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THERAPIE/256: Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall durch Statine (DGE)


Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) - 5. März 2019

Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall durch Statine

Cholesterin senken ist auch im höheren Alter sinnvoll


Mainz - Auch Menschen über 75 Jahre profitieren von der Einnahme eines Cholesterin-Senkers und schützen sich damit vor Herzinfarkt und Schlaganfall. Dies zeigt eine aktuell im Fachmagazin Lancet (2019; 393: 407-15) veröffentlichte Meta-Analyse klinischer Studien zur Statin-Gabe. Da die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Alter steigt, könnte der Nutzen sogar höher sein als bei jüngeren Menschen, insbesondere dann, wenn schon arteriosklerotische Folgeerkrankungen oder ein Diabetes bestehen, meinen Experten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Die Medikamente werden bislang vorwiegend jüngeren Patienten verordnet, da sie erst nach mehreren Jahren ihre Wirkung zeigen.

Cholesterin ist für den menschlichen Körper ein lebenswichtiger Baustein. Zu viel Cholesterin im Blut führt zu Ablagerungen und damit Verengungen in den Gefäßen. Diese können den Blutfluss unterbrechen und so einen Schlaganfall oder Herzinfarkt auslösen. "Die sogenannte Atherosklerose ist die wichtigste Ursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hirn- und Herzinfarkt führen im Alter auch häufiger zum Tod als bei jüngeren Menschen", sagt Professor Dr. med. Dr. h. c. Helmut Schatz, Bochum, der Mitglied im Vorstand der DGE ist.

Um erhöhte Cholesterinwerte zu senken, steht seit den 1980er Jahren eine Gruppe gut verträglicher und preisgünstiger Medikamenten zur Verfügung. Die als Statine bezeichneten Cholesterinsenker haben sich bei jüngeren Menschen bewährt. Bei älteren Patienten sind viele Ärzte bezüglich einer Verordnung bislang zurückhaltend. Professor Schatz merkt an: "Viele Ärzte sind der Auffassung, dass sich die Behandlung bei hochbetagten Menschen - wegen der einzuplanenden Zeit bis zur einsetzenden Wirkung - nicht mehr lohne." Doch immer mehr Menschen seien im Alter von 75 Jahren körperlich noch gesund und biologisch betrachtet jünger. "Klinische Studien haben gezeigt, dass die schützende Wirkung schon nach wenigen Jahren auftritt", sagt der Endokrinologe. Insofern könnte auch diese Gruppe von der Medikamenteneinnahme profitieren, fasst er zusammen.

Dass sich die Einnahme von Statinen für ältere Menschen lohnen kann, zeigen auch die Ergebnisse einer Meta-Analyse von 28 früheren klinischen Studien, die Forscher der Oxford Universität kürzlich im Lancet veröffentlicht haben. Von den 186 854 Teilnehmern waren 14 483 älter als 75 Jahre. "Die Behandlung mit einem Statin über etwa fünf Jahre Dauer senkte auch in dieser Gruppe die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfällen deutlich", berichtet Schatz. Der Effekt sei zwar etwas geringer als bei jüngeren Menschen. Weil jedoch die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit dem Alter ansteigt, könnte nach Einschätzung des Experten absolut gesehen dennoch eine größere Anzahl kardiovaskulärer Ereignisse verhindert werden.

Auch Menschen mit weiteren Grunderkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus Typ 2, von dem jeder vierte über 80-Jährige in Deutschland betroffen ist, können von Statinen profitieren. "Menschen mit erhöhtem Blutzucker haben ein besonders hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse, das durch Statine gesenkt werden kann", berichtet Professor Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE. Er verweist auf eine im letzten Jahr im britischen Ärzteblatt (BMJ 2018; 362: k3359) veröffentlichte Auswertung von Krankenversicherungsdaten aus Katalonien. "Eine Behandlung mit Statinen senkte bei 75- bis 85-jährigen Menschen mit Diabetes das Herz-Kreislauf-Risiko um fast ein Viertel und das Sterberisiko um 16 Prozent", sagt Weber, Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Insbesondere für ältere Menschen mit Diabetes mellitus oder bereits bestehenden Folgeerkrankungen durch Gefäßverkalkung wie Verschlusserkrankungen der Beingefäße, Schlaganfälle oder Herzinfarkte kann die Einnahme von Statinen sehr wichtig und sinnvoll sein", fasst der DGE-Mediensprecher diese Veröffentlichungen zusammen.

Professor Schatz rät deshalb den Ärzten, mit ihren älteren Patienten über ihre individuelle Krankheitssituation und den möglichen Nutzen zu reden und am Ende zu einer gemeinsamen Entscheidung ("shared decision") zu kommen. "Die Option einer medikamentösen Cholesterinsenkung sollte man in jedem Fall individuell prüfen", betont auch Weber. Erhöhte Cholesterinwerte verursachen, wie meist auch ein erhöhter Blutdruck, keine Beschwerden - und damit auch keinen Leidensdruck bei den Betroffenen. Daher ist eine genaue Aufklärung über den individuellen Nutzen und mögliche Nebenwirkungen insbesondere bei der Primärprävention - also wenn noch keine arteriosklerotischen Folgeerkrankungen aufgetreten sind - wichtig. Eine Behandlung sei jedoch nur dann wirksam, wenn nicht nur der Arzt, sondern auch der Patient von ihrem Nutzen überzeugt ist und er die Tabletten auch einnimmt, gibt Weber zu bedenken.


Literatur:

Ramos R. et al. Statins for primary prevention of cardiovascular events and mortality in old and very old adults with and without type 2 diabetes: retrospective cohort study. BMJ 2018; 362: k3359.
https://www.bmj.com/content/362/bmj.k3359

Armitage J. Efficacy and safety of statin therapy in older people: a meta-analysis of individual participant data from 28 randomised controlled trials. Lancet 2019; 393: 407-15.

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(18)31942-1/fulltext

Schatz, H. Statine auch bei älteren Menschen über 75 Jahre von CV Nutzen. Neueste Metaanalyse der Cholesterol Treatment Trialists' Collaboration. Blog-Beitrag. 20.02.2019.
https://blog.endokrinologie.net/statine-bei-aelteren-menschen-von-nutzen-4032/

Weitere Informationen

Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, "endokrin" ausgeschüttet, das heißt nach "innen" in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben "exokrine" Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach "außen" ab.

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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Pressemitteilung vom 5. März 2019
Postfach 30 11 20
70451 Stuttgart
Telefon: 0711 8931-380, Fax: 0711 8931-167
Internet: www.endokrinologie.net ; www.hormongesteuert.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2019

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