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DR. BALL/1290: Unzufriedenheit mit deutschem Gesundheitswesen (SB)


Unzufriedenheit mit deutschem Gesundheitswesen


Das bundesdeutsche Gesundheitswesen, das vor gar nicht langer Zeit international als vorbildlich galt, ist mittlerweile insbesondere wegen hoher Kosten, anhaltendem Leistungsabbau und der Verabschiedung von der Idee der sozialen Gerechtigkeit gekennzeichnet. Während die Große Koalition mit ihrer Gesundheitspolitik die Umwandlung des Gesundheitswesens in ein Netz privatwirtschaftlicher Unternehmen vorantreibt, sieht sich eine wachsende Zahl an Bundesbürgern von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen oder zumindest vernachlässigt. Denn längst ist offenkundig geworden, daß nicht der Mensch im Mittelpunkt solcher Dienstleistungsbetriebe steht, sondern ein möglichst günstiges ökonomisches Abschneiden. So hat das Abrechnungssystem der Diagnosis Related Groups (DRG) den einzelnen zum Fall reduziert, für den das Krankenhaus eine bestimmte Pauschale kassiert. In der Folge haben sich die Liege- und Aufenthaltszeiten in den profitorientierten Kliniken drastisch verkürzt, während Einsparungen beim Personal zwar die Kassen der Betreiber gefüllt, Pflege und Betreuung jedoch auf rudimentäre Reste zurückgeschraubt haben.

Da kann die wachsende Unzufriedenheit der Bundesbürger nicht überraschen. Wie der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) in Wiesbaden auf seinem Gesundheitsportal "Internisten im Netz" berichtet, beklagen 41 Prozent der Deutschen eine Verschlechterung der Gesundheitsversorgung, in manchen Bundesländern sind es sogar mehr als 50 Prozent. Der BDI beruft sich bei seinem Bericht auf eine Befragung, die die Wirtschaftsberatung Ernst & Young durchgeführt hat.

Neben Altbekanntem - so kritisierten 52 Prozent der gesetzlich Krankenversicherten, daß sie bei der Wartezeit deutlich benachteiligt werden, während 70 Prozent der Privatversicherten zufrieden waren - zeigte die Studie ein relativ schlechtes Ansehen hochtechnisierter Universitätskliniken. Nur 70 Prozent der Befragten vertrauten den Ärzten dieser Häuser. Demgegenüber sprachen 93 Prozent ihrem Hausarzt das Vertrauen aus. Während die schwarz-rote Koalition die hochspezialisierten Leistungszentren der Großstädte bevorzugt - was bereits zu einem Kliniksterben geführt hat, von dem insbesondere kleine und ländliche Häuser betroffen sind -, schwindet bei den Bundesbürgern die Zufriedenheit mit deren Leistungen.

Dabei haben die deutschen Krankenhäuser den gesetzlichen Auftrag, die Gesundheitsversorgung der Bundesbürger zu gewährleisten. Das mag manchem Manager der Krankenhausbetreiber wie Asklepios nicht behagen, doch das Gesundheitswesen ist primär weder für sie noch für Ärzte oder Klinikpersonal da, sondern für in Not geratene Menschen, die Hilfe bedürfen. Auch wenn es heute naiv klingen mag, sollte ein Gesundheitswesen nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten ausgerichtet sein, sondern jedem Bundesbürger, egal ob reich oder arm, ob er viel oder wenig zu dessen Finanzierung beigetragen hat, einen Zugriff auf sämtliche Leistungen in vollem Umfang gewährleisten. Daß in Zeiten wie heute, in denen sich die Privilegierten im Aufwind empfinden, eine solche Forderung auf vehementen Widerstand stößt, verwundert nicht, sollte aber auch niemanden davon abhalten, sich dafür einzusetzen.

19. März 2009