Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → KRANKHEIT

HERZ/481: Herbsttagung 2010 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (2) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 8. Oktober 2010

Herbsttagung 2010 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der
Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Arrhythmie, Nürnberg, 7. - 9. 10. 2010


→ Herzinfarkt: Wer daran stirbt, hängt auch vom Wohnort ab
→ Neuer "Herzbericht": Beeindruckende Leistungsschau der Kardiologie -
      gute Versorgungsstruktur - Zunehmend Katheter-Eingriffe
→ Neuer Herzbericht: Herzinfarkt bleibt Männersache
→ Tod durch Herzinfarkt: Große regionale Unterschiede in Bayern
→ Trotz immer sichererer Herzchirurgie zu wenig Bypass-Operationen -
      neues Aortenklappenregister sammelt Daten
→ Immer weniger Deutsche sterben an einem Herzinfarkt

Raute

Herzinfarkt: Wer daran stirbt, hängt auch vom Wohnort ab

Deutliche Versorgungsunterschiede in Sachen Herzinfarkt zwischen den einzelnen deutschen Regionen beobachtet der neue deutsche "Herzbericht. "Von einer auch nur in etwa gleichmäßigen Versorgungslandschaft für die wesentlichen Herzkrankheiten kann in Deutschland nicht gesprochen werden", bilanziert "Herzbericht"-Autor Dr. Ernst Bruckenberger bei der Präsentation der neuen Daten auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Arrhythmie in Nürnberg.

Das wird bei der Gegenüberstellung der altersbereinigten Sterbeziffer (Gestorbene pro 100.000 Einwohner) für die 413 kreisfreien Städte und Landkreise klar ersichtlich: Gemessen am Bundesdurchschnittswert von 69,2 Menschen von 100.000, die pro Jahr an einem Herzinfarkt versterben, weisen bei einem Ranking der altersbereinigten Sterbeziffer der Landkreis Plön, (minus 66,6 % unter dem Durchschnitt), die Stadt Memmingen (- 58,7 %) sowie der Landkreis Schleswig-Flensburg (- 56,5 %) die niedrigsten Werte auf. Am anderen Ende der Skala liegen die Landkreise Spree-Neiße (plus 106 % über dem Bundesdurchschnitt), Uckermark (+ 102,7 %) sowie Coburg (+ 89,4 %) die höchsten Werte auf.


*


Neuer "Herzbericht": Beeindruckende Leistungsschau der Kardiologie
gute Versorgungsstruktur - Zunehmend Katheter-Eingriffe

"Der neue 'Herzbericht' belegt erneut die hohe Bedeutung der Kardiologie und Herzkreislaufmedizin in Deutschland und bietet eine beeindruckende Leistungsschau", bilanziert Prof. Dr. Michael Böhm (Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie; Homburg/Saar) anlässlich der Präsentation neuester Zahlen durch "Herzbericht"-Autor Dr. Ernst Bruckenberger auf der Herbsttagung 2010 der DGK und der Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Arrhythmie in Nürnberg.

2009 gab es in Deutschland 830 Katheter-Labors für Erwachsene, um 5,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Dort wurden 864.858 Herzkatheter-Untersuchungen (plus 1,5 Prozent) und 310.166 Eingriffe (z.B. Ballon, Stent) durchgeführt, das bedeutet ein Plus 1,8 Prozent. Es wurden 271.439 Stents (Gefäßstützen gegen Gefäßverschluss) eingesetzt (plus 1,1 Prozent), 42 Prozent davon Medikamenten-freisetzende. Es gab 51.496 elektrophysiologische Untersuchungen mit insgesamt 40.815 Ablationen: Herzkatheter-gestützte Methoden, mit deren Hilfe Herzrhythmus-Störungen beseitigt werden können.

Prof. Böhm: "Der Leistungsanstieg gegenüber dem Vorjahr ist der zweitniedrigste seit 1980. Das unterstreicht die Etablierung einer ausreichenden und effizienten Versorgungsstruktur in der Kardiologie für Deutschland."

Trend von Herzoperationen hin zu Katheter-Eingriffen

Insgesamt, so der DGK-Präsident, zeige sich erneut der Trend einer Steigerung von Katheter-Eingriffen (z.B. Ballon, Stent) gegenüber Herzoperationen. Während von 2004 bis 2009 die Zahl der Katheter-Interventionen pro Million Einwohner um 23,5 Prozent angestiegen ist, ist der Vergleichswert der Koronaroperationen um 23 Prozent gesunken. Der stärkste Anstieg erfolgte bei über 80jährigen mit 58,3 Prozent. Prof. Böhm: "Das zeigt, dass in der Kardiologie wie auch in der Herzchirurgie insbesondere ältere Patienten von Innovationen profitieren."

Die Zunahme der Zahl von Katheter-Kapazitäten war unter anderem dadurch bedingt, dass diese Kapazität in den neuen Bundesländern aufgebaut werden musste.


*


Neuer Herzbericht: Herzinfarkt bleibt Männersache

"Herzinfarkt ist in Deutschland noch immer überwiegend eine Männerkrankheit", bilanziert Dr. Ernst Bruckenberger im "Herzbericht 2009", der heute auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Nürnberg vorgestellt wurde. "Männer werden wesentlich häufiger wegen eines Infarkts in ein Krankenhaus eingeliefert als Frauen, sie sterben häufiger daran, und belasten damit die Gesundheitsbudgets weit stärker als Frauen."

Die Ergebnisse des Herzberichts im Detail: Pro 100.000 Einwohner und Jahr sterben in Deutschland 76 Männer an einem Herzinfarkt, das sind um 21,3 Prozent mehr als bei den Frauen (62,7). In einem Krankenhaus wurden zuletzt wegen eines Herzinfarktes pro Jahr und 100.000 Einwohner 332,6 Männer aufgenommen, das sind 80,4 Prozent mehr als bei den Frauen (184,3). In absoluten Zahlen: Pro Jahr versterben in Deutschaland 30.559 Männer und 26.216 Frauen an einem Herzinfarkt, insgesamt kommt es bei Männern zu 133.636 Krankenhaus-Aufnahmen wegen eines akuten Herzinfarktes, bei den Frauen sind es 77.069.

Dieser Trend spiegelt sich auch bei den Krankheitskosten für Herzkrankheiten wider: Von 2002 bis 2008 stiegen diese insgesamt um 35.512 Milliarden Euro: Der Anteil für männliche Patienten lag bei 20.259 Milliarden (plus 22,5 Prozent), der für Frauen bei 15.253 Milliarden (plus 11,8 Prozent).


*


Tod durch Herzinfarkt: Große regionale Unterschiede in Bayern

Nürnberg, Freitag 8. Oktober 2010 - Starke Unterschiede bei der Herzinfarkt-Sterblichkeit in Bayern beobachtet der neue "Herzbericht". "Besonders auffallend ist das Gefälle zwischen Nord- und Südbayern", bilanziert "Herzbericht"-Autor Dr. Ernst Bruckenberger bei der Präsentation der neuen Daten auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Arrhythmie in Nürnberg.

Eine Gegenüberstellung der altersbereinigten Sterbeziffern (Gestorbene pro 100.000 Einwohner) in unterschiedlichen Gegenden Bayerns zeigt: Gemessen am Bundesdurchschnittswert von 69,2 Herzinfarkt-Toten jährlich pro 100.000 Bewohner, weist die Stadt Memmingen (- 58,7 % unter dem Durchschnittswert) die niedrigsten Zahl von Herzinfarkt-Toten auf. Am anderen Ende der bayerischen Skala ist Coburg: Dort liegt die Zahl der an Herzinfarkt Verstorbenen 89,4 Prozent über dem bundesdeutschen Durchschnitt.


*


Trotz immer sichererer Herzchirurgie zu wenig Bypass-Operationen - neues Aortenklappenregister sammelt Daten

"In den 80 herzchirurgischen Zentren in Deutschland wurden zuletzt pro Jahr insgesamt 162.417 Operationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine (HLM) durchgeführt, um zwei Prozent mehr als im Jahr davor", so Dr. Ernst Bruckenberger, Autor des neuen "Herzberichts 2009", der heute in Nürnberg auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vorgestellt wurde. "Pro Million Einwohner ergab dies 1.985 Operationen mit und ohne HLM. Der Anteil der "klassischen" Herzoperationen wie Bypass-Operationen, Klappen-Operationen und Operationen angeborener Herzfehler erreichte mit 53,8 Prozent den bisher niedrigsten Wert."

"Der Herzbericht gibt uns Gründe, stolz zu sein", kommentiert Prof. Dr. Friedhelm Beyersdorf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, diese Ergebnisse. "Er zeigt aber auch einen weit verbreiteten Informationsmangel bezüglich des Risikoprofils mancher Operationstechniken."

Die Herzchirurgie wird insgesamt immer sicherer und besser

Auf der Haben-Seite stehe, dass die Überlebensrate bei Herzoperationen insgesamt sehr hoch ist und bei etlichen Eingriffen, etwa dem Aortenklappen-Ersatz oder Operationen der Hauptschlagader, sogar gestiegen ist, obwohl die zugewiesenen Patienten immer älter und kränker werden. Prof. Beyersdorf: "Die Herzchirurgie wird also insgesamt immer sicherer und besser."

Andererseits ist die Gesamtzahl herzchirurgischer Eingriffe trotz der wachsenden Anzahl älterer und operationsbedürftiger Patienten ebenfalls gleichgeblieben. "Während Herzklappen- und Hauptschlagader-Operation viel häufiger geworden sind - erwartbar, denn beide werden in der Regel erst in höherem Alter nötig - ist der Zahl der Bypass-Operationen gesunken. Offensichtlich zugunsten von Stent-Einpflanzungen", so Prof. Beyersdorf. "Dies steht aber in deutlichem Widerspruch zu den Richtlinien der European Society of Cardiology und der European Association for Cardio-Thoracic Surgery, die beide insbesondere bei fortgeschrittener Herzerkrankung den Bypass als Gold-Standard ansehen, auch wenn die Herzoperation zunächst komplexer erscheinen als die Stent-Einpflanzung."

Die aktuelle SYNTAX-Studie, so Prof. Beyersdorf, zeigt dass gestentete Gefäße eine höhere Wiedereingriffs-Rate aufweisen und in manchen Patientengruppen eine ungünstigere Sterblichkeit im Vergleich zu Patienten nach Bypass-Versorgung vorliegt: "Hier ist dringend Aufklärung nötig - der ärztlichen Kollegen ebenso wie der Patienten, die oft nicht die Gelegenheit erhalten, vor der Entscheidung mit dem Herzchirurgen zu sprechen."

Aortenklappen-Ersatz: Neues Register evaluiert Langzeiteffekt der gängigen OP-Methoden

Ein zweiter kritischer Punkt ist der immer häufigere Einsatz der Katheter-gestützten Aortenklappen-Implantation. Einer Entwicklung, die für alte Patienten, die für eine konventionelle Operation ein zu hohes Risiko haben, einen Durchbruch darstellt. Prof. Beyersdorf: "Angewandt wird sie jedoch auch bei jungen, relativ gesunden für die herkömmliche OP-Technik sehr wohl geeigneten Patienten, obwohl wir noch keine Vergleichsdaten bezüglich Sterblichkeit und anderer Komplikationen haben."

Um solche zu gewinnen, wurde jüngst das Deutsche Aortenklappen-Register gegründet. Es sieht die verbindliche Meldung aller Aortenklappen-Operationen im Bundesgebiet mit genauer Anamnese und Angabe der Operationsmethode vor. Prof. Beyersdorf: "Nach jeweils einem, drei und fünf Jahren werden die Patienten nachbeobachtet und entsprechend langfristige Daten erhoben. So werden wir in naher Zukunft valide Daten für verantwortungsbewusste Entscheidung zur Verfügung haben."


*


Immer weniger Deutsche sterben an einem Herzinfarkt

Immer weniger Menschen sterben in Deutschland an einem Herzinfarkt. "Die Zahl der Herzinfarkt-Toten ist seit dem Jahr 2000 insgesamt um 10.507 Todesfälle oder 15,4 Prozent gesunken", bilanziert "Herzbericht"-Autor Dr. Ernst Bruckenberger bei der Präsentation der neuen Daten auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Arrhythmie in Nürnberg. "Bei den Männern waren es 5.899 Todesfälle weniger, das sind minus 16,2 Prozent, bei den Frauen waren es 4.608 Todesfälle beziehungsweise 14,4 Prozent weniger. Dabei hat die Sterbeziffer bei Männern und Frauen in allen Altersgruppen abgenommen, am stärksten in der Gruppe der 70- bis 80-Jährigen."

Diese sehr positiven Ergebnisse, die durch die beeindruckenden Fortschritte der kardiologischen Diagnostik und Behandlung zu tun haben, haben ihren Preis. Von 2002 bis 2008 stiegen in Deutschland die Krankheitskosten für Herzkrankheiten insgesamt um 35.512 Milliarden Euro an, das bedeutet ein Plus von 16,2 Prozent. Demgegenüber betrug die Zuwachsrate der Kosten für den akuten Herzinfarkt bei den Männern 82,3 Prozent und bei den Frauen 62,2 Prozent.

Prof. Michael Böhm, Präsident der DGK, weist darauf hin, "dass das gute Ergebnis auch auf die Zunahme der Katheter-Einrichtungen zurückzuführen ist. Diese verbessern vorwiegend die mangelnden Kapazitäten in den neuen Bundesländern. Entsprechend der dokumentierten Zahlen wird die Auslastung der Katheterplätze zunehmend auch durch elektrophysiologische Ablationsleistungen erfüllt, von denen Patienten mit Vorhofflimmern profitieren."

Raute

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit heute rund 7500 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste kardiologische Gesellschaft in Europa.

Weitere Informationen unter:
www.dgk.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution737


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Christiane Limberg
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2010