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EPIDEMIE/132: Dt. Zentrum für Infektionsforschung initiert Konsortium zur Verstärkung der Ebola-Forschung (idw)


Deutsches Zentrum für Infektionsforschung - 27.10.2014

EBOKON: Verstärkung für die Ebola-Forschung



Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) hat ein Konsortium initiiert, das die Ebola-Forschung verstärken und die Wissenslücken schnellstmöglich schließen soll, um damit den Kampf gegen die Epidemie zu unterstützen. Dieser Verbund "EBOKON" wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis Ende 2015 mit 2,3 Millionen Euro unterstützt.

"Der aktuelle Ausbruch von Ebola in Westafrika hat gezeigt, dass noch viele Forschungsfragen zu diesem Virus offen sind. Sie müssen möglichst schnell beantwortet werden, um die Epidemie beenden zu können und langfristig besser gewappnet zu sein", erklärt EBOKON-Koordinator Professor Stephan Becker von der Philipps-Universität Marburg. Der Virologe leitet auch den DZIF-Schwerpunkt "Neu auftretende Infektionskrankheiten", an den das neue Konsortium thematisch anschließt. Die jetzt geförderten zehn Projekte sind eingebunden in die internationalen Aktivitäten zu Ebola, unter anderem die der WHO, und greifen die dringendsten Fragen auf: Wie lassen sich schnell sichere Impfstoffe entwickeln und zum Einsatz bringen? Wie kann das Virus gehemmt werden? Welche Tiermodelle können Antworten zur Bekämpfung geben? Wie können das Virus und seine Ausbreitung jetzt und zukünftig besser überwacht werden?

Die zehn EBOKON-Vorhaben sollen in den nächsten 14 Monaten durchgeführt werden. Die bereits etablierten Strukturen und Kapazitäten innerhalb des DZIF sowie die Expertise der beteiligten Wissenschaftler auf dem Feld der Ebola-Virus-Forschung sollten eine schnelle Umsetzung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Ebola-Epidemie in Westafrika ermöglichen. Die Projekte werden zusätzlich zu bereits laufenden Ebola-Vorhaben im DZIF gefördert. Das groß angelegte Verbundprojekt wird unter dem Dach des DZIF gebündelt und strategisch ausgerichtet.


Projekte und Ansprechpartner

1. Entwicklung von MVA-Vektorvakzinen zur Prophylaxe von Virus-Ebola-Infektionen:
Ziel des Projektes ist die präklinische Entwicklung und Charakterisierung von neuen Impfstoffen gegen Infektionen mit Ebola-Viren auf der Basis rekombinanter Vacciniaviren MVA. Es gibt derzeit zwei vielversprechende Impfstoffkandidaten gegen das Ebola-Virus, die noch nicht am Menschen getestet wurden. Klinische Studien sind in Vorbereitung und der Einsatz in Westafrika wird zu Beginn 2015 erwartet. Diese Impfstoffe sind entweder nur gegen zwei der Ebola-Virus-Subtypen gerichtet (Adenovirus-basierter Impfstoff) oder monovalent gegen das Zaire-Ebola-Virus (VSV-basierter Impfstoff). Gegenwärtig finden aber drei unabhängige Virus-Ausbrüche in Afrika statt, was die Notwendigkeit von multivalenten Ebola-Impfstoffen unterstreicht. Das Projekt soll zur Entwicklung von breit wirksamen Ebola-Virus-spezifischen Informationen beitragen, die schnell für eine Prüfung im klinischen Einsatz zur Verfügung stehen.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Gerd Sutter, Institut für Infektionsmedizin und Zoonosen, LMU München: gerd.sutter@lmu.de

2. Entwicklung und Validierung von Pan-Ebola-Virus-Impfstrategien
Ein Antikörpercocktail (ZMAPP) scheint bei manchen Ebola-Virus-Infizierten eine deutliche Verbesserung zu bewirken. Der Cocktail ist jedoch weltweit nicht mehr erhältlich und die Produktion weniger neuer Dosen dauert Monate. Es fehlen gegenwärtig Konzepte zur schnellen Entwicklung und Produktion passiver Immuntherapien. Im Projekt werden verschiedene passive Impfstrategien verglichen und die vielversprechendsten durch weitere Experimente in Marburg validiert.
Ansprechpartner: Dr. Veronika von Messling, Paul-Ehrlich Institut, Langen: Veronika.vonMessling@pei.de

3. Analyse und Inhibition des Eintritts von Ebola-Viren in Wirtszellen
Antivirale Medikamente gegen Ebola-Viren sind momentan nicht verfügbar. Mögliches Ziel einer anti-Ebola-Virus-Therapie besteht darin, das Eindringen des Virus in die Zielzellen zu hemmen. Das Glykoprotein GP der Ebola-Viren vermittelt den Eintritt in die Wirtszellen und es soll nun untersucht werden, wie die Interaktion von Virus und Wirtszelle inhibiert werden kann, um hochwirksame antivirale Medikamente zu identifizieren. Ansprechpartner: Prof. Dr. Stefan Pöhlmann, Deutsches Primatenzentrum Göttingen: s.poehlmann@dpz.eu

4. Entwicklung von fluoreszierenden rekombinanten Ebolaviren (Guinea-Stamm) zur schnellen Überprüfung der pathogenetischen Bedeutung von auftretenden Mutationen im Virusgenom sowie der Effektivität von Vakzinen und Antikörpertherapien unter BSL-4-Bedingungen
Während des Ausbruchs von Ebola in Westafrika wurden etliche Mutationen in dem Genom des Ebola-Virus entdeckt, die während der Mensch-zu-Mensch-Übertragung auftraten. Die Bedeutung dieser Mutationen für die Biologie des Virus und seine krankheitsauslösende Wirkung ist momentan völlig unklar. Ziel dieses Projektes ist es, die aufgetretenen Mutationen zu charakterisieren. Dazu werden rekombinante Ebola-Viren konstruiert, die zusätzlich die Information für einen Fluoreszenzmarker in ihrer Erbinformation tragen. Diese Viren können dann in lebenden infizierten Tieren verfolgt werden. Auf diese Weise können die Auswirkungen der Mutationen auf den Krankheitsverlauf untersucht werden.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Stephan Becker, Philipps-Universität Marburg: becker@staff.uni-marburg.de

5. Chimäre Mausmodelle zur Untersuchung von Ebola-Virus-Immunität und -Pathogenese
Die Immunantwort auf die Ebola-Virus-Infektion ist nicht gut verstanden, weil bislang nicht genügend Patientenproben verfügbar waren. Es ist beispielsweise nicht bekannt, wie sich die T-Zell-Antwort von Patienten, die das Ebola-Virus überleben, von der Immunantwort bei tödlich verlaufenden Fällen unterscheidet. Mit Hilfe von Mausmodellen, die eine Virusvermehrung zulassen, sollen diese Fragen untersucht werden. Das Projekt läuft in Zusammenarbeit mit dem Heinrich-Pette-Institut in Hamburg.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Stephan Günther, Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Hamburg: guenther@bni-hamburg.de

6. System-Vakzinologie: Angeborene Prädiktoren der Ebola-Virus-induzierten adaptiven Immunität
Es gibt sehr wenige Daten zur Immunantwort gegen Ebola-Virus-Impfstoffe. Eine bereits geplante klinische Phase-I-Studie mit einem Ebola-Virus-Impfstoff (VSV-EBOV) in Hamburg macht es auch möglich, mehr über die Immunantwort zu erfahren. Es wird erwartet, dass Untersuchungen der ersten Phase nach der Immunisierung, in der das angeborene Immunsystem die spätere erworbene Immunantwort anstößt, wertvolle Auskunft über den Impferfolg liefern.
Ansprechpartner: Prof. Dr. med. Marylyn Addo, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf: m.addo@uke.de

7. Durchführung einer Phase-I-Ebola-Impfstudie
Der VSV-basierte Ebola-Impfstoff wird als vielversprechender Impfstoffkandidat unter Koordination der WHO an vier Standorten klinisch getestet. Neben der am UKE in Hamburg geplanten Studie, die von Marylyn Addo geleitet wird, wird es eine Phase-I-Studie am Albert-Schweitzer Hospital in Gabun geben, die von der Universität Tübingen gesponsert wird. Hierfür wird dringend benötigtes zusätzliches Personal im Rahmen von EBOKON finanziert.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Peter G. Kremsner, Universitätsklinikum Tübingen: peter.kremsner@uni-tuebingen.de

8. Untersuchung der Filovirus-Übertragungskette in einem industrialisierten westafrikanischen Land
Es ist bekannt, dass das natürliche Reservoir des Ebola-Virus in Flughunden zu suchen ist, der genaue Übertragungsweg auf den Menschen ist aber unbekannt und ebenfalls unbeantwortet ist die Frage, ob andere infizierte Tiere eine Rolle für die Ausbreitung der Epidemie spielen. Von den Antworten auf diese Fragen wird es aber zukünftig abhängen, ob man derartige Epidemien verhindern kann. In diesem Projekt wollen die Wissenschaftler ohne aufwändige Feldarbeit in einem bereits relativ stark industrialisierten westafrikanischen Land, Ghana, die gesamte mögliche Übertragungskette von Ebolaviren und anderen sog. Filoviren anhand bereits vorliegender Proben überprüfen.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Christian Drosten, Universitätsklinikum Bonn: drosten@virology-bonn.de

9. Gefahren einer weiteren Ausbreitung von Ebola-Virus minimieren

9a: Untersuchungen zu einem möglichen Sekundär-Reservoir bei Tieren in Westafrika: Aufgrund der weiten Verbreitung des Ebola-Virus in Westafrika ist es denkbar, dass es bei Tieren zu einem sekundären Reservoir kommen könnte. In diesem Projekt werden Tiere in den Ausbruchsgebieten auf Ebola-Viren sowie Antikörper gegen Ebola-Viren untersucht, um ein mögliches sekundäres Reservoir und ein sich daraus ergebendes Risiko erkennen zu können. Die Ergebnisse könnten dazu genutzt werden, entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Ansprechpartner: Dr. Fabian Leendertz, Robert-Koch-Institut Berlin: leendertzf@rki.de

9b: Entwicklung einer adaptiven, interaktiven Software zur Bewertung des absoluten Ebola-Importrisikos an Knoten des weltweiten Flugverkehrsnetzes: Über den internationalen Flugverkehr ist es möglich, das einzelne Ebolafälle in weitere Staaten importiert werden. Dieses Risiko hängt außer von den Flugbewegungen von vielen anderen Faktoren ab (z. B. Anzahl der Fälle in Westafrika), die bislang nur ungenügend in entsprechende mathematische Modelle eingespeist sind. Im Projekt wird ein bestehendes Modell zur Risikoabschätzung weiterentwickelt.
Ansprechpartner: Dr. Dirk Brockmann, Robert-Koch-Institut Berlin: dirk.brockmann@hu-berlin.de

9c: Entwicklung, Einsatz und Evaluierung eines Follow-up-Tools für Personal in Ebola-Behandlungseinrichtungen und Rückkehrer aus Ebola-Gebieten: Das Gesundheitsmonitoring für Helfer und andere Personen, die nach Einsätzen in Ebola-Gebieten zurückkehren, soll mit Hilfe mobiler Dateneingabe vereinfacht werden, ein optionales Follow-up-Netz soll einwickelt werden.
Ansprechpartner: Dr. Justus Benzler, Robert-Koch-Institut: benzlerj@rki.de

10. Surveillance von Ebola durch mobile Echtzeit-Datenübermittlung in Nigeria
Die Überwachung von Personen, die Kontakt zu Ebola-Infizierten hatten, war bei den vergangenen Ebola-Ausbrüchen ein essenzielles Mittel zur Eindämmung der Epidemie. Der aktuelle Ausbruch hat jedoch ein Ausmaß angenommen, in dem diese Maßnahmen insbesondere unter westafrikanischen Bedingungen nur mit Einsatz modernster Technologie bewältigt werden können. Ein neues System, bei dem miteinander zentral vernetze Mobiltelefone als Steuerungsinstrumente eingesetzt werden, wird mit nigerianischen Partnern in Deutschland entwickelt und in Kürze in Nigeria pilotiert werden.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Gérard Krause, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung: Gerard.Krause@helmholtz-hzi.de


Kontakt EBOKON-Koordinator:
Prof. Dr. Stephan Becker
DZIF-Forschungsschwerpunkt "Neuauftretende Infektionskrankheiten"
Philipps-Universität Marburg
becker@staff.uni-marburg.de

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Im Fokus: Ebola-Viren


Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit rund 200 Wissenschaftler aus 32 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Einer der Schwerpunkte ist die Forschung zu neu auftretenden Infektionskrankheiten. Mehr Informationen finden Sie unter
www.dzif.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1833

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, Karola Neubert, 27.10.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2014