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ARTIKEL/007: Informationspapier zu Nanotechnologien in der Medizintechnik (BVMed)


BVMed - Bundesverband Medizintechnologie e.V. - Freitag, 29. April 2011

Der Mensch als Maßstab. Medizintechnologie - News 18

Informationspapier zu Nanotechnologien in der Medizintechnik


Die Nanotechnik ist einer der Schlüsseltechnologien der 21. Jahrhunderts. Nanotechnologien beschreiben Strukturen, die 80.000 Mal kleiner sind als der Durchmesser eines menschlichen Haares.

Nanopartikel sind nicht nur in Zahnpasta, Fliesen, Jacken oder Brillengläsern enthalten. Sie spielen auch in der Medizintechnologie eine immer größere Rolle.

Anwendungsbeispiele sind Nano-Krebstherapien, Knochenersatzmaterial, Nanooberflächen bei Netzimplantaten sowie Beschichtung mit Nanopartikeln von Gelenkimplantaten, Gefäßprothesen oder Blasenkathetern.

Ausführlichere Informationen zu "Nanotechnologien in der Medizintechnik" enthält das nachfolgende Informationspapier (s.u.).

Weitere Informationspapiere erhalten Sie unter:
http://www.massstab-mensch.de/Downloads/Publikationen/

Die Informationen über moderne MedTech-Verfahren sind Teil der Informationskampagne "Der Mensch als Maßstab. Medizintechnologie" des BVMed. Damit wollen wir die Wertigkeit, Innovationskraft und Faszination von Medizintechnologien verdeutlichen.

Raute

Nanotechnologien in der Medizintechnik

Stand: 27. April 2011



1. Was ist Nano?

Der Begriff "Nano" kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Zwerg".

In der Sprache der Wissenschaft bedeutet "Nano" ein Milliardstel. Nanotechnologien beschreiben Strukturen, die 80.000 Mal kleiner sind als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Durch diese Technologien werden grundlegende Zusammenhänge auf der Ebene der Moleküle und Atome erforscht und neue Materialien mit viel versprechenden Eigenschaften entwickelt.

Nanotechnologien werden aus Sicht der Bundesregierung als "Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts" betrachtet, die unsere "Eintrittskarten in die Zukunft" darstellen (Bundesforschungsministerin Dr. Annette Schavan).


2. Aktionsplan "Nanotechnologie 2015" der Bundesregierung

Die Bundesregierung beschloss Ende 2010 einen Aktionsplan "Nanotechnologie 2015". Die Nanotechnologie ist von einer forschungsnahen Disziplin zu einem Wirtschaftsfaktor mit weitreichenden Auswirkungen geworden. Deshalb legte die Bundesregierung unter dem Dach der Hightech-Strategie eine gemeinsame Programmatik vor. Sie trägt der großen Bandbreite an Themenfeldern Rechnung, die mit der Nanotechnologie verknüpft sind. Dazu gehören neben der Forschungsförderung die Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und Gründern, Fragen der Sicherheit und der Regulierung sowie der Dialog mit der Öffentlichkeit.

Bereits heute leistet die Nanotechnologie wichtige Dienste, zum Beispiel bei der Hyperthermie, einer Krebstherapie auf Basis von Nanopartikeln, bei der einfachen Trinkwasseraufbereitung durch nanoporöse Filter, in Windkraftanlagen, deren immer größer werdende Rotoren durch Kohlenstoffnanoröhrchen besonders stabil und dennoch sehr leicht gebaut werden können, oder beim Korrosionsschutz durch keramische Nanobeschichtungen, die toxisches Chrom und Nickel ersetzen.

Der Aktionsplan beinhaltet sechs Aktionsfelder:

• Forschungsförderung und Technologietransfer, ausgerichtet auf die Bedarfsfelder der Hightech-Strategie Klima/Energie, Gesundheit/Ernährung, Mobilität, Sicherheit und Kommunikation;

• Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit mit Schwerpunkten in der KMU-Förderung und der Gründerunterstützung;

• es werden die Risiken der Nanotechnologie für Mensch und Umwelt in den Blick genommen - durch Forschung, aber auch durch Aktivitäten im Umwelt-, Verbraucher und Arbeitsschutz;

• Verbesserung der Rahmenbedingungen; dazu gehören die Anpassungen in den gesetzlichen Regelwerken, Fragen der Standardisierung und Normung aber auch die Problematik der qualifizierten Nachwuchs- und Arbeitskräfte;

• eine intensivierte Kommunikation und der Dialog mit der Öffentlichkeit;

• die Stärkung der guten deutschen Position in der Nanotechnologie durch internationale Kooperation.

Die Bundesregierung hat die Nanotechnologie im Jahr 2010 mit etwa 400 Millionen Euro im Rahmen von Projekten und der institutionellen Förderung unterstützt.



3. Anwendungsbeispiele in der Medizintechnik

Nanopartikel sind nicht nur in Zahnpasta, Fliesen, Jacken oder Brillengläsern enthalten. Sie spielen auch in der Medizintechnologie eine immer größere Rolle. Forscher entwickeln mithilfe der Nanotechnologie neue Produkte und Verfahren, mit denen Krankheiten besser bekämpft werden können.


Anwendungsbeispiele aus der Medizinprodukteindustrie:

3.1 Nano-Krebstherapien

Von einem Berliner Mitgliedsunternehmen des BVMed, einer Ausgründung der Charité, wurde in den letzten Jahren ein neuartiges Verfahren zur lokalen Behandlung von Tumoren basierend auf Nanopartikeln entwickelt. Für die nanotechnologisch basierte Krebstherapie gibt es bereits seit 2010 die CE- Kennzeichnung und damit den europäischen Markteintritt als Medizinprodukt.

Die Grundlage des Therapieverfahrens bilden die eisenoxidhaltigen Nanopartikel, die zu Therapiebeginn direkt in den Tumor eingebracht werden, in einem Verfahren wie bei einer Biopsie. Der Patient wird anschließend in einen Magnetfeldapplikator gelegt, der ein für den Menschen ungefährliches Magnetwechselfeld erzeugt. Die Nanopartikel werden durch dieses hochfrequente Magnetfeld in Schwingung versetzt, wodurch Wärme direkt im Tumorgewebe entsteht. Dadurch werden die Tumorzellen in Abhängigkeit von der erreichten Temperatur und der Behandlungsdauer entweder direkt zerstört oder für eine begleitende Radio- oder Chemotherapie sensibilisiert.

Quellen:
http://www.magforce.de/
http://www.suite101.de/content/nanotechnologie-in-der-medizin-a64806
http://www.nanoscience.de/group_r/ausstellung/anwendungen/exp_medizin.shtml
http://www.br-online.de/wissen/forschung/nanotechnologie-DID1188595731/nanotechnologie-nano-krebs-ID1192604009548.xml


3.2 Gelenkimplantate

Durch den demographischen Wandel nimmt die Lebenserwartung der Menschen immer mehr zu. Dadurch steigt auch der Bedarf an Gelenkendoprothesen, wenn Gelenke ihre Funktionskräfte verlieren und ersetzt werden müssen. Spezielle Nanobeschichtungen auf den Gelenkimplantaten verbessern das Einwachsverhalten der Implantate. Die so genannten "nano-kristallinen n Calciumphosphatsalz-Beschichtungen" (Hydroxylapatit) helfen, dass das Implantat vom Knochen schneller fixiert wird, was die Implantate-Stabilität und somit auch die Langlebigkeit des Implantats verbessert. Wenn ein Material in der Lage ist, als Leitgerüst das natürliche Knochenwachstum zu erleichtern, spricht man von Osteokonduktion. Die Implantate weisen eine Osteokonduktivität des Hydroxylapatits und eine besondere stäbchenförmige Nano-Struktur auf, die in den Knochen nachgewiesenen Apatitkristallen ähneln. Aufgrund dieser Eigenschaften wird die Knochenintegration beschleunigt und die Bildung von reduziertem Bindegewebe verhindert.


Quellen:
http://de.biometorthopaedics.ch/medical-chde/chde-technologies/chde-bonemaster
http://www.diaccon.de/german/techhot.htm
http://www.depuy.de/orthopadie/home

3.3 Netzimplantate

Für Netzimplantate für die Hernienchirurgie, Inkontinenzversorgung, Beckenbodenrekonstruktion sowie Brustrekonstruktion wurden spezielle Oberflächen auf der Basis eines nanotechnologischen Verfahrens entwickelt. In dem so genannten Niederdruckplasmaverfahren werden die Oberflächen mit Titanoxid veredelt. Hierbei wird durch die Atombindung (kovalente Bindung) der Kohlenstoffatome des Titansoxids mit den Kohlenstoffatomen des Polypropylenmaterials (PP-Material) der Netze ein neuer Verbundwerkstoff geschaffen, der alle Vorteile des Titans (höchste Biokompatibilität) sowie des PP-Materials (maximale Flexibilität) in sich vereint. Die Titanschicht ist dabei untrennbar mit der Oberfläche des PP-Materials verbunden, so dass sich auch keine Mikropartikel von der Oberfläche des Netzes bzw. Bandes lösen können.

Die Vorteile des Nanoverfahren sind unter anderem niedrige Entzündungsraten, das natürliche Einwachsen, die geringe Schrumpfung und Migration, eine kürzere Rekonvaleszenzzeit sowie die hervorragende Biokompatibilität der Implantate durch die Titanoberfläche bei gleichzeitig höchster Flexibilität durch den Kunststoff. Das Implantat wird vom menschlichen Körper nicht als fremd wahrgenommen.

Quellen:
http://www.pfmmedical.com/unternehmen/tochterunternehmen/pfm_medical_titanium/index.html


3.4 Knochenersatzmaterial

Ein neuartiges Knochenersatzmaterial ("Ostim") enthält vollsynthetisches nanokristallines, phasenreines Hydroxyapatit. Es entspricht in seiner chemischen Zusammensetzung und kristallinen Struktur der Kalziumphosphatkomponente des natürlichen Knochens. Durch frühes ungehindertes Einwachsen von Blutgefäßen erfolgt eine schnelle Knochenneubildung innerhalb weniger Monate. Die geringe Partikelgröße mit großer spezifischer Oberfläche bietet für die Osteoblasten ein perfektes Leitgerüst, um körpereigenen Knochen anzubauen. Im späteren Remodelling-Prozess kann Ostim dann nach und nach vollständig durch körpereigenen Knochen ersetzt werden.

Das Knochenersatzmaterial steht Zahnärzten, Implantologen, Parodontologen, Oralchirurgen und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgen in den vielfältigen Indikationsbereichen der Knochenregeneration zur Verfügung. Ergebnisse aus diversen klinischen Studien etwa in der Parodontologie, Implantologie und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie liegen vor. Weitere werden derzeit durchgeführt, um das Wissen um Ostim und seine Anwendung kontinuierlich zu erweitern.

Quelle:
http://www.heraeus-dental.de/de/unsereprodukte/zahnarzt_1/knochenersatzmaterial/ostim.aspx


3.5 Gefäßprothesen

Bei einer Gefäßprothese bewirkt die Beschichtung mit Nanopartikeln einen Korrosionsschutz und eine Verbesserung des Einwachsverhaltens (Biokompatibilität). Zusätzlich können Gefäßprothesen durch eine Nanobeschichtung Medikamente aufnehmen. Dadurch können beispielsweise selbstexpandierbare Stents (Gefäßstützen) mit einer Medikamentenbeschichtung bei dem Patienten eingesetzt werden.

Quellen:
http://www.nanoscience.de/group_r/ausstellung/anwendungen/exp_medizin.shtml
http://www.medica.de/cipp/md_medica/custom/pub/content,oid,33029/lang,1/ticket,g_u_e_s_t/~/Gef%C3%A4%C3%9Fprothese_mit_Medikamentenbeschichtung.html


3.6 Blasenkatheter

Viele medizintechnische Hilfsmittel werden nicht unter sterilen Operationsbedingungen eingesetzt. Beispielsweise können Blasenkatheter mit Nanobeschichtungen ohne hygienische Gefahren in die Harnröhre eingeführt werden. Denn beim Einführen eines Katheters durch den Arzt können trotz aller Hygienemaßnahmen Bakterien eingeschleppt werden, die die Katheteroberfläche besiedeln Dort bilden sie mit selbst ausgeschiedenen Substanzen und Harnbestandteilen einen kristallinen Biofilm, der sich allmählich zu einer festen Kruste aufbaut. Dadurch besteht die Gefahr einer Harnwegsinfektion. Diese Kruste kann beim Entfernen des Katheters außerdem das Innere der Blase und der Harnröhre verletzten. Entzündungen, Vereiterungen, schlimmstenfalls sogar eine Blutvergiftung sind die Folge.

Um diese Gefahr einzudämmen, entwickelte ein deutsches Nanotechnologie-Unternehmen zusammen mit der Universitätsklinik Bonn eine spezielle Nanobeschichtung. Diese Nano-dünnen Schichten sind aus vergleichsweise ungeordneten Kohlenstoffstrukturen aufgebaut. Wie durch medizinische Tests und die anschließende Marktzulassung bestätigt wurde, siedeln sich auf ihr keine Keime mehr an. Darüber hinaus ist die Schutzschicht chemisch beständig, gewebeverträglich und reibungsarm.

Quellen:
http://www.nanotruck.de/hightech-aus-dem-nanokosmos/themen/gesundheit/medizintechnik-katheter-wehren-keime-ab.html
http://www.nanoscience.de/group_r/ausstellung/anwendungen/exp_medizin.shtml


3.7 Weitere Anwendungsbeispiele

Biomaterialien
Im Bereich der Biomaterialien werden Nanopartikel für die Herstellung von Zahnfüllstoffen oder Knochenersatzmaterialien genutzt. Außerdem kommen nanostrukturierte Oberflächen für Implantate und Nanofasern für das Tissue Engineering zum Einsatz.
Quelle:
http://www.hessen-nanotech.de/mm/Nanomed_Final_Internet.pdf

Uretersplint
Die Beschichtung eines Uretersplints hat eine antimikrobielle Wirkung, verhindert eine Verkrustung und verbessert die Gleiteigenschaften des Materials.
Quelle:
http://www.nanoscience.de/group_r/ausstellung/anwendungen/exp_medizin.shtml

Verweilkatheter
Die Beschichtung dieses Katheters hat eine antimikrobielle Wirkung, verbessert die Gleiteigenschaften des Materials und ist antithrombogen.
Quelle:
http://www.nanoscience.de/group_r/ausstellung/anwendungen/exp_medizin.shtml

Zellkulturflasche
Durch eine für den jeweiligen Anwendungszweck optimierte Beschichtung kann das Anwachsen von Zellen in dieser Zellkulturflasche verbessert oder reduziert werden.
Quelle:
http://www.nanoscience.de/group_r/ausstellung/anwendungen/exp_medizin.shtml


4. Marktanalyse in der Nanomedizin

Eine Analyse der kommerziellen Nanomedizin-Aktivitäten aus dem Jahr 2008 zeigt, dass mehr als 50 Prozent der Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, Nanotechnologien nutzen, um Wirkstofftransportsysteme zu entwickeln. Die Anzahl der Unternehmen, die Nanotechnologie-basierte Implantate (19 Prozent) und Produkte für die In-vitro Diagnostik (17 Prozent) entwickeln, ist bereits deutlich niedriger. Im Bereich neuer nanotechnologie-basierter Therapieverfahren, in denen ganz neue Therapien zum Einsatz kommen, sind hingegen nur 3 Prozent der Unternehmen tätig.

Belastbare Marktstudien im Bereich der Nanomedizin sind nur auf dem amerikanischen Markt bekannt. Nach einem Report von Ernst & Young betrugen die Umsätze im Jahr 2006 mit Nanomedizin-Produkten in den USA 8,5 Milliarden US-Dollar. Etwa 75 Prozent des Umsatzes wurden mit Medikamenten erzielt, die über nanotechnologie-basierte Transportsysteme verfügen. Zu den Produkten zählen Plymer-Protein Konjugate, Liposomen sowie Wirkstoff-Nanosuspensionen. Der Anteil der Medikamente mit Nano-Transportsystemen am Medikamentenmarkt beträgt 2 Prozent und soll laut Prognosen bis 2016 auf 6 Prozent ansteigen. Das Segment nanotechnologische Implantate mit Umsätzen in Höhe von fast 300 Millionen US-Dollar soll bis 2016 auf 16 Milliarden US-Dollar ansteigen und damit einen Anteil von 9 Prozent am Gesamtmarkt der Medizintechnik erreichen. Für nanotechnologische medizintechnische Analytik und Diagnostik wurde in den USA ein Markt von 1,9 Milliarden US-Dollar ermittelt. Dies entspricht einem Anteil von rund 5 Prozent am gesamten Analytik- und Diagnostikmarkt. Bis 2016 soll dieser Anteil auf 10 Prozent steigen und ein Volumen von 6 Milliarden US-Dollar aufweisen.

Anwendungen der Nanotechnologie in der Medizin sind generell noch in einem frühen Entwicklungsstadium und machen bislang nur einen kleinen Teil der Nanotechnologie-Aktivitäten weltweit aus.

Quelle: http://www.hessen-nanotech.de/mm/Nanomed_Final_Internet.pdf



Mehr Informationen im Internet unter:
http://www.bvmed.de/themen/nanotechnologie/

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Quelle:
BVMed - Bundesverband Medizintechnologie e.V.
V.i.S.d.P.: Manfred Beeres M.A.
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Internet: www.bvmed.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2011

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