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PFLEGE/796: Schwieriger Integrationsprozess für ausländische Pflegekräfte in Deutschland (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2019

Pflegepersonal
Schwierige Integration

von Dirk Schnack


Ausländische Pflegekräfte sind in Deutschland mit zahlreichen Problemen konfrontiert, manchmal auch mit Diskriminierung und Rassismus.

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INFO

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat Ende September in Mexiko eine Vereinbarung unterzeichnet, die einer Dachorganisation die Vermittlung von Pflegekräften aus Mexiko nach Deutschland erleichtern soll. Die Pflegeschulen in Mexiko haben laut Bundesgesundheitsministerium einen "hervorragenden Ruf" und bilden über Bedarf aus.
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Pflege in Deutschland ist längst international. Weil der hohe Bedarf schon seit einigen Jahren nicht allein mit deutschem Personal gedeckt werden kann, arbeiten derzeit rund 9.000 Pflegekräfte aus unterschiedlichen Ländern in Deutschland. Auf dem Gesundheitspflegekongress von Springer Pflege in Hamburg interessierten sich auch viele Pflegekräfte aus Schleswig-Holstein für die Frage, wie die Integration von ausländischem Personal in deutschen Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen gelingen kann. Fest steht: Fachlichkeit und Sprachkenntnisse allein sind keine Garanten für eine Integration. Beides aber hilft. Denn unzureichende Sprachkenntnisse werden von etablierten Pflegekräften zum Teil auch genutzt, um migrierte Pflegekräfte in der Außenseiterposition zu belassen.

Offen angesprochen wurde in Hamburg auch, dass migrierte Pflegekräfte in Deutschland zum Teil Rassismus erfahren. "Die Migranten nehmen einen Rechtsruck in Deutschland wahr. Dieses Thema muss man aufgreifen, man darf es nicht einfach laufen lassen", betonte Prof. Miriam Tariba Richter von der Hochschule für angewandte Wissenschaften. Dr. Minna-Kristiina Ruokonen-Engler von der Frankfurter Goethe-Universität antwortete auf die Frage, ob die von ihr für eine Studie interviewten migrierten Pflegekräfte von Rassismus berichten, mit: "Leider ja." Für Ruokonen-Engler ist das keine Überraschung, schließlich sei der Mikrokosmos Pflege ein Abbild der Gesamtgesellschaft. Sie forderte: "Rassismus und Diskriminierung in der Pflege muss benannt und ernst genommen werden." Wer Pflegekräfte integrieren wolle, müsse sich mit diesem Problem auseinandersetzen, so die Soziologin.

Ihre Studie mit Pflegekräften zeigt, wie fragil der Integrationsprozess in Deutschland noch ist. Diskriminierung findet auf mehreren Ebenen statt. Eine davon ist die Verallgemeinerung. "Die Spanier" oder "die Vietnamesen" beherrschten bestimmte Tätigkeiten nicht, die in der deutschen Ausbildung selbstverständlich seien, heißt es dann manchmal auf den Stationen. Tatsächlich haben Migranten mit einem Bachelor-Abschluss in der Pflege in ihrer Ausbildung andere Schwerpunkte erfahren, bevor sie nach Deutschland kommen. Daraus entsteht für sie ein Problem: Es werden Tätigkeiten erwartet, für die sie überqualifiziert sind und die in ihrer Heimat Hilfskräfte übernehmen. Die daraus entstehende Entwertung ihrer Qualifikation nehmen sie als Degradierung und Missachtung wahr, die Folge sind oft Frust und Resignation.

Damit migrierte Pflegekräfte und das deutsche Gesundheitssystem besser zueinander finden, sollten nach Ansicht von Ruokonen-Engler berufliche Kompetenzen formal und informell anerkannt werden, die Lern- und Aufstiegsorientierung der Migranten unterstützt und eine anerkennende und diskriminierungsfreie Arbeitsatmosphäre geschaffen werden.

Das deutsche System könnte aus Sicht Richters davon nicht nur wegen des steigenden Bedarfs profitieren. Sie bescheinigte migrierten Pflegekräften u. a. eine hohe Motivation und positives Denken, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, Fleiß, Wertschätzung des Alters und respektvollen Umgang sowie große Empathiefähigkeit. Neben diesen Potentialen bestehen aber Probleme wie zum Teil ein anderes Pflegeverständnis, die langwierige Anpassung an das neue Umfeld und oft auch Heimweh.

Um diese Probleme zu lindern, beschäftigen manche Kliniken inzwischen Integrationsbeauftragte. Eine von ihnen ist Alev Gürbalkan vom Asklepios Klinikum Harburg, die von einer umfangreichen und kontinuierlichen Begleitung berichtete, die bei der ersten Kontaktaufnahme per Skype beginne und nach der Einarbeitungsphase nicht ende. Gürbalkan sagte: "Integration ist ein langer, aber lohnender Prozess. Diese Zeit sollte man sich nehmen."


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201912/h19124a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Dezember 2019, Seite 19
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2020

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