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ENTWICKLUNG/1158: Neue Prinzipien für den Einsatz von Polymeren in Sensorik und regenerativen Therapien (idw)


Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V. - 16.04.2015

Neue Prinzipien für den Einsatz von Polymeren in Sensorik und regenerativen Therapien

Preise für Graduierungsarbeiten zu Synthese von sensitiven Oberflächenschichten und Herstellung polymerer Scaffolds für Kreuzband-Ersatz


Auf seinem Jahresempfang am 16. April 2015 verleiht das Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V. (IPF) erneut Preise für herausragende Graduierungsarbeiten, die von jungen Wissenschaftlern am Institut angefertigt und an der Technischen Universität Dresden eingereicht und verteidigt wurden.

Den Doktorandenpreis des Vereins zur Förderung des IPF erhält Dr. Sebastian Rauch für seine Dissertation "Entwicklung von funktionellen Polymerbürsten mit modularen Eigenschaften".

In seiner von Professor Manfred Stamm (IPF und TU Dresden, Professur für Physikalische Chemie Polymerer Materialien) betreuten Arbeit präsentiert Sebastian Rauch ein neuartiges Prinzip zur Herstellung von komplexen funktionellen Polymerbürstensystemen. Als Polymerbürsten werden sehr dünne Schichten bezeichnet, in denen einzelne kettenförmige Polymermoleküle mit einem Kettenende permanent an Materialoberflächen aufgepfropft werden. Auf diese Weise lassen sich gezielt funktionelle Oberflächeneigenschaften einstellen und über die Verwendung verschiedenartiger Polymermoleküle in einer Bürste sogar Empfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen und Kontaktmedien erzielen, wodurch Polymerbürsten einen Erfolg versprechenden Weg zu intelligenten Oberflächen (z.B. als Sensorsysteme) ebnen. Limitiert war die Anwendung der Methode, die weltweit stark beforscht wird, bisher bezüglich der Dicke der Schichten und der Pfropfdichte der Bürsten. Hier haben die Arbeiten von Sebastian Rauch einen entscheidenden Beitrag geleistet: Er entwickelte ein Baukastensystem von geeigneten Polymermolekülen mit so genannter terminaler Click-Funktionalität, d.h. am Kettenende jedes einzelnen Bürstenmoleküls kann auf einfache Weise - quasi wie mit einem Klick - z.B. genau eine weitere Polymerkette angebunden werden. In den untersuchten Modellsystemen führte die so erzielte Kettenverlängerung zu verbesserten Schalteigenschaften, sowie erhöhter Temperatursensitivität des Polymerbürstensystems. Zusätzlich gelang es, mittels polymeranaloger Umsetzungen Farbstoffe oder Nanopartikel an die Kettenenden permanent anzubinden, was das erreichbare Eigenschaftsspektrum der Polymerbürsten nochmals erheblich erweitert. Das von Sebastian Rauch entwickelte Prinzip, das die Vorteile etablierter Methoden der Click-Chemie sowie der grafting-to-Pfropfung von Polymerbürsten vereint, besticht durch seine hohe Variabilität und ist für die Herstellung von komplexen Bürstensystemen zur gezielten Einstellung von Ober- und Grenzflächeneigenschaften von außerordentlichem Nutzen.

Mit dem Professor-Franz-Brandstetter-Preis wird Judith Hahner ausgezeichnet. Gewürdigt wird mit dem Preis ihre von Professor Gert Heinrich (IPF und TU Dresden, Professur für Polymerwerkstoffe und Elastomertechnik) und Professor Chokri Cherif (TU Dresden, Professur für Textiltechnik) betreute Diplomarbeit "Ermittlung und Beurteilung entscheidender Einflussgrößen für die sticktechnische Gestaltung der ligamentären Strukturzone eines vorderen Kreuzbandes". Die Arbeit von Judith Hahner ist Teil eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts, das auf die Entwicklung eines neuen, regenerativen Verfahrens für die Heilung von Kreuzbandverletzungen abzielt.

Bei regenerativen Therapien geht es darum, körpereigene Regenerations- und Reparaturprozesse anzuregen und zu unterstützen und funktionsgestörte Zellen, Gewebe und Organe durch biologischen Ersatz, beispielsweise mit Hilfe gezüchteter Gewebe, wiederherzustellen. Therapieansatz ist, mit Zellen besiedelte Trägerstrukturen in den Organismus einzubringen, die in den geschädigten Bereichen für mechanische Stabilität sorgen, gute Bedingungen für ein schnelles Nachwachsen körpereigener Zellen bieten und zudem parallel zum Zellwachstum und fortschreitenden Heilungsprozess vollständig vom Körper resorbiert werden.

Entsprechend dieser Anforderungen sind für unterschiedliche Gewebe und Organe sehr spezielle Strukturen zu entwickeln. Für das vordere Kreuzband sind aufgrund der Funktion des Kniegelenks mechanische Eigenschaften und Belastbarkeit von besonderer Bedeutung, und diese zu ermitteln und in textile Strukturen umzusetzen stand deshalb im Fokus von Judith Hahners Diplomarbeit. Nach dem Vorbild von Kaninchen-Kreuzbändern entwickelte sie mit Hilfe der Sticktechnik eine geeignete synthetische Gerüststruktur, ein so genanntes Scaffold, aus chirurgischem Nahtmaterial. Ein dem Kaninchen-Kreuzband in seinem Kraft-Dehnungs-Verhalten ebenbürtiges und für die Zellbesiedlung geeignetes Scaffold konnte nach Optimierung von textilen Parametern wie Stichlänge, Stichwinkel und Stichlage hergestellt werden. Bis zu einer medizinischen Anwendung sind die Ergebnisse aus Judith Hahners Arbeit noch mit einer Vielzahl weiterer Erkenntnisse zu ergänzen, so u.a. mit Studien zur Materialauswahl und dem Materialverhalten unter in vitro Zellkulturbedingungen sowie der Erarbeitung einer Struktur für das Kreuzband beim Menschen.


Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution478

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V., Kerstin Wustrack, 16.04.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2015

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