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ENTWICKLUNG/693: Neue Laser-Technologie für die Strahlentherapie der Zukunft (idw)


Forschungszentrum Dresden - Rossendorf e.V. - 11.08.2010

Neue Laser-Technologie für die Strahlentherapie der Zukunft


Gegenwärtig entstehen weltweit neue Therapiezentren für die Strahlentherapie mit Ionen. Diese zerstören Krebszellen, das umgebende gesunde Gewebe wird dabei besser geschont als mit herkömmlichen Techniken. Beschleunigte Wasserstoff- und Kohlenstoff-Ionen werden vor allem gegen inoperable Tumore in strahlenempfindlichen Organen wie Hirn oder Rückenmark eingesetzt. Forscher vom FZD und vom Dresdner Zentrum OncoRay entwickeln hierfür gemeinsam eine neue Technologie: die benötigten Ionenstrahlen stammen nicht von einem normalen Beschleuniger, sondern werden von einem kompakten Laser erzeugt. Ihre ersten Ergebnisse einer Zellbestrahlung mit Ionen erscheinen nun im 'New Journal of Physics'.

Herkömmliche Protonen- und Ionenbeschleuniger sind groß und teuer. Deshalb kann die neue Therapie mit beschleunigten Protonen- und Ionenstrahlen nur an sehr wenigen, entsprechend ausgestatteten Kliniken zum Einsatz kommen wie etwa am kürzlich eröffneten Heidelberger Ionenstrahltherapie-Zentrum (HIT). Das Interesse an kompakteren und flexiblen Anlagen zur Beschleunigung von therapierelevanten Protonen und Ionen ist weltweit jedoch groß, da Experten erwarten, dass zukünftig für eine wachsende Gruppe verschiedener Krebserkrankungen Vorteile der Protonen- und Ionentherapie nachgewiesen werden, die dann einen umfassenden klinischen Einsatz erfordern. Dem Dresdner Zentrum OncoRay, das gemeinsam von Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD), Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und TU Dresden getragen wird, gelang nun ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Kompakt-Bestrahlungsanlage für die Behandlung von Krebs.

Der Hochleistungslaser DRACO am FZD kann Protonen erzeugen und auf der extrem kurzen Strecke von weniger als zehn Mikrometern beschleunigen (ein menschliches Haar ist etwa zehnmal so dick). Für die aktuellen Experimente bestrahlte das Forscherteam um Dr. Ulrich Schramm (FZD) und Dr. Jörg Pawelke (OncoRay) Krebszellen mit Laser-beschleunigten Protonen, also Wasserstoff-Atomen, denen das Elektron entfernt wurde. Gleichzeitig untersuchen die Wissenschaftler auch die Wirkung von Strahlen auf Zellen unter kontrollierten Bedingungen. Dazu haben sie eine spezielle Apparatur entwickelt, mit der sie die Dosis für die bestrahlten Zellen präzise messen können. Diese lag bei den Bestrahlungen am FZD zwischen 1,5 und 4 Gray und damit in einem Bereich, der für die klinische Anwendung von Protonenstrahlen besonders relevant ist. Hinzu kommt, dass die Energie des Laser-beschleunigten Ionenstrahls erstmals so hoch ist, dass der Strahl in Gewebe, aber auch in andere Materialien eindringt, wodurch eine genaue Dosisbestimmung überhaupt erst möglich wird. In den Experimenten erreichte man Protonenenergien von bis zu 20 Megaelektronen-Volt.

60 Prozent der Krebspatienten erhalten heute konventionelle Strahlentherapie

Beschleunigte Ionenstrahlen haben den Vorteil, dass sie ihre größte Wirkung im Tumor erzielen und daher gesundes Gewebe besser schonen. Während bei der konventionellen Therapie mit Röntgen- oder Gammastrahlen von modernen klinischen Linearbeschleunigern ein beträchtlicher Teil der Energie bereits auf dem Weg durch das gesunde Gewebe abgegeben wird, können Ionenstrahlen punktgenau im Tumor gestoppt werden, wo sie ihre schädigende Wirkung auf alle Zellen im Tumor freisetzen. Dabei handelt es sich um eine neue Methode, die unter anderem im Schwerionen-Therapieprojekt an der GSI in Darmstadt erfolgreich erprobt wurde. Rund 400 Patienten konnten hier behandelt und rund 70 Prozent geheilt werden. An diesem Projekt waren auch Wissenschaftler aus dem Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) beteiligt, die auch heute wieder maßgeblich am Heidelberger HIT mitwirken.

Neue Strahlen im Einsatz gegen Krebserkrankungen

Bis zum Einsatz eines Hochleistungslasers in der Klinik ist noch viel Grundlagenforschung zu leisten. Dresden hat dabei gute Chancen, an der Weltspitze mit dabei zu sein, arbeiten hier doch Experten auf den Gebieten Medizin, Physik, Biologie und Mathematik besonders eng zusammen. Das OncoRay-Zentrum bildet dabei eine einzigartige Klammer und das Zentrum hat sich in den letzten Jahren international einen Namen gemacht. Dabei verstehen die OncoRay-Forscher an der Universitätsklinik, im FZD, sowie an der TU Dresden ihre Arbeit als Translationsforschung. Mit diesem Begriff wird das Ziel ausgedrückt, die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung so schnell wie möglich in die klinische Anwendung zu überführen. Die Laser-Technologie etwa könnte bereits in zehn bis fünfzehn Jahren als Kompakt-Bestrahlungsanlage in den Klinikalltag Einzug halten.

Als nächsten Schritt hin zu einem klinischen Einsatz sind am FZD detaillierte Studien geplant, um die Wirkung der Ionenstrahlen aus dem Laser-Beschleuniger mit in der Krebstherapie etablierten Strahlen zu vergleichen. Hinzu kommen Studien zur Steigerung der Energie der Strahlung in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Schiller Universität und dem Fraunhofer Institut in Jena im Rahmen des Projekts 'onCOOPtics' sowie die Entwicklung eines Prototyps für die Laser-basierte Strahlentherapie am neuen Gemeinsamen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie in Dresden, das vom Land Sachsen gefördert wird.

Die Schwerionen-Therapie an der GSI im Überblick

Das Pilotprojekt Schwerionen-Therapie wurde 1993 als Gemeinschaftsprojekt der GSI - Helmholtz-Zentrum für Schwerionenforschung Darmstadt, dem Forschungszentrum Dresden- Rossendorf (FZD), der Radiologischen Universitätsklinik Heidelberg und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg ins Leben gerufen. Im Rahmen des Pilotprojekts wurden seit 1997 mehr als 400 Patienten mit Tumoren, vorrangig im Kopf- und Halsbereich, bei GSI behandelt. Grundlage für diese neue Krebstherapie waren langjährige Forschungsarbeiten und die große Beschleunigeranlage für Ionenstrahlen bei der GSI. Die Bestrahlung wurde im Sommer 2008 beendet und an das Universitätsklinikum Heidelberg verlagert, wo vor kurzem das neue Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) den Betrieb aufgenommen hat. Dort sollen über 1000 Patienten jährlich behandelt werden.
Weitere Informationen:
www.gsi.de; www.ionentherapie-info.de



Weitere Informationen
Dr. Ulrich Schramm
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf
Institut für Strahlenphysik
E-Mail: u.schramm@fzd.de

Dr. Jörg Pawelke
Leiter Forschungsgruppe onCOOPtics am OncoRay-Zentrum
E-Mail: joerg.pawelke@oncoray.de

Publikation
"Dose dependent biological damage of tumour cells by laser-accelerated proton beams"
S. D. Kraft, C. Richter, K. Zeil, M. Baumann, E. Beyreuther, S. Bock, M. Bussmann, T. E. Cowan, Y. Dammene, W. Enghardt, U. Helbig, L. Karsch, T. Kluge, L. Laschinsky, E. Lessmann, J. Metzkes, D. Naumburger, R. Sauerbrey, M. Schürer, M. Sobiella, J. Woithe, U. Schramm, J. Pawelke
New Journal of Physics, 12, 085003 (2010)
DOI: 1088/1367-2630/12/8/085003
http://iopscience.iop.org/1367-2630/12/8/085003

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.fzd.de
http://www.oncoray.de

Das 'OncoRay-Zentrum für Innovationskompetenz für Medizinische Strahlenforschung in der Onkologie' wurde 2004 im Wettbewerb 'Exzellenz schaffen - Talente sichern' des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eingeworben und 2005 etabliert. Die Vision von OncoRay ist, die Heilung von Krebserkrankungen durch eine biologisch individualisierte, technologisch optimale Strahlentherapie zu verbessern. Der Fokus und die Strategie des Zentrums zielen dabei auf den hohen Bedarf an präklinischer und klinischer Translationsforschung in diesem Forschungsfeld. Heute vereint OncoRay fünf komplementäre und eng vernetzte Gruppen von Wissenschaftlern. OncoRay bietet einen Masterstudiengang in 'Medical Radiation Sciences' sowie einen PhD-Studiengang an der OncoRay Postgraduate School an.

OncoRay wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK). Die tragenden Einrichtungen sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, die Technische Universität Dresden und das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution222


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Forschungszentrum Dresden - Rossendorf e.V.
Dr. Christine Bohnet, 11.08.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2010