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NACHLESE/001: Valentine & The True Believers in Burg (SB)


Small and beautiful
Musik zum Anfassen


In Zeiten von Globalisierung und wachsender Kritik daran gewinnen regionale Zusammenschlüsse und Initiativen wieder stärker an Bedeutung. Small is beautiful. Und dazu gehört natürlich auch eine Kultur, die sich eher dem Regionalen, dem unmittelbaren Kontakt, dem Austausch und der Kommunikation verschrieben hat und davon lebt.

Bei manchen fallen solche Entscheidungen ganz bewußt, bei anderen sind sie notwendige Starterscheinungen, vor allem bei jungen Musikern. Sie sind aber auch der Tatsache geschuldet, daß sich mit CDs immer weniger Geld fürs Überleben verdienen läßt. Waren lange Zeit Tourneen die Beförderer und Befeuerer von neuen Ton- und Bildträgern, so dienen diese heute eher als Appetizer für Live-Auftritte, mit denen Künstler ihren Lebensunterhalt sichern. Rettung verspricht nur noch die Live-Musik, so die Einschätzung auch von Experten, Tingeln ist wieder angesagt.

Eine Fahrt nach Burg in Dithmarschen, zwischen bewaldeter Geest und platter Marsch am Nord-Ostsee-Kanal gelegen, ist allemal einen Samstagnachmittag bzw. -abend wert. 'Das letzte Abenteuer Europas' heißt es über diesen Landstrich auf einem Autoaufkleber, der inzwischen Kult ist und dessen Aussage angesichts der rasanten Entwicklung einer europäischen Zwangsjacke ganz neue Aktualität gewonnen hat, als ein frühes und fröhliches Zeugnis einer wiedererstarkenden Wertschätzung und Besinnung auf die eigene Reichweite, auf Überschaubarkeit und Regionalität, mit all den damit verbundenen Gefahren, bei dem Blick bis zum Tellerrand das, was dahinter liegt, nicht mehr wahrzunehmen.

Das neue Schattenblick-Format "Nachlese", dazu konzipiert, Berichten, Reportagen und Interviews fortgesetzt den Werdegang ihrer jeweiligen Geschichten, Inhalte und Gegenstände abzulauschen, zündet mit den Nachfragen zur Musikgruppe "Valentine & The True Believers", über die im Schattenblick ausführlich berichtet wurde [1], seinen beschaulichen Startschuß.

Gutgelaunt zum Gespräch in der Laube: Tine und Viktor Viol, Valentina, Malte und Maik (v.lks) - Foto: © 2012 by Schattenblick Gutgelaunt zum Gespräch in der Laube: Tine und Viktor Viol, Valentina, Malte und Maik (v.lks) - Foto: © 2012 by Schattenblick

Gutgelaunt zum Gespräch in der Laube: Tine und Viktor Viol, Valentina, Malte und Maik (v.lks)
Foto: © 2012 by Schattenblick

Treffpunkt mit den Musikern war ein kleines Café, das die Band am 24.03.2012 abends zu einem zweistündigen Auftritt verpflichten konnte. "Dat lütte Café " ist der Name eines Kleinodes für Liebhaber gemütlicher Kaffeekultur, das mitten in Burg unter Bäumen versteckt den Ankommenden in liebevoll gestaltete Interieurs oder draußen in die Laube oder den bäuerlichen Garten zu Heißgetränk und von der Chefin selbstgemachten Kuchen und Torten oder auch einem herzhaften Snack einlädt.

Das ehemalige Kutscherhaus hat Sabine Gerbinski vor 9 Jahren entdeckt. Damals noch eine verfallende Ruine, hat sie es in jahrelanger Arbeit restauriert und sich mit dem kleinen Café ihren Lebenstraum erfüllt. "Und es ist genauso geworden, wie ich es mir immer vorgestellt habe."

Aber es gibt nicht nur Essen und Trinken hier, sondern im ganzjährigen Betrieb zahlreiche Musik-Events, Lesungen, seltener Ausstellungen, denn dazu reicht der Platz meist nicht, oder auch Spieleabende. Die Künstler gewinnt die Inhaberin durch Mund-zu-Mund Propaganda, der eine ziehe den anderen nach. "Sie hören, dass es hier klein und fein ist und eben auch die Gäste sehr nett sind." Die kommen aus Hochdonn oder Hamburg, einige von weiter her, quer durch alle Schichten und Altersklassen - und viele buchen bei einem Event schon den nächsten. Daß hier jemand mit Leidenschaft bei seinen Gästen ist, spürt man sofort.

Der Auftritt von "Valentine & The True Believers" war lange geplant, nun habe es endlich geklappt. Der Schattenblick hatte die junge Band im letzten Oktober in Kiel zum Interview getroffen und war neugierig auf die Fortsetzung ihrer Geschichte. Wir trafen die Musiker gut gelaunt zwischen Soundcheck und Auftritt, Sängerin Valentina aus Eckernförde (Gesang, Kazoo, Xylophon), Geigerin und zweite Stimme Viktor Viol aus Flensburg, Lars am Bass aus Burg ("Eine Hausgeburt", wurde gewitzelt.), Tine (Akkordeon) und Maik (Schlagzeug und Technik), beide aus Heide, allesamt Nordlichter bis auf Malte (Gitarre und Texte), "der darf mitmachen, obwohl er ursprünglich aus Duisburg kommt!"

Vor dem Auftritt: Valentina, Viktor Viol, Lars, Tine und Maik (v.lks) - Foto: © 2012 by Schattenblick

Wo bleibt Malte? True Believers Valentina, Viktor Viol, Lars, Tine und Maik (v.lks)
Foto: © 2012 by Schattenblick

Der Winter sei ruhig gewesen, ein paar wenige Konzerte, darunter sehr schöne, sagt Valentina auf unsere Frage, wie das in der Kulturkneipe "Bornholdt" in Meldorf, es gab aber auch Zeit für kreative Erholung. Neue Songs seien entstanden, berichtet Malte, alte überarbeitet worden. Eine nächste CD sei im Entstehen. Bei den Themen seien sie sich treu geblieben: die Möglichkeiten bzw. Unmöglichkeiten menschlichen Miteinanders, Liebe natürlich, auch die einseitige, die ohne Erwiderung bleibt. Was für den Sommer geplant ist? Straßenmusik, ja, auf jeden Fall, , wann und wo lie�e sich naturgem�� nicht genau sagen, und einige norddeutsche Festivals, bislang. Und die neue Website soll endlich werden, fügt Malte hinzu. "Wir brauchen einfach manchmal etwas länger".

28 Gäste passen in die beiden Stuben des lütten Cafés, und man ist dann wirklich gut beisammen, fast schon privat. An diesem Abend sind es sogar ein paar mehr. "Das ist eigentlich schon überbelegt", so die Chefin. Deshalb muß die Gruppe zweigeteilt spielen, vier unten und Schlagzeug und Akkordeon vom ersten Stock aus und durch die geöffnete Decke, von der man bis auf eine Empore nur die tragenden Balken belassen hat, auf denen jetzt schöne alte Porzellankannen stehen. Das ist ungewohnt für die sechs, eröffnet aber auch ganz neue Möglichkeiten für eine launige Kommunikation untereinander. Wie man überhaupt der Band einmal mehr ihre Spielfreude anmerkte.

Die True Believers hatten ein vielseitiges, mehrsprachiges Programm mitgebracht, bekannte Songs, wie "Hundert kleine Lügen", "Colours", "Weit gereist" oder auch "Mélodie de Séjours", um ein Lied, das man immer bei sich trägt, aber auch neue Stücke, mehr rhythmisch die einen, sehr melodisch andere zwischen Chanson und Soul, aber auch Schlagermäßiges und plattdeutsche Lieder "aus einer Sparte, die wir auch nicht richtig können", so Malte nicht ohne Selbstironie des Vortrags. Der zwanglose Umgang miteinander und mit dem Publikum war ansteckend und beim Lied vom "Hering und der Makrele" wurde von der Möglichkeit zum Mitsingen reichlich Gebrauch gemacht, wobei sich manche der Gäste als ausgesprochen textsicher erwiesen.

So lernten wir die Believers noch einmal von einer etwas anderen Seite kennen, sehr kommunikativ, unterhaltsam, flexibel, bereit und fähig, sich auf ihre Zuhörer einzustellen - und das mit Erfolg, denn niemand im Publikum blieb an diesem Abend unberührt.

Eingang zu 'Dat lütte Café' in Burg - Foto: © 2012 by Schattenblick

'Dat lütte Café' in Burg
Foto: © 2012 by Schattenblick

[1] Schattenblick → INFOPOOL → MUSIK → REPORT
INTERVIEW/003: Valentine & The True Believers - Rhythmus, Spiel und Liederglut (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/musik/report/muri0003.html

26. März 2012