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HINTERGRUND/180: Trotz alledem und alledem - Hannes Wader zum Siebzigsten (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 25 vom 22. Juni 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Trotz alledem und alledem
Hannes Wader zum Siebzigsten

von Dirk Wilke



Hannes Wader wird am 23. Juni 70 Jahre - es gibt sicherlich viele Möglichkeiten, diesen runden Geburtstag eines der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Liedermacher zu würdigen.

Eine Möglichkeit ist, seinen persönlichen und musikalischen Werdegang biographisch zu beleuchten. Dieser Werdegang ist allseits bekannt und daher recht einfach zu skizzieren:

Geboren 1942 in Bethel bei Bielefeld, beginnt er nach der Schulzeit eine Ausbildung zum Dekorateur. Während seiner Ausbildung macht er seine ersten musikalischen Erfahrungen, erlernt Klarinette und Saxophon. Anfang der 60er Jahre beginnt er, Gitarre zu spielen und die ersten eigenen Lieder zu schreiben. 1966 hat er dann seinen ersten großen Auftritt beim Folktreffen auf der Burg Waldeck und 1969 erscheint schließlich seine erste Schallplatte mit ausschließlich eigenen Kompositionen. Der Rest ist, wie man so schön sagt, "Geschichte". Es folgen mehr als 30 veröffentlichte Schallplatten und CDs sowie unzählige Tourneen und Konzerte im In- und Ausland, und seit inzwischen mehr als 4 Jahrzehnten zählt Hannes Wader zu den bekanntesten, beliebtesten und erfolgreichsten deutschen Liedermachern. Eine andere Möglichkeit, seinen 70. zu würdigen ist der Versuch, seine Bedeutung für die linke und fortschrittliche Bewegung in der BRD als auch für uns Kommunistinnen und Kommunisten hervorzuheben.

Seit seinem Eintritt in die DKP 1977 galt Hannes, neben Künstlerkollegen wie Franz Josef Degenhardt oder Dieter Süverkrüp, als eines der wichtigsten kulturellen "Aushängeschilder" unserer Partei. Es gab kaum größere überregionale Demos oder Festivals, auf denen Hannes Wader nicht auch fester Bestandteil war; hervorzuheben sind hierbei insbesondere seine zahlreichen Solidaritätsauftritte für die kämpfende Arbeiterklasse in der BRD, so bei Tarifkämpfen, bei den Aktionen für die 35-Stunden-Woche, bei Betriebsbesetzungen, Massenentlassungen und Werksschließungen, wie bei den Howaldtswerken - Deutsche Werft (HDW) in Hamburg in den 80er Jahren. Unvergessen auch seine künstlerischen Beiträge bei den großen außerparlamentarischen Aktionen in dieser Zeit, insbesondere bei den antimilitaristischen Massenmanifestationen "Krefelder Appell", "Künstler für den Frieden" gegen die Atomraketenstationierungen sowie in der Anti-AKW-Bewegung und den zahlreichen Protesten gegen die Berufsverbote.

So waren und sind seine Lieder beileibe nicht nur bei seinen eigenen GenossInnen bekannt und beliebt, sondern in der gesamten linken und fortschrittlichen Bewegung dieser Republik. Einige seiner Auftritte als auch seiner Veröffentlichungen sind legendär - erinnert sei hier beispielsweise an die Schallplatte/CD "Hannes Wader singt Arbeiterlieder" aus dem Jahre 1977 sowie an seine Auftritte bei den UZ-Pressefesten und bei den Festivals der Jugend der SDAJ.

Für Hannes Wader waren und sind seine Lieder und Texte nie irgendwelche leeren Lippenbekenntnisse außerhalb jeglicher gesellschaftlicher Bezüge, sondern immer auch eine Frage des politischen Engagements für eine zukünftige humanistische und gerechte Gesellschaft: "Wenn wir Dichtersänger singen, nehmen wir immer auch ein Stück Zukunft vorweg. Vielleicht ist es das, warum wir das UZ-Volksfest so interessant finden: Es hat dieselbe Eigenschaft." So äußerte sich Hannes Wader 1977 nach einem Auftritt auf dem UZ-Pressefest. Und 1986 sagte er, weder SPD noch Grüne böten eine Alternative, "weil sie vor der Beantwortung entscheidender Fragen zurückzucken, z. B. bei der Klassen- und Eigentumsfrage." (Beide Zitate nach Michael Kleff, im "Folker" 3/2012). Gerade wegen dieses konsequenten politischen Eintretens für eine linke und sozialistische Kultur wird Hannes bis heute mit einem weitreichenden Medienboykott belegt und sehr selten im Rundfunk gespielt geschweige denn im TV gezeigt.

Nicht zuletzt ist es auch ein ganz besonderes Verdienst von Hannes Wader, dass er mit seinen Interpretationen von plattdeutschen Liedern und den Volksliedern aus der Zeit der demokratischen Revolution um 1848 diese Lieder aus der reaktionären und völkischen "Ecke" herausgeholt hat.

Seinen Austritt aus der DKP 1991 haben ihm seinerzeit viele nicht verziehen, und manch eine/r tut dies auch heute noch nicht. Wie bei Millionen Menschen weltweit, so saß auch bei Hannes die Enttäuschung über die flächendeckende Niederlage des sozialistischen Lagers sowie die in diesem Zuge in den Medien in aller Ausführlichkeit genüsslich ausgebreiteten tatsächlichen oder angeblichen Verfehlungen der real existierenden sozialistischen Staaten offenbar sehr tief, und der Austritt aus der DKP erschien ihm als der für ihn richtige Weg, Abstand von all dem zu gewinnen. Viele andere Weggefährten zogen dieselbe Konsequenz und kehrten ihrer kommunistischen Partei den Rücken, andere jedoch, wie beispielsweise Franz Josef Degenhardt, wählten einen anderen Weg und versuchten in den Folgejahren innerhalb der Partei und der linken Strukturen diese historische Niederlage der sozialistischen Staatengemeinschaft zu analysieren und die notwendigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Trotz aller Verbitterung und trotz seines Austritts aus der DKP hat Hannes Wader nicht, wie so viele Andere, den linken Ideen und der grundsätzlichen Kritik an den in der BRD herrschenden Verhältnissen abgeschworen. Er ist auch in den zurückliegenden 20 Jahren immer ein überzeugter Linker und "kritischer Geist" geblieben, und er hat stets den persönlichen Kontakt zu vielen seiner ehemaligen Kampfgefährten behalten. An seiner politischen Grundhaltung hat sich nichts geändert: "Meine Grundüberzeugung ist eine sozialistische! (...) Ich habe eingesehen, dass jemand, der sich in die Öffentlichkeit begibt, sich stellen muss" (Zitat nach Michael Kleff, im "Folker" 3/2012).

Auch wenn in den 90er Jahren seine Lieder nicht mehr vorrangig politische Themen, sondern Themen des Alltags behandelten und poetisch-lyrisch anmuten, so hat er sich dennoch auch in dieser Zeit weiterhin mit der politischen Realität in der BRD auseinandergesetzt und diese in etlichen Liedern verarbeitet.

2001 nahm Hannes gemeinsam mit Konstantin Wecker eine Live-CD auf, auf der dann auch wieder einige der beliebtesten Wader-Lieder aus den 70er und 80er Jahren, wie "Gut wieder hier zu sein" und "Bella Ciao" zu finden sind, sowie auch das kraftvolle und von den beiden Künstlern beeindruckend vorgetragene Wecker-Lied "Sag Nein". In den Folgejahren wurden dann die neuen Wader-CDs wieder politischer und engagierter und 2003 kam es dann zu dem von vielen Genossinnen und Genossen so lange erhofften "Comeback" von Hannes Wader auf dem UZ-Pressefest in Dortmund. Zwölf Jahre nach seinem Parteiaustritt trat er erstmalig wieder bei der DKP auf und eine riesige Menschenmenge vor der Open-Air-Bühne in Dortmund-Wischlingen dankte es ihm mit großem Beifall und stehenden Ovationen.

"Trotz alledem" - dieser Titel eines der bekanntesten und beliebtesten Wader-Songs trifft auch auf den politischen Werdegang von Hannes selber zu. Trotz 1991 und zunehmendem Antikommunismus, trotz europaweit erstarkendem Neofaschismus und verstärkter Repression nach innen - es kam auch bei unserem "Geburtstagskind" letztlich dazu, dass er sich und seiner politischen Ausrichtung treu blieb und sich erneut "die Furcht in Widerstand" wandelte, auch wenn er es vorzieht, dies außerhalb irgendwelcher Parteistrukturen zu tun. Er geht weiterhin seinen ganz persönlichen Weg, und nicht ohne Grund trifft man auch weiterhin auf seinen Konzerten, wo auch immer er auftritt, viele Mitglieder von DKP und der Partei "Die Linke", linke GewerkschafterInnen sowie Menschen aus der Friedens- und Antifa-Bewegung.

Hannes Wader hat der linken Bewegung und all den "kleinen Leuten" in diesem Land viele Jahrzehnte lang Mut, Hoffnung und Stärke vermittelt, und viele Jahre lang hatte er in unserer Partei mit uns allen gemeinsam für eine sozialistische Zukunft gekämpft - für all das gebührt ihm Dank und Anerkennung! Ich wünsche ihm vor allem, dass er noch viele weitere Jahre die Bühnen und sein Publikum erobert und dass ihm die Hoffnung auf eine bessere Zukunft sowie das Vertrauen darauf, dass wir alle mit vereinten Kräften diesen Kapitalismus überwinden können und werden, erhalten bleibt.

In diesem Sinne:

Lieber Hannes:
Herzliche Glückwünsche zum 70. Geburtstag!

*

Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 25 vom 22. Juni 2012, Seite 13
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2012