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NEBENWIRKUNG/294: Warum Beta-Blocker Hautentzündungen verursachen (idw)


Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn - 31.10.2019

Warum Beta-Blocker Hautentzündungen verursachen


Beta-Blocker werden häufig gegen Bluthochdruck und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt. Bei manchen Patienten können sie jedoch eine entzündliche Schuppenflechte auslösen oder verstärken. Wissenschaftler der Universität Bonn und der Freien Universität Berlin haben nun eine mögliche Ursache dafür gefunden. Ihre Ergebnisse sind heute in der renommierten Fachzeitschrift "Autophagy" erschienen.

Dass Beta-Blocker schwere Hautentzündungen verursachen können, ist schon lange bekannt. Die Ursache für dieses Phänomen war allerdings bislang weitgehend unbekannt. Die aktuelle Studie bringt jedoch Licht ins Dunkel: Demnach können Beta-Blocker augenscheinlich den Abbau defekter Zellbestandteile stören. Im Gegenzug setzen die Zellen dann Botenstoffe frei, die immunvermittelte entzündliche Reaktionen auslösen.

In diese Richtungen deuten zumindest Experimente mit Zellkulturen. Die Wissenschaftler hatten dabei einen Wirkstoff namens Propranolol unter die Lupe genommen. Unabhängig vom eigentlichen Wirkmechanismus, der Blockade von Betarezeptoren, verdankt er seine entzündungsfördernden Nebenwirkungen vermutlich der Kombination zweier Eigenschaften: "Propranolol ist fettlöslich und zugleich leicht alkalisch", erklärt Prof. Dr. Günther Weindl vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn.

"Gelber Sack" in der Zelle

Dank seiner Fettlöslichkeit kann der Wirkstoff Biomembranen durchqueren - das sind dünne fettähnliche Häutchen, die Zellen und manche ihrer Bestandteile umschließen. Der zweite Punkt sorgt dagegen dafür, dass Propranolol sich in saurer Umgebung positiv auflädt. In diesem Zustand kann die Substanz dann nicht mehr durch die Membran zurück.

Problematisch wird diese Kombination bei einem Vorgang, den Experten Autophagie nennen. Dabei nutzen Zellen Bläschen aus Biomembranen als eine Art "Gelben Sack", in dem sie defekte Proteine und andere Zellbestandteile verpacken. Der Sack verschmilzt dann später mit einem zweiten Membran-Beutel, dem Lysosom. Dieses enthält zersetzende Enzyme, die den Inhalt des gelben Sacks zerlegen und die einzelnen Bausteine wieder in die Zelle abgeben - ein perfektes Recycling.

Die Flüssigkeit im Lysosom ist leicht sauer, denn nur in diesem Milieu können die Enzyme ihre Arbeit verrichten. Wenn daher ein Propranolol-Molekül per Zufall seinen Weg durch die Membran in den Beutel findet, wird es positiv geladen und sitzt in der Falle. Mit der Zeit sorgt dieser Effekt dafür, dass sich immer mehr Propranolol im Lysosom anhäuft. "Und dieser Prozess stört augenscheinlich die Autophagie", sagt Weindl. "Das wiederum verändert eine Reihe von Prozessen in der Zelle. Als ein Resultat schüttet sie unter anderem Entzündungsbotenstoffe aus, vor allem das so genannte Interleukin-23, das hauptsächlich von Immunzellen abgesondert wird. Folge davon sind die beobachteten Hautprobleme."

Nicht alle Beta-Blocker sind problematisch

Wie diese Prozesse auf molekularer Ebene genau zusammenhängen, wollen die Forscher nun weiter untersuchen. Schon jetzt deuten ihre Ergebnisse aber darauf hin, dass die entzündlichen Effekte vor allem bei fettlöslichen Beta-Blockern auftreten. Tatsächlich gibt es in dieser Wirkstoffgruppe auch Substanzen, die weniger gut membrangängig sind. "Wir haben sie in unseren Zellkulturen getestet", betont der Pharmakologe. "Die Interleukin-23-Ausschüttung war bei ihnen deutlich geringer als nach Propranolol-Gabe."

Diese Ergebnisse müssen aber noch bei lebenden Organismen verifiziert werden. Dass eine gestörte Autophagie schwere Erkrankungen auslösen kann, ist dagegen schon seit längerem bekannt. Darunter sind etwa Demenz, entzündliche Darmerkrankungen und Diabetes.

Originalpublikation:
Gerrit Müller, Charlotte Lübow und Günther Weindl: Lysosomotropic beta blockers induce oxidative stress and IL23A production in Langerhans cells. Autophagy
DOI: 10.1080/15548627.2019.1686728

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn - 31.10.2019
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2019

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