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REISEMEDIZIN/097: Tauchunfälle - Tiefenrausch und Taucherflöhe können lebensgefährlich sein (Thieme)


Thieme Verlag - FZMedNews - 23.06.2016

Tauchunfälle: Tiefenrausch und Taucherflöhe können lebensgefährlich sein


fzm, Stuttgart, Juni 2016 - Endlich Ferien! Zeit zum Abtauchen! Tauchurlaube werden bei deutschen Touristen immer beliebter. Wer Meere und Seen unbeschwert erkunden möchte, sollte jedoch einige physikalische Gesetze beachten. Ansonsten setzt er seine Gesundheit oder sogar sein Leben aufs Spiel. In der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2016) erläutert ein Experte, was zu beachten ist.

Ein Ballon, der auf der Wasseroberfläche noch einen Liter Luft enthält, verkleinert sich in 10 Meter Tiefe auf die Hälfte, bei 20 Meter auf ein Drittel und so weiter. Der Grund: Mit zunehmender Tiefe erhöht sich der hydrostatische Druck. Da nach dem Boyle-Mariotte-Gesetz das Produkt aus Druck und Volumen in einem Gas konstant ist, verkleinert sich der Luftraum. In starren Hohlräumen wie dem Mittelohr kann dies zu Problemen führen. Blutungen und der Einriss des Trommelfells kennzeichnen das sogenannte Barotrauma, das durch langsames Abtauchen und Belüftung über die Ohrtrompete vermieden wird. Doch auch in den Nasennebenhöhlen oder unter schadhaften Zahnfüllungen kann ein fehlender Druckausgleich Beschwerden machen, berichtet Dr. Kareem Khan, Direktor des Instituts für Arbeitsmedizin, Prävention und Gesundheitsförderung an den HELIOS Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden.

Schwerwiegendere Folgen für Taucher kann die von John Dalton entdeckte Gesetzmäßigkeit haben: "Der Gesamtdruck eines Gases entspricht der Summe der Partialdrücke der einzelnen Gase." Bei ihren Ausflügen unter Wasser führen Taucher eine Gasflasche mit, die ein Gemisch aus Sauerstoff und Stickstoff. Mit zunehmender Tiefe und steigendem Druck, atmen sie auch mehr Sauer- und Stickstoff ein. Stickstoff hat in größeren Mengen eine narkotische Wirkung. Dr. Khan: In Tiefen ab etwa 30 Metern kann es zu einem Tiefenrausch kommen. Die Wirkung ist mit einem Alkoholrausch vergleichbar, bei dem die Konzentration sinkt, die Orientierung eingeschränkt und die Reaktionszeit verlangsamt ist. Beim Auftauchen ist das Problem behoben. Der Partialdruck von Stickstoff sinkt.

Dafür drohen andere Probleme. Der Stickstoff aus der Atemluft ist inzwischen ins Blut und ins Gewebe übergetreten. Je tiefer der Tauchgang, desto höher ist die Konzentration. Denn nach dem Gesetz von Henry ist die Konzentration eines Gases in einer Flüssigkeit proportional zum äußeren Partialdruck. Beim zu raschen Auftauchen können Blut und Gewebe den Stickstoff nicht mehr in Lösung halten. Es kommt wie nach dem Öffnen einer Sprudelflasche zur Gasbildung. Die Gasbläschenansammlung ist die Ursache der gefürchteten Dekompressionserkrankung, auch Caisson-Krankheit genannt.

Auch in der Lunge dehnt sich die Luft beim Auftauchen aus. Wird sie nicht rechtzeitig abgeatmet, wird die Lunge geschädigt. Die Luft kann über Geweberisse in die Venen und über das Herz in die Arterien gelangen. In den kleinen Arterien kommt es zu Verstopfungen. Es kommt zur arteriellen Gasembolie. Im Gehirn kann das einen Schlaganfall auslösen.

Die Beschwerden bei Gasembolie und Caisson-Krankheit sind laut Dr. Khan ähnlich. In leichten Fällen fühlen sich die Taucher müde und die Haut beginnt zu jucken - Fachleute sprechen dann von sogenannten "Taucherflöhe". In schweren Fällen kommt es zu Atembeschwerden, Wahrnehmungs- und Sprachstörungen, Lähmungen und schließlich zur Bewusstlosigkeit. Nicht alle Taucher bemerken das Problem sofort nach dem Auftauchen. Dr. Khan berichtet von einem Taucher, der erst eine Stunde später kollabierte. Anzeichen wie Taucherflöhe müssen deshalb ernst genommen werden. Wenn sich die Beschwerden nicht innerhalb von 30 Minuten zurückbilden, ist eine Behandlung erforderlich, warnt Dr. Khan.

Die Behandlung besteht im Einatmen von reinem Sauerstoff und dem raschen Transport in die nächste Druckkammer. Dort wird der Luftdruck auf die ehemalige Tauchtiefe erhöht und dann langsam gesenkt, damit der Stickstoff allmählich abgeatmet werden kann.

K. Khan: Tauchunfälle, DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2016; 141 (12); S. 890-894.

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Quelle:
FZMedNews - Donnerstag, 23. Juni 2016
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2016

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