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PFLEGE/666: Welt-Alzheimertag 2015 - Neue Pflegeausbildung gefährdet die Pflege von Demenzkranken (DGGPP)


Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V. - 18. September 2015

Neue Pflegeausbildung gefährdet die Pflege von Demenzkranken

Welt-Alzheimertag 2015


Berlin - Deutschland hat mit dem Altenpflegeberuf schon vor Jahren einen Beruf geschaffen, der aufgrund seiner speziellen Ausbildungsinhalte hervorragend auf die Pflege von Älteren, besonders auch demenzkranker Menschen, abgestimmt ist und inzwischen weltweit von Fachleuten als vorbildlich angesehen wird. Jetzt soll der Altenpflegeberuf und mit ihm die Gesundheits- und Krankenpflege sowie die Kinderkrankenpflege nach dem Willen von Bund und Ländern abgeschafft und zu einem Beruf zusammengelegt werden. Die Politik hofft so, u.a. den Pflegeberuf attraktiver zu machen und mehr Fachpersonal zu gewinnen.

Einen Beleg für diese Hoffnung gibt es nicht. Durch gemeinsame Aktionen ist es in den letzten Jahren gelungen, die Attraktivität des Altenpflegeberufes zu steigern und mehr Auszubildende zu gewinnen. Allein in Nordrhein-Westfalen wird sich die Zahl der Altenpflegeschüler von 2012 bis 2016 auf etwa 17.300 fast verdoppeln. Kritiker befürchten jetzt, dass wegen der neuen Ausbildung weniger Auszubildende in die Altenpflege kommen und so den schon jetzt bestehenden großen Personalmangel bei den Heimen und ambulanten Diensten weiter verschärfen werden.

Bislang existierten keine genauen Zahlen zur Auswirkung der sogenannten "generalistischen Ausbildung" auf die jetzt und in Zukunft noch mehr benötigten Altenpflegespezialisten. Die Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V. (DGGPP) hat mit Unterstützung der Schulen jetzt die bislang größte Befragung von rund 8.000 Altenpflegeschülern durchgeführt und zum Welt-Alzheimertag erste Ergebnisse veröffentlicht.

"Wer sich für Altenpflege und die Altenpflegeausbildung entscheidet, macht das sehr überlegt. 93% der Befragten geben an, dass sie sich ganz bewusst für die Arbeit mit den alten Menschen entschieden haben. Eine Zahl, die wir in dieser Deutlichkeit nicht erwartet hatten", so Prof. Hans Gutzmann, Präsident der DGGPP.

Auf die Frage, ob die Schüler auch unter den Bedingungen der generalistischen Ausbildung mit großen praktischen und theoretischen Anteilen aus der Krankenpflege und Kinderkrankenpflege die Ausbildung machen würden, antwortete mehr als ein Drittel (37%) mit "Nein". "Diese Zahl lässt Schlimmes für die Pflege von älteren Menschen befürchten", so Prof. Gutzmann. "Schon heute fehlen zehntausende von Fachkräften in den Heimen und ambulanten Diensten. Zurzeit befinden sich rund 62.000 Schüler in der Ausbildung. Wenn mit Einführung der generalistischen Ausbildung hochgerechnet rund ein Drittel weniger eine Ausbildung beginnen will, d.h. etwa 20.000 Schüler fehlen, kann sich jeder ausmalen, was in den Heimen und ambulanten Diensten passiert."

Generalistisch ausgebildete Pflegekräfte können sich nach der Ausbildung entscheiden, ob sie in der Altenpflege arbeiten wollen oder in der meist besser bezahlten Krankenpflege.

"Von den heute in Ausbildung befindlichen AltenpflegeschülerInnen wollen dann 18% direkt in die Krankenpflege gehen, 44% wollen weiterhin in der Altenpflege arbeiten, der Rest (38%) ist noch unentschieden - ein weiterer Verlust für Heime und Pflegedienste", so Prof. Gutzmann.

"Die optimistische Annahme, dass die Zusammenlegung der Pflegeberufe zu mehr Interesse an und mehr Auszubildenden in der Altenpflege führt, wird durch die Untersuchung nicht gestützt - vielmehr scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Zur Bewältigung des demographischen Wandels, der mit einer dramatischen Zunahme von Demenzerkrankten einhergehen wird, brauchen wir beides - die speziellen sozialpflegerischen Kompetenzen der Altenpflege und die erprobte Fachkompetenz der Krankenpflege. Die Politik sollte überlegen, ob es angesichts der zu erwartenden Entwicklung sinnvoll und politisch klug ist, den Altenpflegeberuf abzuschaffen."


Hintergrund zur DGGPP

Die Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V. (DGGPP) besteht als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft seit 1992. Neben Ärzten und Psychologen sind auch Sozialarbeiter und Alten- und Krankenpfleger Mitglieder in der DGGPP.
Seit ihrer Gründung engagiert sich die DGGPP dafür, die medizinische und pflegerische Versorgung psychisch kranker Älterer und insbesondere Demenzkranker und ihrer Angehörigen zu verbessern.
Als medizinische Fachgesellschaft ist sie in vielen Projekten engagiert, u. a. in der Allianz für Menschen mit Demenz der Bundesregierung und der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen und bei der Entwicklung von Leitlinien.

Die Deutsche Akademie für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V. (DAGPP) bietet als Fortbildungseinrichtung der DGGPP Kurse für Ärzte und professionell Pflegende in Kliniken und in der Altenhilfe an. Ihre Referentinnen und Referenten sind sehr erfahrene GerontopsychiaterInnen, die durch ihre tägliche Arbeit mit psychisch kranken älteren Menschen in Kliniken und Heimen wissen, welche Probleme auftreten und wie sie medizinisch und pflegerisch gelöst werden können.

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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V.
Geschäftsstelle
Postfach 1366
51657 Wiehl
Telefon: 02262/797683, Fax: 02262/999 9916
E-Mail: GS@dggpp.de
Internet: www.dggpp.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. September 2015

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