - auf der Haut, dem Lungenepithel oder einer anderen Oberfläche im Körper zusammenzulagern. Durch die Bildung von Biofilmen schützen sich die Bakterien vor der menschlichen Immunabwehr, verhindern aber auch die Wirkung von Antibiotika.

Mit ihrem neuen Projekt COMBAT (für "Clearance of microbial biofilms by advancing diagnostics and therapy", zu Deutsch: "Biofilm-Bekämpfung durch Verbesserung von Diagnostik und Therapie") wollen Susanne Häußler und ihr Team den hartnäckigen Erregern zu Leibe rücken. Seit mehreren Jahren studieren sie intensiv die Erbinformation der Bakterien und deren Einfluss auf das bakterielle Verhalten. Mit sogenannten "Omics-Techniken" - Hochdurchsatz-Verfahren zur Analyse der Biomoleküle in der Zelle - wollen sie jetzt herausfinden, welche Genvariationen die Biofilmbildung und die Widerstandsfähigkeit der Bakterien beeinflussen. Dabei werden neueste Techniken der Datenerhebung und -auswertung zum Einsatz kommen. "Wir haben eine große Menge genomischer Daten von einer Vielzahl von klinischen Stämmen gesammelt", sagt Häußler. "Jetzt wollen wir die Genome lesen - das System verstehen, um das Verhalten der Bakterien vorhersagen zu können." Auf der Basis dieses Wissens sollen dann unter anderem Tests entwickelt werden, um Biofilm-assoziiertes Wachstum von Pseudomonas sicher zu erkennen. "Dadurch können wir langfristig effektivere und individuell auf den Patienten zugeschnittene Therapien entwickeln", sagt Häußler.

Diesem Ziel dient auch ein weiterer Schwerpunkt des COMBAT-Projekts: "Unsere Analysen werden uns Aufschluss über die Grundlagen der bakteriellen Stressantworten geben, also der Gegenmaßnahmen, mit denen die Bakterien auf Belastungen wie beispielsweise Antibiotika reagieren", sagt Häußler. "Diese Stressantworten gehen der Ausbildung von Schutz-Biofilmen in der Regel voraus. Das Verständnis ihrer Mechanismen wird uns Möglichkeiten eröffnen, sie frühzeitig zu blockieren."


Die ERC Consolidator Grants:
Die Consolidator Grants werden durch den Europäischen Forschungsrat (European Research Council; ERC) vergeben. Die Förderung unterstützt vielversprechende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sieben bis zwölf Jahre zuvor promoviert haben und nun eine unabhängige Karriere und eine eigene Arbeitsgruppe aufbauen. Dabei ist wissenschaftliche Exzellenz das wesentliche Kriterium. Die Finanzierung soll ihnen helfen, die Entwicklung ihrer Ideen weiter voranzutreiben. Unterstützt werden sie mit maximal zwei Millionen Euro für eine Laufzeit von bis zu fünf Jahren. Im Dezember veröffentlichte der ERC die Auswahlergebnisse für die Consolidator Grants 2016. Von 2304 eingereichten Anträgen wurden 314 zur Förderung vorgeschlagen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten insgesamt 605 Millionen Euro für ihre Projekte. Neben den Consolidator Grants vergibt der ERC auch Starting Grants für hoffnungsvolle Nachwuchstalente sowie Advanced Grants für exzellente, bereits etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Die Preisträgerin:
Susanne Häußler studierte Humanmedizin an der Medizinischen Fakultät der Universität zu Lübeck und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), an der sie 1995 auch promovierte. Sie erwarb 2002 den Facharzt für Medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie. Seit 2004 ist Susanne Häußler im Fach Medizinische Mikrobiologie habilitiert. Ihr besonderes Forschungsinteresse gilt der Entstehung und Bekämpfung von chronischen Infektionen mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa. An diesem Schwerpunkt arbeitete sie von 2003 bis 2004 als Projektleiterin im Bereich Zell- und Immunbiologie an der damaligen Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF). Von 2005 bis 2012 leitete sie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) die Nachwuchsgruppe "Chronische Pseudomonas-Infektionen" in enger Zusammenarbeit mit der MHH. 2009 folgte Susanne Häußler einem Ruf auf die W2-Professur "Pathophysiologie bakterieller Biofilme" am TWINCORE - Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung in Hannover. Seit 2012 ist sie Leiterin der Abteilung Molekulare Bakteriologie am HZI und Institutsdirektorin am TWINCORE.

Die Pressemitteilung und Bildmaterial sind auf unserer Webseite unter dem Link
https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/ansicht/article/complete/genome_lesen_bakterien_verstehen/

Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. www.helmholtz-hzi.de

Ihre Ansprechpartner:
Susanne Thiele, Pressesprecherin
susanne.thiele@helmholtz-hzi.de
Dr. Andreas Fischer, Wissenschaftsredakteur
andreas.fischer@helmholtz-hzi.de

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH
Presse und Kommunikation
Inhoffenstraße 7
D-38124 Braunschweig

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution129

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Susanne Thiele, 10.01.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2017

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