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FORSCHUNG/594: Wirkstoffe gegen Krebs und Malaria aus afrikanischen Pflanzen (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 16.06.2010

Pflanzliche Wirkstoffe gegen Krebs und Malaria


Afrikanische Pflanzen aus der Familie der Affodill-Gewächse enthalten interessante Naturstoffe: Einige davon wirken im Laborversuch gegen Malaria-Erreger und Tumorzellen. Professor Gerhard Bringmann von der Universität Würzburg erforscht diese Naturstoffe; er kooperiert dabei mit den Universitäten Johannesburg (Südafrika) und Nairobi (Kenia).

Das afrikanisch-deutsche Forschungsteam hat aus den Pflanzen mehrere potenzielle Wirkstoffe gegen Tumoren und den Malaria-Erreger isoliert und ihre chemischen Strukturen aufgeklärt. Die medizinisch interessanten Stoffe heißen Phenylanthrachinone. Sie kommen zum Beispiel in der Fackellilie (Kniphofia) vor oder in der Bulbine. Beide Pflanzen sind in Afrika heimisch und in Südafrika weit verbreitet. Zuchtformen der Fackellilie gedeihen als Zierpflanzen auch in deutschen Gärten.

Gerhard Bringmann: "Phenylanthrachinone sind eine ganz ungewöhnliche Klasse von Naturstoffen: Die Moleküle bestehen aus zwei Teilen, die über eine Achse miteinander verbunden sind." Die Achse kann sich nicht frei drehen, und darum treten die Moleküle in verschiedenen spiegelbildlichen Formen auf, die unterschiedliche Wirkungen haben können.

Aktiv gegen Leukämie und Malaria

Alle Phenylanthrachinone besitzen ein bestimmtes Bauelement, das auch in anderen Anti-Tumor-Wirkstoffen vorkommt. Die Vermutung lag also nahe, dass die Phenylanthrachinone gegen Krebszellen aktiv sein müssten.

"In Labortests zeigten die Stoffe, etwa das Knipholon, zum Teil ganz exzellente Wirkungen gegen bestimmte Leukämiezellen", so Bringmann. Der Effekt sei durchaus vergleichbar mit dem von Etoposid, einer Substanz, die in der Krebstherapie etabliert ist.

Aufgefallen sind einige der Naturstoffe bei Testreihen im Labor auch dadurch, dass sie gegen den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum wirken. Dieser einzellige Parasit befällt im Organismus des Menschen unter anderem die roten Blutkörperchen.

Strukturen aufgeklärt, Synthesen realisiert

Entdeckt wurden die medizinisch interessanten Wirkungen der Phenylanthrachinone im Würzburger Sonderforschungsbereich 630. Dieser hat sich die Erkennung, Gewinnung und funktionale Analyse von Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten zum Ziel gesetzt; Gerhard Bringmann ist sein Sprecher.

Die Würzburger Naturstoffchemiker haben sich in den vergangenen Jahren intensiv damit beschäftigt, die genaue dreidimensionale Struktur der Phenylanthrachinone aufzuklären und sie synthetisch herzustellen. Ein Höhepunkt dieser Arbeiten war die Entdeckung so genannter dimerer Vertreter: In diesem Fall lagern sich zwei Moleküle aneinander. Stolz verweist Bringmann zudem auf die erstmalige Laborsynthese einer ganzen Serie von Knipholon-ähnlichen Wirkstoffen.

"Durch unsere Arbeiten ist die Zahl der bekannten Phenylanthrachinone von fünf auf über 20 gestiegen", sagt der Würzburger Professor. Doch immer noch seien die Inhaltsstoffe vieler Kniphofia- und Bulbine-Arten gar nicht oder unzureichend erforscht. Das zu ändern, ist ein zentraler Ansatzpunkt des Dreiecksprojektes Johannesburg - Nairobi - Würzburg.

Spezialgebiete der afrikanischen Partner

Die südafrikanischen Partner um Professor Ben-Erik Van Wyk in Johannesburg beschäftigen sich mit der botanischen Verwandtschaft und der taxonomischen Einordnung der Pflanzen - sie gelten auf diesem Gebiet als die Weltexperten schlechthin. Der wechselseitige Austausch mit den Südafrikanern steht noch am Anfang.

Gegenseitige Gastbesuche mit den kenianischen Partnern aus der Gruppe von Professor Abiy Yenesew sind seit längerem etabliert. Die Gruppe will das Wissen aus der traditionellen Volksmedizin und Ergebnisse der pflanzenchemischen Forschung zusammenführen und damit einen Beitrag zur pharmazeutischen Erschließung afrikanischer Heilpflanzen leisten.

Fast 100 Pflanzenarten haben die kenianischen Forscher bislang zusammengetragen und botanisch charakterisiert. Etwa 25 davon haben sie in einem gemeinsamen Projekt, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), in den Laboratorien in Nairobi und in Würzburg pflanzenchemischen Analysen unterworfen. Dabei wurden unter anderem neue Phenylanthrachinone aus Kniphofia- und Bulbine-Arten entdeckt und strukturell aufgeklärt.

Riesenmolekül mit spannenden Eigenschaften

"Noch lange sind nicht alle Schätze gehoben, die die Affodill-Gewächse für uns parat halten", sagt Gerhard Bringmann. Laufende Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Pflanzen gleich vier Phenylanthrachinon-Moleküle quasi zu einem "Riesenmolekül" zusammenbauen können. Dieses sei besonders spannend. Wegen seiner speziellen räumlichen Struktur kann es möglicherweise mit Enzymen oder der Erbsubstanz DNA in Wechselwirkung treten - eine günstige Eigenschaft für potenzielle medizinische Anwendungen.

Weiter Weg zu neuen Medikamenten

Der Weg hin zur Entwicklung neuer Medikamente allerdings ist weit und schwierig, zeitaufwändig und kostenintensiv. "Noch ist nicht absehbar, ob die Phenylanthrachinone den Sprung in die pharmazeutische Entwicklung und letztendlich in die klinische Prüfung schaffen werden", so Bringmann.

Dennoch will der Dreiecksverbund Johannesburg - Nairobi - Würzburg weitere potenzielle Arzneistoff-Kandidaten identifizieren. Solche Kooperationsprojekte sind wichtig: Seit Jahren stagniert laut Bringmann die Zahl der neu zugelassenen Medikamente, obwohl der Bedarf an neuen Wirkstoffen und Therapiekonzepten enorm hoch ist. Alleine an Malaria und Krebs sterben jährlich Millionen von Menschen.


Kontakt
Prof. Dr. Gerhard Bringmann
Institut für Organische Chemie der
Universität Würzburg
bringman@chemie.uni-wuerzburg.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image118256
Aus diesen Pflanzen stammen Naturstoffe (Phenylanthrachinone), die gegen Tumorzellen und den Malaria-Erreger wirken: Oben Bulbine frutescens auf einer südafrikanischen Briefmarke und in der Nahaufnahme, unten eine Fackellilie (Kniphofia spec.) im Botanischen Garten der Universität Würzburg und eine Kniphofia-Blüte in der Nahansicht.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 16.06.2010
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2010