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BERICHT/069: Die Pan-STARRS-Durchmusterung - Der Himmel in Farbe und in 3-D (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 1/13 - Januar 2013
Zeitschrift für Astronomie

Die Pan-STARRS - Durchmusterung
Der Himmel in Farbe und in 3-D

Von Wolfgang Brandner



Diese Himmelsdurchmusterung ist ein Projekt der Superlative: Ein Teleskop auf der Hawaii-Insel Maui erstellt in jeder Beobachtungsnacht im Schnitt jede Minute ein Bild. Daraus entsteht ein umfassender Katalog mit 20 Milliarden Himmelsobjekten - vom erdnahen Asteroiden bis zum fernen Quasar. Durch wiederholte Aufnahmen werden auch Eigenbewegungen, Parallaxen und Helligkeitsänderungen der Objekte ermittelt.


IN KÜRZE

• Bisherige Himmelsdurchmusterungen erfassten häufig nur die Positionen und Helligkeiten der Himmelsobjekte zu einem bestimmten Zeitpunkt.
• Die seit Mai 2010 laufende Himmelsdurchmusterung Pan-STARRS 1 (für: »Panchromatic Survey Telescope And Rapid Response System«) bezieht von vornherein zeitliche Faktoren mit ein: Veränderungen der Helligkeit in unterschiedlichen Farbbereichen, Eigenbewegungen und Parallaxen der Himmelsobjekte.
• Das für Pan-STARRS 1 verwendete Teleskopsystem steht auf dem Vulkan Haleakala auf der Hawaii-Insel Maui. Im Schnitt wird in jeder Beobachtungsnacht jede Minute ein Bild aufgenommen und in Echtzeit verarbeitet.


Himmelsdurchmusterungen haben in der Astronomie eine lange Tradition. Bereits vor etwa 2150 Jahren vermaß und notierte der griechische Philosoph und Naturforscher Hipparchos von Nicäa (um 190-120 v. Chr.) die Helligkeit und Position von etwa 900 Sternen. Dabei führte er das Magnitudensystem der scheinbaren Helligkeiten ein und entdeckte die Präzession der Erdachse.

Die von Friedrich Wilhelm Argelander (1799-1875) im Jahr 1852 begonnene Bonner Durchmusterung des nördlichen Sternenhimmels erfasste - gemeinsam mit zwei nachfolgenden systematischen Sternvermessungen bis zum südlichen Himmelspol - als letzte der großen visuellen Durchmusterungen bereits eine Million Sterne.

Fotografisch durchgeführte Himmelsdurchmusterungen wie der Palomar Observatory Sky Survey in den 1950er Jahren beschränkten sich zunächst auf die reine Abbildung des Himmels. Erst die in den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vorgenommene Digitalisierung der Fotoplatten ermöglichte die automatische Katalogisierung der abgelichteten Himmelsobjekte. Der darauf aufbauende und im Jahr 2000 veröffentlichte Guide Star Catalog II umfasst die Positionen und Helligkeiten fast einer Milliarde Himmelsobjekte, und stellt zusammen mit dem fast 500 Millionen Punktquellen umfassenden Two Micron All Sky Survey (2MASS) die zurzeit vollständigste Himmelsdurchmusterung dar.

Die im Mai 2010 begonnene Himmelsdurchmusterung Pan-STARRS 1 (kurz: PS 1) lässt einen Katalog mit 20 Milliarden Galaxien, Sternen, Braunen Zwergen und Kleinplaneten erwarten. Der Name Pan-STARRS steht dabei für »Panchromatic Survey Telescope And Rapid Response System«. Neben der systematischen Durchmusterung des Himmels (»survey«) in unterschiedlichen Farben (»panchromatic«) kann das verwendete Teleskopsystem schnell auf neue Beobachtungsanforderungen wie zum Beispiel die optische Nachfolgebeobachtung von Gammastrahlenausbrüchen reagieren (»rapid response«). Während bisherige Durchmusterungen häufig nur den Istzustand des Himmels zu einem bestimmten Zeitpunkt abbildeten, ist PS 1 von vornherein darauf ausgelegt, die zeitliche Dimension mit einzubeziehen, indem die Helligkeitsänderungen sowie die Eigenbewegungen und Parallaxen der Himmelsobjekte gemessen werden.

Pan-STARRS 1 ist ein astronomisches Projekt der Superlative. Die CCD-Kamera mit 1,4 Milliarden Pixel nimmt in einer Beobachtungsnacht im Mittel jede Minute ein neues Bild auf. Pro Nacht ergibt das eine Datenmenge von mehr als 3000 Gigabyte, die am darauf folgenden Tag verarbeitet und ausgewertet werden muss. Dafür steht auf Maui ein Supercomputer mit 2,5 Petabyte (2.500.000 Gigabyte) Speicherplatz zur Verfügung. Die 20 Milliarden Himmelsobjekte, die der fertige Katalog enthalten wird, umfassen das gesamte Universum, angefangen von Kleinplaneten, die unserer Erde bedrohlich nahe kommen könnten, bis hin zu weit entfernten Quasaren, die weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall entstanden. Neben zwei Filtern im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums verwendet PS 1 drei Filter im nahen Infrarotbereich, um besonders kühle und somit rote Objekte entdecken zu können. Ziel von PS 1 ist es, drei Viertel des Himmels (30.000 Quadratgrad) in diesen Filtern wiederholt zu beobachten.


Teleskop, Kamera und Beobachtungsstrategie

Das PS 1-Teleskop steht auf dem schlafenden Vulkan Haleakala in 3000 Meter Höhe nahe dem Gipfel (siehe Bild in der Druckausgabe). Haleakala ist ein Schildvulkan, dessen bisher letzter Ausbruch etwa 500 Jahre zurückliegt, und der einen Großteil von Maui, der zweitjüngsten Insel des hawaiianischen Archipels, ausmacht.

Seit Mai 2010 nimmt das Teleskop in jeder klaren Nacht große Regionen des Himmels auf. Bis Ende 2012 wurden bereits mehr als 3000 Stunden auf die Himmelsdurchmusterung verwendet. Beobachtungen einzelner Felder in den beiden langwelligsten Filtern erfolgen im Abstand von etwa sechs Monaten jeweils am Anfang beziehungsweise am Ende einer Beobachtungsnacht. Anhand dieser Aufnahmen sollen die trigonometrischen Parallaxen naher Himmelsobjekte gemessen werden, also die scheinbaren Verschiebungen dieser Objekte an der Himmelssphäre, die durch den Umlauf der Erde um die Sonne zu Stande kommt. Für Objekte innerhalb eines Abstands von 100 Parsec (326 Lichtjahren) von der Sonne soll PS 1 die Entfernung mit einer Genauigkeit von besser als zehn Prozent bestimmen. Dies entspricht einem Messfehler in der Parallaxe, der kleiner als eine Millibogensekunde ist.

Wiederholte Aufnahmen verteilt über mehr als drei Jahre erlauben zudem, die Eigenbewegung naher Sterne und Brauner Zwerge zu ermitteln. Die Beobachtungen im Visuellen ermöglichen, die Objekte genau zu klassifizieren. So lassen sich Sterne unterschiedlicher Metallhäufigkeit, Braune Zwerge, Galaxientypen sowie Kleinplaneten und Kometen im Sonnensystem voneinander unterscheiden.

Finanziert wurden das etwa 60 Millionen US-Dollar teure Teleskop und die Kamera von der Luftwaffe der USA, die sich unter anderem für die neuartige Detektortechnologie und für die Beobachtung und die Bestimmung der Umlaufbahnen künstlicher Erdsatelliten interessiert. Jeden Monat sind deshalb einige Beobachtungsnächte des Teleskops für die US-Luftwaffe reserviert. Das Pan-STARRS 1 Science Consortium ist hingegen eine wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft zur Durchführung der Himmelsdurchmusterung, in der sich Institute der Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland mit Universitäten in den USA, Großbritannien und Taiwan zusammengeschlossen haben.

Während der Großteil der heutzutage für astronomische Forschung verwendeten Teleskope eigenständig gebaut und deren Instrumente relativ unabhängig davon für die jeweiligen Fokuspositionen entwickelt wurden, ist das Pan-STARRS-Instrument am besten als CCD-Kamera mit vorgeschaltetem Weitwinkelobjektiv zu beschreiben. Das Weitwinkelobjektiv ist ein fünfelementiger Achromat bestehend aus zwei Spiegeln von 1,8 Meter und 0,9 Meter Durchmesser und drei jeweils etwa 40 bis 50 Zentimeter großen Korrekturlinsen.

Die CCD-Kamera hat 1,4 Milliarden Sensorelemente (siehe Bild links). Sie beobachtet ein Bildfeld mit einem Winkeldurchmesser von drei Grad. Das entspricht dem sechsfachen Winkeldurchmesser des Erdmonds. Der Abbildungsmaßstab beträgt 0,3 Bogensekunden pro Pixel, was von der Erde aus gesehen einer Strecke von etwa 500 Metern auf der Mondoberfläche entspricht.

Nicht nur die Anzahl der Bildelemente der Kamera ist beeindruckend, sondern auch ihre schiere Größe. Die Fokalebene mit insgesamt 60 CCDs hat eine Größe von 40 ? 40 Zentimetern. Der Durchmesser der Linsen des Achromaten definiert auch die Größe der optischen Filter (50 Zentimeter Durchmesser) und des am Argelander-Institut der Universität Bonn entwickelten Schlitzverschlusses der Kamera mit einer Öffnung von 48 x 48 Zentimetern. Zwei der bei der Durchmusterung verwendeten Filter beobachten im Visuellen (g für Grün, r für Rot) und drei im nahen Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums (i, z und y).


Erdnahe Objekte auf Kollisionskurs?

Geschätzt durchstreifen mehr als 10 Millionen Asteroiden und Kleinplaneten das Sonnensystem. Für etwa 600.000 Objekte kennt das Kleinplanetenzentrum der Internationalen Astronomischen Union die Umlaufbahnen. Knapp 10.000 davon umkreisen die Sonne deutlich innerhalb der Umlaufbahn des Mars und zählen daher zur Klasse der erdnahen Asteroiden. Der Großteil dieser Objekte, die unserem Heimatplaneten gefährlich nahe kommen können, dürfte allerdings noch unbekannt sein.

Die Größe, die Verteilung und das Alter der Einschlagkrater auf der Erdoberfläche zeigen auf, dass in der Vergangenheit immer wieder erdnahe Asteroiden mit der Erde zusammenstießen (siehe SuW 1/2011, S. 32). Der Aufprall eines erdnahen Asteroiden mit einem geschätzten Durchmesser von 1,5 Kilometern führte so vor 14,5 Millionen Jahren zur Entstehung des Nördlinger Ries-Kraters mit einem Durchmesser von fast 25 Kilometern.

Das große Bildfeld und die wiederholten Beobachtungen einzelner Felder ermöglichen es PS 1, einen Großteil der erdnahen Asteroiden mit Durchmessern von mehr als 300 Metern zu erspähen. Seit Beginn der Durchmusterung hat PS 1 bereits mehrere Millionen neue Messungen der Bahnen von Asteroiden und Kometen im Sonnensystem durchgeführt und mehr als 10.000 Kleinplaneten entdeckt. Mit am Erfolg beteiligt sind auch Schüler in den USA und in Deutschland. In einem von Carolin Liefke am Haus der Astronomie in Heidelberg mit organisierten Projekt werten Schüler Pan-STARRS-Daten aus. Dabei wurden schon mehrere Kleinplaneten entdeckt (siehe Bild in der Druckausgabe).

Weiterhin ist zu erwarten, dass PS 1 Hunderte von Kometen und Mitgliedern des Kuipergürtels in den Außenbereichen unseres Sonnensystems entdecken wird. Noch können wir aufatmen: Bisher wurde kein Asteroid oder Komet gefunden, der sich in den nächsten Jahren auf direktem Kollisionskurs mit der Erde befindet.


Komet PANSTARRS im März am Abendhimmel

Kometen werden nach ihren Entdeckern benannt. Im Juni 2011 gelang am Pan-STARRS-Telekop die Entdeckung des nichtperiodischen Kometen C/2011 L4, der den Namenszusatz »PANSTARRS« erhielt. Der Himmelskörper war zu diesem Zeitpunkt ein schwacher Lichtfleck 19. Magnitude und befand sich noch jenseits der Jupiterbahn in etwa einer Milliarde Kilometer Entfernung von der Sonne.

Aus der hochelliptischen Bahn, die fast einer Parabelbahn entspricht, schlossen die Astronomen, dass der Komet vor einigen Millionen Jahren begann, von der Oortschen Wolke aus näher zur Sonne hin zu driften. Der Brocken aus Eis und Staub besucht das innere Sonnensystem möglicherweise zum ersten Mal, womit er ein fossiler Botschafter aus den Anfängen unseres Sonnensystems wäre.

Im Oktober 2012 hatte die den Kometen umgebende Wolke aus Staub und Gas, die Koma, bereits einen Durchmesser von 120.000 Kilometern, was einem Drittel der Entfernung zwischen der Erde und dem Mond entspricht. Anfang März 2013 wird sich der Komet innerhalb der Merkurbahn bis auf 45 Millionen Kilometer der Sonne nähern. Die neue Umlaufbahn, die er auf Grund dieser engen Begegnung einnimmt, wird vermutlich eine Dauer von etwa 110.000 Jahren haben. Ein paar Tage nach seiner engsten Annäherung an die Sonne, der Perihelpassage, sollte der Schweifstern für Beobachter auf der nördlichen Erdhalbkugel kurz nach dem Einsetzen der Abenddämmerung über dem Westhorizont in den Sternbildern Walfisch und Fische sichtbar sein - möglicherweise sogar mit bloßem Auge.

Wie hell der Komet nach der Perihelpassage tatsächlich werden wird, lässt sich naturgemäß nur schwer voraussagen. Aus der bisherigen Helligkeitsentwicklung schätzen erfahrene Kometenbeobachter, dass Komet PANSTARRS für einige Tage die scheinbare Helligkeit der Venus erreichen könnte. Für Beobachter mit Teleskopen wird der Komet für einen Großteil des Jahres 2013 am nördlichen Sternenhimmel zu sehen sein.


Braune Zwerge

Der Stern Proxima Centauri ist 1,3 Parsec (4,2 Lichtjahre) von uns entfernt. Obwohl er unser nächster stellarer Nachbar ist, wurde er auf Grund seiner geringen Leuchtkraft erst im Jahr 1915 entdeckt. Die Suche nach Objekten noch geringerer Leuchtkraft, den Braunen Zwergen, war lange erfolglos. Braune Zwerge weisen nicht genügend Masse auf, um stabile Fusion von Wasserstoff in ihrem Inneren aufrechtzuerhalten, und kühlen somit nach ihrer Entstehung stetig aus.

Systematische Himmelsdurchmusterungen im Infraroten, insbesondere die beiden Projekte DENIS und 2MASS, ermöglichten seit Mitte der 1990er Jahre die Entdeckung einiger hundert Brauner Zwerge in der Sonnenumgebung. Da Durchmusterungen wie DENIS und 2MASS allerdings jeweils nur eine Epoche aufnahmen, konnten Objekte nicht anhand ihrer Kinematik und Entfernung, sondern nur auf Grund ihrer Infrarotfarben identifiziert werden.

Beobachtungen im Rahmen des Sloan Digitized Sky Surveys (SDSS) im Optischen zeigten auf, dass die Infrarotdurchmusterungen systematisch bestimmte Spektraltypen der Braunen Zwerge übersahen. Auf Grund der Messung der Eigenbewegung und der trigonometrischen Parallaxe wird PS 1 einen dreidimensionalen dynamischen Katalog aller Sterne und vieler Brauner Zwerge innerhalb einer Entfernung von 100 Parsec erstellen. Damit ist es möglich, nahe, auch äußerst leuchtschwache Objekte unabhängig von ihrer Farbe zu identifizieren. PS 1 wird viele tausend Braune Zwerge in der Sonnenumgebung entdecken.

Neben der Bestimmung der Häufigkeit von Braunen Zwergen im Milchstraßensystem und deren Beitrag zur baryonischen Masse - also zur gewöhnlichen Materie im Universum - wird PS 1 nach den nächsten Nachbarn der Sonne suchen. Noch ist die Frage offen, ob Proxima Centauri wirklich unser nächster Nachbar ist. Weiterhin lassen sich die Sterne in der Sonnenumgebung in Eigenbewegungsgruppen einordnen und somit deren Herkunft und Alter untersuchen.

Im Halo der Milchstraße können Sterne auf Grund ihrer Farben in Gruppen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Metallhäufigkeit eingeordnet werden. Ziel ist es, Sternströme und Gezeitenpfade von sich auflösenden Sternhaufen und Zwerggalaxien zu entdecken und zu kartieren, um daraus Erkenntnisse über die Entstehung und den Aufbau der Milchstraße und der lokalen Gruppe abzuleiten.


Zurück zum Anfang des Universums

Die langwelligen Filter des PS 1-Teleskops ermöglichen es, Objekte in der extremen Frühzeit des Universums zu finden, als das Universum jünger als ein Zehntel des heutigen Alters war. Hier können insbesondere Quasare studiert werden, extrem massereiche Schwarze Löcher, die rasch große Mengen an Materie einsammeln und so hell strahlen, dass sie auch über die größten Entfernungen hin beobachtet und im Detail studiert werden können.

Quasare sind zwar sehr leuchtstark, aber auch sehr selten, so dass riesige Himmelsflächen beobachtet und katalogisiert werden müssen, um diese Quellen zu identifizieren. Dieser Suche kommt zugute, dass PS 1 den gesamten von Hawaii aus sichtbaren Himmel beobachten wird.

Bis 2012 waren die Rekordhalter Quasare bei einer Rotverschiebung von z ~ 6, das heißt zu einer Zeit, als das Universum weniger als eine Milliarde Jahre alt war. Tiefe Einzelaufnahmen einiger ausgewählter Himmelsfelder haben inzwischen einige Kandidaten für Galaxien mit Rotverschiebungen bis zu z ~ 10 entdeckt. PS 1 wird zwar keine neuen Rotverschiebungs-Rekordhalter nachweisen, sollte aber einige zehn bis hundert Quasare mit Werten bis z = 7,5 finden. Diese Rotverschiebung entspricht einem Zeitpunkt, zu dem das Universum nur 0,7 Milliarden Jahre alt war (ein zwanzigstel seines heutigen Alters). Diese Stichprobe mit 50 oder mehr hoch rotverschobenen Quasaren wird zum ersten Mal eine statistische Untersuchung des Ursprungs und der früheren Entwicklung von Quasaren ermöglichen.

Wissenschaftlern am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg unter Leitung von Eric Morganson ist es gelungen, bereits in den ersten PS 1-Daten einen leuchtkräftigen Quasar bei einer Rotverschiebung von z ~ 6 zu identifizieren (siehe Bild in der Druckausgabe). Diese Quelle besitzt ein zentrales extrem massereiches Schwarzes Loch, das trotz seines relativ jungen Alters von weniger als einer Milliarde Jahre bereits eine Masse von einer Milliarde Sonnenmassen vorweisen kann.

Neben den bereits genannten Beispielen gibt es noch eine Vielzahl weiterer wissenschaftlicher Fragen, die im Rahmen von zwölf Arbeitsgruppen im Rahmen von PS 1 untersucht werden. Ausgewählte Felder am Himmel werden häufiger beobachtet, um so anderen variablen Quellen wie Supernovae auf die Spur zu kommen, oder um nach Planeten zu suchen, die in regelmäßigen Zeitabständen vor ihrem Stern vorbeiziehen, und so zu einem kleinen Helligkeitsabfall führen.

Die Beobachtungen für das PS 1-Projekt sollen bis November 2013 abgeschlossen werden. Ab Ende 2014 sollen dann alle Astronomen weltweit freien Zugriff auf die Daten haben.

PS 1 wird nicht nur durch die Anzahl der Quellen, sondern auch durch die Messung der zeitlichen Veränderlichkeit der Positionen, Helligkeiten und Farben der Himmelsobjekte die bisher umfassendste Himmelsdurchmusterung darstellen.

Unser Verständnis des Sonnensystems, der Sonnenumgebung, der Struktur, Entstehung und Entwicklung der Milchstraße und anderer Galaxien, sowie der frühen Entwicklung der Universums wird dadurch nachhaltig beeinflusst. Die Auswertung und Interpretation der Daten wird Astronomen gewiss noch für viele Jahre beschäftigen.

Auf den Erfahrungen mit PS 1 aufbauend wird zur Zeit auf dem Haleakala das PS 2-Teleskop errichtet, das - von einigen Verbesserungen abgesehen - im Wesentlichen baugleich mit dem PS 1-Teleskop ist. Pan-STARRS 2 wird möglicherweise bereits ab 2013 astronomische Beobachtungen durchführen und soll dann parallel mit dem PS 1-Teleskop jeweils den gleichen Himmelsausschnitt überwachen und absuchen. Durch die Parallelbeobachtung erwartet man eine bessere Filterung falscher Detektorsignale und so eine verbesserte Nachweisgrenze für lichtschwache Quellen.

Ebenfalls ab 2013 soll die Satellitenmission Gaia der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA unser Milchstraßensystem kartieren und Sterne bis in 10 Kiloparsec (32.000 Lichtjahre) Entfernung astrometrisch und spektroskopisch vermessen. Gaia soll eine deutliche höhere astrometrische Genauigkeit erzielen als PS 1, wird aber im Gegensatz zu PS 1 »nur« etwa eine Milliarde Sterne erfassen.

In noch etwas fernerer Zukunft ist das Large Synoptic Survey-Teleskop (LSST), ein Weitwinkelteleskop mit einem Hauptspiegel mit acht Meter Durchmesser, das über einen Zeitraum von zehn Jahren den halben Himmel (20.000 Quadratgrad) im Mittel einmal pro Woche erfassen soll. Die Finanzierung der auf eine Milliarde US-Dollar geschätzten Projektkosten des LSST ist allerdings in Zeiten knapper Kassen noch offen.

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Scharfe Himmelsaufnahmen über weite Felder

Damit die Einzelaufnahmen besonders detailreich werden, verwendet die Kamera des Pan-STARRS-Teleskops so genannte »Orthogonal charge transfer« CCDs (OCT-CCD) als Sensoren. Bei herkömmlichen CCDs werden die bei der Belichtung gesammelten Fotoelektronen erst nach Ende der Belichtung zeilenweise zum Ausleseregister verschoben. Jeder, der mit hoher Vergrößerung unter guten Bedingungen mit den Augen oder einer Webkamera Sterne beobachtet hat, kennt das durch die Erdatmosphäre verursachte Hin- und Herspringen der Bilder. Über lange Belichtungszeiten gemittelt, verschmiert diese Bildunschärfe die wesentlich besser aufgelösten Einzelaufnahmen, so dass letztlich ein weit unschärferes Bild ausgelesen wird.

OCT-CCDs hingegen können während der Belichtung die bereits gesammelten Elektronen in zwei senkrecht zueinander stehenden Richtungen verschieben. Geschieht dies synchron mit dem durch die Atmosphäre verursachten Hin- und Herspringen der scheinbaren Positionen der Himmelsobjekte, wird das Verschmieren des Bildes vermieden und am Ende der Belichtung eine deutlich schärfere Aufnahme ausgelesen und gespeichert.

Für kleine Bildfelder lässt sich das Verwaschen von Langzeitaufnahmen auch durch eine schnell ansteuerbare Kippoptik (Linse oder Spiegel) im Strahlengang der Kamera erreichen (bekannt aus der Bildstabilisierung etwa von Zoomobjektiven oder als niedrige Ordnungen der in der Astronomie heute routinemäßig eingesetzten adaptiven Optik). Über große Bildfelder, also Winkelabstände am Himmel, die größer sind als der so genannte isoplanatische Winkel, zeigen sich Unterschiede im Hin- und Herspringen der Bilder. Alle der 60 OCT-CCDs sind deshalb in 64 voneinander unabhängige Zellen mit jeweils 600 x 600 Pixel (entsprechend 3 x 3 Bogenminuten) unterteilt, die unabhängig voneinander mit Bildraten bis zu 10 kHz angesteuert werden können. Zum Messen der Bildunschärfe verwendet die Kamera dabei die Position der hellsten Sterne im Bereich der jeweiligen Zelle.

Da die Bilder jeder Einzelzelle unabhängig von allen anderen Zellen verschoben werden, erhalten die Astronomen zwar am Ende ein schärferes Bild, allerdings auf Kosten der astrometrischen Genauigkeit. Ein Verschieben der Bilder in den jeweiligen Einzelzellen ändert die im Summenbild gemessenen Abstände der Sterne. Um die globale astrometrische Information zu erhalten, wurde die Korrektur der Bildschärfe daher bisher nur versuchsweise genutzt, kommt aber bei der Durchmusterung nicht zum Einsatz.

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Sechseck-Rasterung der Himmelskugel

Die wiederholte systematische Durchmusterung des Nachthimmels vom nördlichen Pol bis 30 Grad südlich des Himmelsäquators erfordert eine detaillierte Planung. Da der Standort des Teleskops nahe 21 Grad nördlicher Breite liegt, ändert sich die Länge der astronomischen Nacht (das heißt die Dauer, für die sich die Sonne tiefer als 18 Grad unter dem Horizont befindet) über das Jahr nur um etwa 2,5 Stunden: von fast 8 Stunden im Sommer auf 10,5 Stunden im Winter. Im langjährigen Mittel sind 30 Prozent der Nächte für fotometrische Messungen nutzbar, und in weiteren 35 Prozent der Nächte ist zumindest ein Teil des Himmels klar oder nur von dünnen Zirruswolken bedeckt. Jedes Jahr stehen somit theoretisch etwas mehr als 2000 Beobachtungsstunden zur Verfügung.

Zur Planung der Beobachtungen wird der Himmel mit einem Bienenwabenmuster aus 6252 Sechsecken überzogen, die jeweils knapp sechs Quadratgrad abdecken. Ziel der Durchmusterung ist es, im Lauf eines Jahres fast 5500 Waben jeweils zweimal mit der PS 1-Kamera in fünf Filtern abzulichten.

Beobachtungen im kurzwelligen g-Filter (g für Grün) erfordern einen besonders dunklen Himmel und können daher nicht in Vollmondnächten durchgeführt werden. Während sich die Himmelshelligkeit in den langwelligen y- und z-Filtern kaum mit der Mondphase ändert, müssen Beobachtungen einzelner Himmelsfelder in diesen Filtern im Abstand von etwa sechs Monaten am Anfang beziehungsweise am Ende der Nacht durchgeführt werden, um eine genaue Messung der trigonometrischen Parallaxe und somit der Entfernung von Sternen und Braunen Zwergen in der Sonnenumgebung zu ermöglichen. In Vollmondnächten können ungewollte Reflexionen des Mondlichts so genannte Geisterbilder in der Kamera erzeugen, so dass ein relativ großes Himmelsgebiet von der Durchmusterung ausgenommen ist.

Um diesen Randbedingungen Rechnung zu tragen, verwendet PS 1 ein Planungsprogramm, das vor Beginn jeder Beobachtungsnacht den Katalog der bereits beobachteten Himmelsabschnitte aktualisiert und dann eine Liste der in der folgenden Nacht abzulichtenden Himmelswaben erstellt. Nur so ist eine möglichst effiziente Durchmusterung des Himmels möglich.

Von Mai 2010 bis Ende 2012 beobachtete das Pan-STARRS-1-Teleskop etwa 4000 Stunden, wobei 75 Prozent davon auf die Himmelsdurchmusterung entfielen. Die restliche Zeit wurde für andere Projekte wie zum Beispiel für die mitteltiefe Durchmusterung einiger ausgewählter Himmelsfelder, die Suche nach Kleinplaneten und Kometen im äußeren Sonnensystem, die Suche nach Exoplanetenbedeckungen von Sternen in einem ausgewählten Himmelsabschnitt, die Suche nach Gravitationsmikrolinsen im Halo der Andromedagalaxie und für Wartungsarbeiten an Teleskop und Kamera verwendet.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Zur Planung der Himmelsdurchmusterung wird der Himmel in mehr als 6000 Sechseckwaben unterteilt, die jeweils dem Bildfeld der Kamera entsprechen. Alle Sechsecke, deren Mittelpunkt nördlich einer Deklination von -30 Grad liegen, sollen im Verlauf von dreieinhalb Jahren mindestens sechsmal und in fünf unterschiedlichen Filtern beobachtet werden. Die Mittelpunkte der Sechseckwaben werden bei darauffolgenden Beobachtungen gegeneinander verschoben, um auch beim Auftreten von fehlerhaften Sensorelementen eine möglichst vollständige Abdeckung des Himmels zu erreichen.


Wolfgang Brandner forscht seit 10 Jahren am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, mit Forschungsschwerpunkten Sternentstehung und der Suche nach Exoplaneten. Bei Pan-Starrs ist er für die Koordinierung der Untersuchung von Sternen und Braunen Zwergen in der nahen Sonnenumgebung mitverantwortlich.


Literaturhinweise

Bührke, T.: Reiche Ernte der Sloan-Himmelsdurchmusterung. In: SuW 10/2001, S. 830-832
Gritzner, Ch.: Achtung Einschlag! Wie lassen sich erdnahe Objekte abwehren? In: SuW 1/2011, S. 32-40
Morganson, E. et al.: The First High-Redshift Quasar from Pan-STARRS. In: The Astronomical Journal 143, S. 142, 2012

www.hausderastronomie.de/de/was-wir-tun/forschen-helfen/asteroidensuche
Projekt »Asteroidensuche mit Schülern« am Haus der Astronomie

Weitere Weblinks zum Thema unter
www.sterne-und-weltraum.de/artikel/1172322

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 37:
Das für die Himmelsdurchmusterung Pan-STARRS 1 eingesetzte Teleskop steht auf dem 3000 Meter hohen Haleakala auf der Hawaii-Insel Maui. Schwarz gefärbte Blenden um den Zweitspiegel und im weiteren Strahlengang des Teleskops mindern besonders in Vollmondnächten das Streulicht. Der Gipfel des Haleakala befindet sich meist über der Inversionsschicht und daher oberhalb der Wolken. Im Hintergrund ist der Gipfel des etwa 130 Kilometer entfernten Mauna Kea auf Hawaii zu sehen, wo einige der größten optischen Teleskope der Welt betrieben werden.

Abb. S. 38:
Blick in die Fokalebene der Gigapixelkamera 1 (GPC1) mit dem CCD-Mosaik während des Zusammenbaus des Instruments. Jedes der 60 Sensormodule der Kamera besteht aus 8 x 8 Einzelzellen mit jeweils 600 x 600 Bildelementen. Jedes der Sensormodule misst etwa 5 x 5 Zentimeter. Die Kamera weist somit fast 1,4 Milliarden Bildelemente auf, die sich über eine Fokalebene von 40 x 40 Zentimeter erstrecken.

Abb. S. 40:
Auf Pan-STARRS-Aufnahmen entdeckte der Schüler Florian Bullinger vom Albert-Schweitzer-Gymnasium Crailsheim den Asteroiden 2012 VX80 (Pfeil).

Abb. S. 41:
Farbaufnahme des Lagunennebels (M8, unten) und des Trifidnebels (M20, oben) im Sternbild Schütze (jeweils acht Minuten Belichtungszeit im g-Filter in Blau, r-Filter in Grün und i-Filter in Rot). Beide Nebel sind in einem großen Sternentstehungsgebiet eingebettet, das von Globulen und Dunkelwolken durchzogen ist. Der abgebildete Himmelsausschnitt hat einen Durchmesser von drei Grad, was dem Bildfeld der Kamera GPC1 entspricht. Die Nebel leuchten in den Rekombinationslinien des atomaren Wasserstoffs und Sauerstoffs, wobei H-alpha in den Bereich des r-Filters fällt und die Linien von H-beta und OIII in den Bereich des g-Filters fallen.

Abb. S. 42:
Der erste in den Daten von Pan-STARRS 1 entdeckte Quasar mit hoher Rotverschiebung (z = 5,73) zeichnet sich auf dieser Aufnahme durch seine rote Färbung ab (Pfeil). Das Objekt PSO J215.1512-16.0417 enthält ein zentrales Schwarzes Loch mit der milliardenfachen Masse der Sonne. Die Kantenlänge des Bildausschnitts beträgt 45 Bogensekunden.


© 2013 Wolfgang Brandner, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 1/13 - Januar 2013, Seite 36 - 42
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/528 150, Fax: 06221/528 377
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
Tel.: 06221/9126 600, Fax: 06221/9126 751
Internet: www.astronomie-heute.de
 
Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2013