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STUDIE/274: Spätfolgen politischer Traumatisierung auf die nachfolgende Generation (idw)


Universität Leipzig - 23.06.2010

Spätfolgen politischer Traumatisierung


In einer Pilotstudie untersucht die Abteilung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig unter Leitung von Prof. Elmar Brähler welche Auswirkungen politische Inhaftierung in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone und DDR auf die nachfolgende Generation hat.

Die Kinder von politisch Inhaftierten stehen im Fokus eines einjährigen Forschungsprojekts, das an der Abteilung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie besteht. Darin soll untersucht werden, in wieweit Traumatisierungen, die in der Zeit der sowjetischen Besatzungszone (SBZ)/DDR entstanden sind, an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden. Dafür ist in der Arbeitsgruppe um Dr. Gregor Weißflog ein persönlicher Fragebogen entwickelt worden. Das Projekt wird von der Universität Leipzig im Rahmen eines NachwuchswissenschaftlerInnen-Programms der Medizinischen Fakultät (Formel-1) gefördert.

Die Formen politischer Verfolgung in der ehemaligen SBZ/DDR waren vielseitig und weit reichend. Allein 300.000 Personen waren von einer Inhaftierung aus politischen Gründen (z.B. Republikflucht, staatsfeindliche Hetze, öffentliche Herabwürdigung des Systems und Staatsverleumdung, Verbindungsaufnahme und Nachrichtenübermittlung an das westliche Ausland) betroffen. Als gesichert gilt, dass politische Inhaftierung kurz- und langfristig in Abhängigkeit von den individuellen Haft- und Verarbeitungsbedingungen bei den Opfern zu verschiedenen körperlichen und seelischen Störungen führte, die teilweise bis heute andauern können. Das erlebte Trauma einer politischen Verfolgung kann nicht nur unmittelbare soziale und gesundheitliche Auswirkungen auf die Betroffenen haben, sondern auch auf die Nachkommen.

Doch genau wie nicht alle Betroffenen krank werden, wird auch nicht jedes Kind eines Betroffenen krank. Jeder Mensch verfügt über Ressourcen, die den Menschen vor negativen Auswirkungen traumatischer Erfahrungen schützt. Mit der Befragung soll herausgefunden werden, wie viele Kinder politisch Inhaftierter heute unter den Auswirkungen leiden und warum.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind besonders aus Sicht der medizinischen Versorgung wichtig. Betroffene Nachkommen bedürfen in bestimmten Fällen einer professionellen psychotherapeutischen bzw. beraterischen Hilfe. Mit dem Projekt sollen auch die Behandelnden sensibilisiert werden. Zudem soll die Untersuchung den Aufarbeitungsprozess der jüngsten deutschen Geschichte vorantreiben und einen öffentlichen Diskurs anregen.


Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/pages/de/news376057


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Leipzig, Dr. Bärbel Adams, 23.06.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2010