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PFLEGE/479: Palliativmedizin - Lange Fahrstrecken erschweren die Versorgung auf dem Land (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2010

Palliativmedizin
Lange Fahrstrecken erschweren die Versorgung auf dem Land

Von Nathalie Klüver


Das Lübecker Symposium zur Palliativmedizin in den Ostsee-Anrainerstaaten zeigte Versorgungsprobleme in Nachbarstaaten, aber auch vor Ort auf.

"Der Bedarf an palliativmedizinischer Versorgung wird in den kommenden Jahren weiter steigen", sagt KVSH-Chefin Dr. Ingeborg Kreuz. Beim Ostsee-Anrainerstaaten-Symposium der Palliativmedizin in Lübeck führte sie dies am Beispiel des Flächenlandes Schleswig-Holstein aus: Während 2006 noch 750.000 Einwohner über 60 Jahre im nördlichsten Bundesland lebten, gehen Prognosen von einer Million über 60-Jährige im Jahr 2025 aus. "Und das bei Abnahme der Gesamtbevölkerung um 2,5 Prozent", warnte Kreuz.

Sie geht von einer 20 Prozent höheren Arbeitslast für die Primärversorger bei einem gleichzeitigen Rückgang der Beitragszahler aus: "Das wird deutlich höhere Kosten verursachen." Alarmierend sei der sich abzeichnende Mangel an Hausärzten. Mehr als jeder fünfte Hausarzt in Schleswig-Holstein ist älter als 60 Jahre: "Mehr als 900 Hausärzte gehen bei uns in den kommenden fünf Jahren in den Ruhestand" - mit gravierenden Folgen für die ärztliche Versorgung gerade im ländlichen Bereich und für die Palliativmedizin, so Kreuz: "Eine flächendeckende Versorgung mit Haus- und Fachärzten ist die Voraussetzung für eine funktionierende SAPV, die spezialisierte ambulante Palliativversorgung." Die ambulante Tätigkeit müsse attraktiver werden, forderte sie. Dazu gehöre eine verlässliche und angemessene Honorierung, keine Regressdrohungen, eine Stärkung der Allgemeinmedizin an den Universitäten und im Medizinstudium ein stärkerer Schwerpunkt auf das Fach Palliativmedizin. Da junge Kollegen verstärkt nach Festanstellungen suchten, müsse es mehr Anstellungsmöglichkeiten zum Beispiel über Zweigpraxen geben: "Das ist gleichzeitig eine gute Lösung, um eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten." Auch die Kommunen müssten sich stärker engagieren, beispielsweise, indem Bushaltestellen direkt vor Arztpraxen gebaut werden. Ein Problem sei es, die Allgemeinmediziner vor Ort für palliativmedizinische Fortbildungen zu begeistern, so Kreuz. Die Fortbildungen seien sehr zeitintensiv: "Es ist eine Herausforderung, das neben dem Praxisalltag zu meistern." Sie plädiert deshalb für ein konzentrierteres Angebot. Ein weiteres Problem seien die weiten Fahrwege. Kreuz kritisiert, dass in den Vergütungspauschalen die Fahrzeiten nicht genügend berücksichtigt sind.

Eine Kritik, der sich die Krankenschwester Carola Neugebohren und die Ärztin Isabel Kriegeskotten-Thiede anschließen. Sie sind im Palliativnetz Travebogen tätig, dessen Einsatzgebiet sich über die Landkreise Stormarn, Bad Segeberg und die Stadt Lübeck erstreckt. 19 Pflegekräfte und 18 Ärzte arbeiten in dem Netz. Die Zahl der betreuten Patienten ist von 131 im ersten Jahr auf 216 im Zeitraum von Januar bis Oktober 2010 gestiegen. "Diese wachsende Zahl stellt uns vor große Herausforderungen, denn die Zahl der Versorger wächst nicht im gleichen Maße", so Kriegeskotten-Thiede. Die meisten Patienten seien zwischen 61 und 70 Jahre alt.

Ein Problem, vor dem die Betreuer vom Travebogen fast täglich stehen, ist die Abgrenzung von Teil- und Vollversorgung, für die es keine Kriterien gebe. "Das macht uns den Alltag schwer", so Neugebohren. Die Unterscheidung sei schwer, sie sei daher dafür, die Unterscheidung abzuschaffen, wie es schon in einigen Bundesländern geschehen ist.

Travebogen hat einen von insgesamt acht Verträgen, die zurzeit in Schleswig-Holstein abgeschlossen sind. "Die Krankenkassen sind der Meinung, Schleswig-Holstein sei mit diesen acht gut versorgt - ich meine, es reicht nicht", betonte Kreuz. Sie würde sich eine kleinteiligere Versorgung wünschen. Ein Beispiel seien die Kreise Flensburg und Nordfriesland, die zu einem Vertrag zusammengefasst sind: "Da fallen erhebliche Fahrstrecken an." Auch Neugebohren und Kriegeskotten-Thiede sprechen von einigen unterversorgten Gebieten in der Fläche: "Gerade im ländlichen Bereich sind wir noch unterversorgt", mahnen sie.


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201012/h10124a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Dezember 2010
63. Jahrgang, Seite 39
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2011