Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 31.08.2018
Wider dem ständigen Hunger
Ein pflanzlicher Wirkstoff aus der chinesischen Medizin zeigt vielversprechende Ergebnisse bei der Gewichtsreduktion. Das berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München, Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD), im Fachmagazin 'Diabetes'. Sollte sich der Celastrol genannte Wirkstoff auch in klinischen Studien beweisen, wäre er eine neue Behandlungsoption gegen krankhaftes Übergewicht.
Mindestens fünf bis zehn Prozent weniger Gewicht im Jahr - das empfiehlt die Leitlinie 'Prävention und Therapie der Adipositas' für Menschen mit krankhaftem Übergewicht je nach Body-Mass-Index. Doch trotz zahlreicher Diät- und Lifestyle-Angebote erreichen nur wenige dieses Ziel. "Dabei wäre das Unterschreiten dieser 'magischen Grenze' so wichtig, führt es doch zu einer Verbesserung des Stoffwechsels und metabolischen Begleiterkrankungen wie beispielsweise Typ-2-Diabetes", erklärt Dr. Paul Pfluger, Letztautor und Leiter der aktuellen Studie.
Ihm und seinem Team der Abteilung Neurobiologie des Diabetes am Helmholtz Zentrum München ist es nun gelungen, einen Beitrag zur Entwicklung neuer Anti-Adipositas-Medikamente zu leisten. Sie konnten zeigen, dass der in der chinesischen Medizin verwendete pflanzliche Wirkstoff Celastrol zu einem deutlichen Gewichtsverlust und zu einer Verbesserung des Diabetes bei fettleibigen Mäusen führt.
Die Münchner Forscher konnten nachweisen, dass Celastrol spezifisch Sättigungszentren im Gehirn aktiviert, die bei der Steuerung des Körpergewichtes eine zentrale Rolle spielen. Katrin Pfuhlmann, Doktorandin und Erstautorin der Studie, beschreibt die Wirkung wie folgt: "Celastrol reaktiviert die körpereigenen Mechanismen zur Gewichtssteuerung, die bei Fettleibigkeit sonst aussetzen. Normalerweise verlieren die Betroffenen ihr Sättigungsgefühl, da das entsprechende Hormon Leptin nicht mehr wirkt. Der von uns untersuchte Wirkstoff Celastrol stellt die Leptin-Sensitivität und damit die Sättigung wieder her."
Tatsächlich beobachteten die Forscher ein deutlich verändertes Essverhalten bei den übergewichtigen Tieren. "Die Gabe von Celastrol führte im Mausmodell zu einer deutlich geringeren Nahrungsaufnahme", berichtet Paul Pfluger. "Entsprechend konnten wir binnen einer Woche einen durchschnittlichen Verlust von rund zehn Prozent Körpergewicht feststellen."
Inwiefern sich die Befunde auch beim Menschen bestätigen lassen, sei noch unklar, so die Autoren. Studienleiter Pfluger ist aber zuversichtlich: "Das Sättigungshormon Leptin wirkt im Menschen und der Maus nahezu identisch, Celastrol hat also großes Potential." Die zum Abnehmen notwendige Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und Lebensumstände werde Celastrol zwar nicht ersetzen, es könne aber den Patienten bei seinen Bemühungen um eine nachhaltige Gewichtsreduzierung unterstützen. "Derzeit laufen in den USA klinische Studien dazu, auf erste Daten daraus sind wir sehr gespannt", so Pfluger abschließend.
Hintergrund:
Die Arbeit bestätigt damit eine Studie aus dem Jahr 2015 und gibt
Einblicke in die Wirkweise von Celastrol: Den Mechanismus über Leptin
konnten die Wissenschaftler demonstrieren, indem sie Mäuse ohne
Leptin-Rezeptor beobachtete, hier zeigte Celastrol keine Wirkung mehr. Zudem
konnten die Forscher in der Arbeit einen weiteren möglichen
Wirkmechanismus über das uncoupling protein 1 (UCP1) ausschließen.
Leptin ist ein vom Fettgewebe gebildetes Hormon, das über eine Aktivierung der Leptin-Rezeptoren im Gehirn ein Sättigungsgefühl auslöst. In adipösen Mäusen und Menschen ist Leptin zwar in hoher Konzentration im Blut vorhanden, kann aber die Rezeptoren aufgrund einer Resistenz nicht aktivieren. Letztendlich führt dies zur fehlenden Kontrolle der Nahrungsaufnahme, mit den bekannten Folgen wie Adipositas und Typ-2-Diabetes.
Der Wirkstoff Celastrol entstammt Wilfords Dreiflügelfrucht, einem Vertreter der Spindelbaumgewächse aus Südchina. Bisher fiel die Substanz vor allem durch antientzündliche Wirkung auf.
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus, Allergien und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht
es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der
Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das
Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist
Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18
naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000
Beschäftigten angehören.
www.helmholtz-muenchen.de
Die Abteilung NeuroBiologie des Diabetes (NBD) am Helmholtz Zentrum
München beschäftigt sich mit der Rolle des Zentralnervensystems (ZNS) in
der Entstehung der Adipositas und des Typ 2 Diabetes. Die Abteilung NBD,
assoziiert mit dem IDO und Mitglied des HDC und DZD, erforscht hierbei die
molekularen Grundlagen der Leptin Resistenz und des Jo-Jo-Effekts sowie
unserer physiologischen Adaptationsmechanismen als Antwort auf
Veränderungen der Umwelt.
www.helmholtz-muenchen.de/nbd
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. ist eines der sechs
Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem
Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung,
Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur
erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des
Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz
Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt,
das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für
Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für
Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum
München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das
Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner
an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München
sowie weitere Projektpartner.
www.dzd-ev.de
Originalpublikation:
Pfuhlmann, K. et al. (2018): Celastrol induced weight loss is driven by
hypophagia and independent from UCP1. Diabetes,
DOI: 10.2337/db18-0146
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.helmholtz-muenchen.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 31.08.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 5. September 2018
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