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SCHMERZ/474: Einsatz von Schmerzmitteln in Deutschland beruht nicht auf gefälschten Studien (idw)


Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) - 30.03.2009

Stellungnahme deutscher Schmerzforscher zum Fall "Scott Reuben"

Einsatz von Schmerzmitteln in Deutschland beruht nicht auf gefälschten Studien


Mit Betroffenheit reagieren deutsche Schmerzforscher auf den Fall Scott Reuben, der in den USA vermutlich mindestens 21 Studien zum Schmerzmitteleinsatz gefälscht hat. Der Einsatz der betroffenen Substanzen in Deutschland beruht jedoch nicht oder nicht nur auf seinen Arbeiten. Schmerzspezialisten der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) appellieren an den Anstand der Wissenschaftler und fordern die Verbesserung der sog. peer-review-Verfahren zur Begutachtung wissenschaftlicher Arbeiten für Fachjournale.

"Integres wissenschaftliches Arbeiten hat nicht nur etwas damit zu tun, wie unabhängig man (finanziell) von der Pharmaindustrie ist, sondern wie ernst und ehrlich man mit dem Design und den Ergebnissen seiner Studien umgeht", sagte Prof. Dr. Esther Pogatzki-Zahn von der DGSS-Kommission für Forschungsfragen.


21 Studien gefälscht

Der amerikanische Anästhesist Scott Reuben hat vermutlich mindestens 21 seiner insgesamt 72 publizierten Studien im Laufe der letzten 13 Jahre gefälscht. Laut US-amerikanischen Medien hat Reuben die Ergebnisse dieser Studien gefälscht bzw. einige dieser Studien gar nicht durchgeführt und die Ergebnisse komplett erfunden. Hochrangige anästhesiologische Journals wie z.B. Anesthesiology und Anesthesia & Analgesia haben die Daten als Originalarbeiten veröffentlicht. Alle diese Studien beschäftigten sich mit Therapiemöglichkeiten in der Schmerztherapie nach Operationen.


Einsatz von Schmerzmitteln in Deutschland beruht nicht auf gefälschten Daten

In Deutschland wird der Einsatz von COX-2 Hemmern zur Schmerztherapie während Operationen in vielen Kliniken bereits praktiziert; ihr Einsatz beruht aber nicht oder nicht alleine auf den durch Reuben publizierten Daten. "Allerdings sind neue Studien zwingend erforderlich, um das Sicherheitsprofil der Substanzen beim Einsatz während Operationen festzustellen", so Prof. Pogatzki-Zahn. "Insbesondere ist von Bedeutung, dass eine Studie von Herrn Reuben keine Beeinträchtigung der Knochenheilung durch den kurzfristigen Einsatz von COX-2 Hemmern nach Operationen nachweist, während eine von anderen Autoren durchgeführte klinische Studie - allerdings bei deutlich längerer Therapiedauer - Knochenheilungsstörungen zeigt. Eine multimodale Therapie mit einem COX-2 Hemmer plus einer Substanz wie z.B. Gabapentin/Pregabalin, das in neuen Studien von Herrn Reuben propagiert wurde, muss ebenfalls neu geprüft werden, da es fast ausschließlich auf Studien von Herrn Reuben gründet und daher zur Zeit nicht empfohlen werden kann."


Falsche Behauptungen: wird das Kind mit dem Bad ausgeschüttet?

Die Schmerzspezialisten weisen außerdem darauf hin, dass die in der Boulevardpresse geäußerte Behauptung, die Studien hätten zur Zulassung von Substanzen wie Pregabalin für Nervenschmerzen geführt, falsch ist. Zwanzig der 21 zurückgezogenen Studien wurden an orthopädischen Patienten "durchgeführt". Zum Einsatz kam in ca. einem Viertel dieser Studien der Wirkstoff Celecoxib, in jeweils einer Studie Rofecoxib, Valdecoxib oder Parecoxib und in drei der Studien ein COX-2 Hemmer in Kombination mit einer weiteren Substanz (z.B. Paracetamol oder Pregabalin). Die übrigen Studien beschäftigten sich primär mit lokalanästhetischen Verfahren sowie eine Studie mit Oxycodon während Operationen.


Ansprechpartnerin

Prof. Dr. Esther Pogatzki-Zahn
DGSS-Kommission für Forschungsfragen
Abteilung f. Anästhesiologie u. operative Intensivmedizin der Uni-Klinik Münster
Albert-Schweitzer-Str. 33, 48149 Münster
e-Mail: pogatzki@anit.uni-muenster.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution618


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS)
Meike Drießen, 30.03.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2009