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FORSCHUNG/394: Auf der Spur der kosmischen Beschleuniger (Spektrum der Wissenschaft)


Spektrum der Wissenschaft 7/09 - Juli 2009

Auf der Spur der kosmischen Beschleuniger

Von Jan Hattenbach


Die vielleicht spektakulärsten Phänomene des Weltalls verraten sich durch extrem energiereiche kosmische Strahlung. Um deren Quellen zu identifizieren, gehen Gammaastronomen höchst trickreich vor.


IN KÜRZE

Die Erde ist einem Bombardement durch extrem energiereiche kosmische Teilchen ausgesetzt. Noch wissen die Forscher wenig über deren Herkunft.
Den Partikelstrom begleiten aber auch Gammastrahlen, deren Quellen sich leichter entdecken lassen.
Neue bodenbasierte Gammateleskope werden das Rätsel der kosmischen Beschleuniger vermutlich bald lösen.

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Victor Franz Hess stand vor keiner leichten Aufgabe, als er die ungewöhnlichen Ergebnisse seiner Forscherkollegen zu erklären versuchte. Um 1912 wurde die beobachtete Ionisation von Luftmolekülen in der Atmosphäre weithin mit einer irdischen Ursache begründet: Strahlung nämlich, die von radioaktiven Substanzen im Boden ausgeht. Einige wenige Wissenschaftler hatten jedoch festgestellt, dass die Luftionisation mit zunehmender Höhe keineswegs so stark abnahm, wie die Modelle vermuten ließen. Vielerorts herrschte allerdings die Überzeugung, dies sei schlicht das Ergebnis von Messfehlern und der Verwendung unzuverlässiger Instrumente.

Beinahe hätte man so eine der wichtigsten Informationsquellen übersehen, die das Universum uns bereitstellt. Victor Hess aber (18834) entdeckte sie. Bei Ballonfahrten in die nahe Atmosphäre stellte er fest, dass die Leitfähigkeit der Luft mit der Höhe sogar zunimmt, und postulierte daraufhin die Existenz einer »Höhenstrahlung«. Tatsächlich wurde mit der Zeit klar, dass die Erde einem fortwährenden Bombardement geladener Teilchen aus dem All ausgesetzt ist. 1936 erhielt Hess für seine Entdeckung den Nobelpreis, und seit einigen Jahren erinnern auch die HESS-Gammastrahlenteleskope in Namibia an den österreichischen Physiker. Doch dazu später.

Die kosmische Strahlung, wie sie mittlerweile genannt wird, fasziniert Astronomen und Astroteilchenphysiker bis heute. Immerhin liefert sie ihnen Daten (und Materie) aus den entferntesten Regionen im Kosmos. Ihren Hauptanteil machen geladene Teilchen wie Wasserstoff- und Heliumkerne, also Protonen und Alphateilchen, sowie Elektronen aus. Einige von ihnen sind wahre Boliden: Sie besitzen Energien von bis zu 1020 oder 1021 Elektronvolt. Selbst im weltgrößten Teilchenbeschleuniger, dem Large Hadron Collider, werden Protonen auf gerade einmal 7x1012 eV gebracht. Doch manche kosmischen Protonen treffen mit derselben Energie auf die Atmosphäre, mit der ein Körper der Masse von einem Kilogramm, fallengelassen aus einem Meter Höhe, auf den Erdboden schlägt.

Die Antwort auf die Frage, welchen Naturphänomenen die Partikel ihre hohen Energien verdanken, fällt den Astrophysikern bis heute schwer. Klar ist immerhin, dass in solchen kosmischen Beschleunigern extreme physikalische Bedingungen herrschen müssen. Auffälligerweise folgt die Verteilung der Teilchenenergien einem Potenzgesetz: Partikel mit niedriger Energie beobachten die Forscher wesentlich häufiger als solche mit sehr hoher Energie. So treffen pro Minute und Quadratmeter einige Dutzend Teilchen auf die Atmosphäre, die immerhin rund 1012 eV aufweisen. Von den energiereichsten Partikeln erreichen uns indessen nur wenige pro Jahr und Quadratkilometer.

»Thermische« Energieverteilungen, wie sie etwa bei der von Sternen ausgehenden Strahlung auftreten, besitzen ein Maximum, dessen Wert vor allem von der Temperatur des Körpers abhängt. Photonen höherer sowie niedriger Energien werden in diesem Fall deutlich seltener gemessen. Das Potenzgesetz deutet hingegen auf »nichtthermische« Quellen hin: Die Teilchen standen zum Zeitpunkt ihrer Beschleunigung also nicht im thermischen Gleichgewicht mit ihrer Umgebung. Stattdessen müssen sie ihre Energie durch viele aufeinander folgende »Stöße« erhalten haben. Die Beschleunigungsmechanismen, die dort am Werk sind, glauben theoretische Astrophysiker zwar mittlerweile recht gut zu verstehen. Doch gleich tut sich die nächste Frage auf: Wo genau laufen diese Mechanismen ab?

Und welche Art von nichtthermischen kosmischen Objekten sind dort zu finden?

Im Lauf der Zeit haben Wissenschaftler eine ganze Reihe von Modellen aufgestellt. Ihren Überlegungen zufolge gelten explodierende Sterne als eine Hauptquelle der kosmischen Teilchenstrahlung. Bei solchen Supernovae wird Materie weit in den Raum hineingeschleudert. Diese Teilchenwolken - ihre Masse beträgt ein Vielfaches der Sonnenmasse, und sie durchqueren den Raum mit Geschwindigkeiten von mehreren tausend Kilometern pro Sekunde - führen ein starkes Magnetfeld mit sich und erzeugen Stoßwellen, sobald sie mit dem umgebenden Medium zusammenprallen. Das Magnetfeld in diesen Stoßwellen kann geladene kosmische Partikel tatsächlich so stark beschleunigen, wie wir dies beobachten.

Kandidaten für kosmische Beschleuniger sind auch kompakte Überreste von Supernovae, nämlich Pulsare, Schwarze Löcher und die ins All geschleuderten Gashüllen ihrer Vorläufersterne. Außerhalb unserer Milchstraße suchen die Forscher ebenfalls: in Regionen kollidierender Galaxien, in dem heißen Gas, das den Raum zwischen den Sternsystemen in Galaxienhaufen erfüllt, vor allem aber in den Aktiven Galaktischen Kernen (AGK) anderer Sternsysteme. Denn diese beherbergen Schwarze Löcher mit mehreren Millionen Sonnenmassen, die Materie aus ihrer Umgebung anziehen und Partikel dabei bis fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen.


Die meiste Information geht verloren

Um ihre Modelle bestätigen zu können, müssen die Astronomen nun die Quellen der Teilchenstrahlung identifizieren, also die Herkunft der kosmischen Teilchen bestimmen. Magnetfelder in der Milchstraße zwingen die geladenen Partikel jedoch, lange bevor sie die Erde erreichen, auf komplexe, verwirbelte Flugbahnen. Dabei geht jegliche Information über ihre ursprüngliche Richtung und damit über ihren Ursprungsort verloren.

Unbeeinflusst bleiben nur die elektrisch neutralen Photonen, die ebenfalls Teil der kosmischen Strahlung sind. Besonders ergiebig für die so genannte Objektastronomie des nichtthermischen Universums ist die Untersuchung von Gammaphotonen mit Energien von einigen Megaelektronvolt (MeV, 106 eV bis weit in den Teraelektronvoltbereich (1012 eV hinein. Die beobachteten Gammaquanten können also weit mehr als eine Billion Mal energiereicher als Photonen des sichtbaren Lichts sein. Sie entstehen ebenfalls direkt in den kosmischen Beschleunigern, oder zumindest in ihrer Nähe - dort, wo die beschleunigten geladenen Teilchen mit interstellarer Materie wechselwirken. Von hier aber durchqueren die neutralen Photonen das Weltall völlig geradlinig und helfen den Forschern bei der Suche nach ihren Ursprungsorten.

Ein großer Teil der kosmischen Strahlung wird von der irdischen Atmosphäre absorbiert, insbesondere auch Gammastrahlen. (Das ist natürlich gut so, denn die ionisierende Strahlung wäre für Lebewesen tödlich.) Im Raumzeitalter setzen die Wissenschaftler darum auf Satelliten wie Fermi, der im Juni 2008, damals noch unter dem Namen GLAST, in den Orbit befördert wurde (siehe »Ein Fenster zum heißen Universum«, SdW April 2008, S. 34). Er ist das derzeit leistungsfähigste Gammastrahlenobservatorium in einer Erdumlaufbahn.

Solche Satelliten ähneln eher Teilchendetektoren als Teleskopen. Denn Gammastrahlen kann man nicht wie Licht bündeln und fokussieren, weil sie zu energiereich sind, um von Linsen gebrochen zu werden. Stattdessen lässt man die Gammaphotonen im Detektor geladene Teilchen erzeugen und zeichnet deren Spuren mit in der Teilchenphysik erprobten Methoden auf. Anschließend werden Energie und Herkunft des primären Gammaphotons rekonstruiert.

Doch Weltraumteleskope besitzen Detektorflächen von typischerweise nur etwa einem Quadratmeter. Beginnend ab etwa 30 MeV bis hin zu einigen zehn GeV (1 GeV = 109 eV) sind die Raten eintreffender Gammaquanten für statistisch signifikante Ergebnisse noch ausreichend hoch. Jenseits davon ist die Zahl der »Treffer« aber zu selten (auch wenn Fermi für Energien bis etwa 300 GeV empfindlich ist). Im Mittel müssten die Forscher etliche Jahre warten, wenn sie beispielsweise ein Gammaphoton mit 100 TeV nachweisen wollten - die höchste Energie, die bislang im kosmischen Gammabereich gemessen wurde.

Daher verwenden die Astronomen Teleskope auf dem Erdboden, die mit viel größeren Detektorflächen aufwarten können. Direkt »sehen« können sie die kosmischen Photonen zwar auch nicht. Doch die Gammaquanten laden ihre Energie in der Erdatmosphäre ab. Durch Wechselwirkung mit Luftmolekülen verwandeln sie sich in ein Elektron und sein Antiteilchen, das Positron. Energie und Impuls des ursprünglichen Quants verteilen sich dabei auf das neu entstandene Teilchenpaar. Dieses wiederum erzeugt weitere, energieärmere Gammaphotonen. Weil sich der Prozess der Paarbildung vielfach wiederholt, wächst eine Lawine aus immer neuen Elektronen, Positronen und weiteren Photonen an, bis die gesamte Energie des ursprünglichen Quants auf viele hundert oder tausend Teilchen verteilt ist.

Am Ende besitzen die sekundären Gammaphotonen nicht mehr genug Energie zur Produktion weiterer Teilchenpaare, so dass sie die Luftmoleküle nur noch leicht aufheizen und die Lawine einige Kilometer über der Erdoberfläche erstirbt. Die Sekundärteilchen sind jedoch fast mit Vakuum-Lichtgeschwindigkeit unterwegs. Weil sie damit die Phasengeschwindigkeit des Lichts in der Luft übertreffen, erzeugen sie so genanntes Tscherenkowlicht. Das Spektrum dieses ultrakurzen Licht-»Blitzes«, der sich mit bloßem Auge nicht wahrnehmen lässt, erstreckt sich vom infraroten Teil des Spektrums über den gesamten optischen Bereich bis ins Ultraviolette. Ausgestrahlt wird er in einem engen Kegel, dessen Öffnung zur Erde hinzeigt und der entlang der Flugbahn des ursprünglichen kosmischen Gammaphotons ausgerichtet ist. Beim Auftreffen auf den Erdboden besitzt die Kegelöffnung dann einen Durchmesser von etwa 250 Metern.

Auf genau solche Signale wartet das aus vier Instrumenten bestehende HESS-Teleskopsystem in Namibia, das als internationales Projekt unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik steht. Seit Ende 2003 ist das High Energy Stereoscopic System im Einsatz, 2004 wurde es offiziell eingeweiht, und Mitte 2010 soll »HESS Phase 2« oder HESS II - ein zusätzliches Instrument mit 28 Meter Spiegeldurchmesser - seine Leistungsfähigkeit noch steigern (siehe Interview unten). Dann wird es dem MAGIC-Teleskop auf La Palma (Kasten unten), dem derzeit größten Gammateleskop seiner Art, wieder den Rang ablaufen.

Errichtet ist HESS im namibischen Khomas-Hochland, in etwa 100 Kilometer Entfernung von der Hauptstadt Windhuk. Hier ist die Luft sehr klar und trocken, zudem liegt der Standort etwa 1800 Meter über dem Meeresspiegel. Beides trägt dazu bei, dass die irdische Lufthülle das eintreffende Tscherenkowlicht relativ wenig abschwächt, bevor es auf die Teleskopspiegel trifft. Vorzugsweise beobachten die HESS-Forscher den Zenit, denn dann ist die Abschwächung minimal. Außerdem hat er in diesen Breiten Besonderes zu bieten. Häufig nämlich gelangt hier eine astronomisch besonders attraktive Region in seine Nähe: das Zentrum der Milchstraße.

Die vier HESS-Teleskope besitzen Spiegelflächen von je 107 Quadratmeter und arbeiten in Koinzidenz, fokussieren also die gleichen Objekte. Dadurch wächst die effektive Spiegelfläche, so dass die Teleskope weniger Belichtungszeit benötigen, als wenn sie dieselbe Quelle einzeln beobachten würden. Zum anderen erhöht sich durch ihre stereoskopische Verschaltung die Genauigkeit, mit der sich die Ursprungsrichtung der Gammaquanten ermitteln lässt. Und schließlich kann ein stereoskopisches System bestimmte Beiträge des Strahlungshintergrunds besser ausfiltern.


Aufleuchten vor dem Hintergrundrauschen

Dieses Rauschen entsteht durch Partikel, die ebenfalls Tscherenkowlicht erzeugen - und das tun im Prinzip alle Bestandteile der kosmischen Strahlung. Teilchenkaskaden, die von schweren Teilchen wie Protonen ausgelöst werden, lassen sich zwar auf Grund ihrer besonderen Struktur relativ einfach von den Gammasignalen trennen. Schnelle Elektronen erzeugen jedoch Teilchenschauer, die von Gammasignalen praktisch nicht zu unterscheiden sind. Erst wenn die Astronomen starke Quellen in den Blick nehmen, »leuchten« diese gewissermaßen vor dem durch die Elektronen verursachten Hintergrundrauschen auf.

Tscherenkowlicht in der Atmosphäre wird aber auch von Myonen produziert. Diese schweren Verwandten des Elektrons dringen als einzige geladene Teilchen bis zur Erdoberfläche vor. Dabei erzeugen sie ebenfalls einen Tscherenkowkegel, den ein einzelnes Teleskop nicht leicht von einem Gammaereignis unterscheiden könnte. Zwar ist die charakteristische Dauer von Myonen- im Vergleich zu Gammaereignissen kürzer; um sie aber tatsächlich herauszufiltern, wären eine sehr genaue Zeitmessung und extrem umfangreiche Analysen erforderlich.

Doch der Durchmesser des Myonenkegels ist auf wenige Meter begrenzt. Der Myonenhintergrund lässt sich also mittels zweier im Abstand von einigen zehn Metern aufgestellten Teleskope trotzdem identifizieren, weil jeweils eines der Instrumente von dem Ereignis nichts bemerkt - anders als bei Gammaquanten, deren großer Kegel meist beide Teleskope erfasst. Indem die Astronomen die Myonenereignisse herausfiltern, senken sie die Schwelle, ab der sie auch Gammaquanten mit geringer Energie noch zuverlässig registrieren.

Diese Energieschwelle liegt bei HESS gegenwärtig zwischen etwa 100 und 150 GeV. Für HESS II allerdings kommt nicht nur ein größerer Spiegel zum Einsatz, auch die Stabilität der Träger und die Elektronik der Kamera wurden optimiert. Indem es zudem mit seinen kleineren Nachbarn verschaltet wird, lässt sich die Energieschwelle des Gesamtsystems voraussichtlich auf rund 75 GeV senken. Doch zwischen diesen Werten und der durch Satelliten nutzbaren Obergrenze klafft dann noch immer eine Energielücke, die erst künftige bodenbasierte Gammastrahlenteleskope werden schließen können.

Längst aber zeigte HESS schon, was es kann. Beispielsweise ließen sich damit die Supernovaüberreste RX13.7-3946 und RX52.0-4622 beobachten, was die Vermutung bestätigt, dass auch die Stoßwellen von Supernovae zu den kosmischen Teilchenbeschleunigern zählen. Außerdem gelang es zum ersten Mal, die räumliche Struktur dieser Quellen im Gammalicht aufzulösen. Das Maß der wissenschaftlichen Herausforderung, das hinter solchen Ergebnissen steckt, können einige Zahlen illustrieren: RX13.7-3946 wurde anhand von genau 6702 Gammaphotonen nachgewiesen, die in 62,7 Stunden registriert wurden. Das entspricht gerade einmal 1,8 Photonen pro Minute. Bei der Aufnahme von SN6 trafen sogar nur ein bis zwei Photonen pro Stunde ein.

Als HESS die galaktische Ebene der Milchstraße durchmusterte und dabei über 40-mal fündig wurde, entdeckte es auch zahlreiche bislang unbekannte Gammastrahlungsquellen. Einige davon sind so genannte Dunkle Beschleuniger: Sie strahlen offenbar ausschließlich im Gammalicht, ließen sich bislang also in keinem anderen Frequenzbereich beobachten. Insbesondere scheinen sie weder Radio- noch Röntgenstrahlung auszusenden. Das könnte darauf hindeuten, dass dort vor allem Bausteine von Atomkernen, aber kaum Elektronen beschleunigt werden. Der ungewöhnliche Befund - eigentlich rechnen die Forscher stets mit beiden Teilchenarten - lässt sich vielleicht mit den Überbleibseln von Gammastrahlenausbrüchen erklären. Denn in deren extrem starken Magnetfeldern strahlen Elektronen ihre Energie rasch ab, so dass schließlich nur noch die Strahlung der schwereren Teilchen zu beobachten ist.

Die HESS-Daten erlauben auch Rückschlüsse auf das extragalaktische Hintergrundlicht (EHL), nicht zu verwechseln mit dem kosmischen Mikrowellenhintergrund (CMB). Unter dem Begriff EHL ist alles Licht zusammengefasst, das in der Geschichte des Universums von Galaxien ausgesandt wurde. Dieser Strahlungshintergrund versorgt Kosmologen mit Informationen über die großräumigen Strukturen im Universum und ihre Entstehungsgeschichte. Allerdings lässt er sich nicht ohne Weiteres beobachten. So, wie sich die Sterne nicht am helllichten Tag zählen lassen, wird auch das EHL von vielen Vordergrundquellen in unserer eigenen Galaxis überlagert.


Endlich völlig freie Sicht

Also verlegen sich die Astrophysiker auf indirekte Methoden. Das EHL schwächt die von Aktiven Galaktischen Kernen ausgehende Gammastrahlung auf ihrem Weg zur Erde ab. Ist die Energie eines Gammaquants aus einer solchen Region ausreichend hoch, so kann es sich bei seinem Zusammenstoß mit einem Photon des Hintergrundlichts in ein Elektron-Positron-Paar verwandeln. Das Quant geht also verloren, und die Intensität der Gammastrahlung nimmt ab. Damit aber verfügen die Astronomen über ein indirektes Maß für die Dichte des Hintergrundlichts.

So konnten die HESS-Forscher 2006 belegen, dass das Universum für Gammastrahlung etwa doppelt so durchlässig ist wie bislang angenommen. Ihre Daten zur Energiedichte des extragalaktischen Hintergrundlichts stimmen in etwa mit den Ergebnissen anderer Studien überein; dabei wurden aus der Zählung weit entfernter Galaxien untere Grenzen für die EHL-Dichte abgeleitet. Aber auch dem MAGIC-Gammateleskop auf La Palma ist kurz darauf eine Bestätigung dieses Befunds gelungen, als es den rund fünf Milliarden Lichtjahre entfernten Quasar 3C untersuchte.

Gemeinsam mit HESS und dem im Bau befindlichen HESS Phase II markiert MAGIC (siehe Kasten unten) hinsichtlich Empfindlichkeit und Winkelauflösung derzeit die Spitze der bodenbasierten Gammaastronomie. Nach wie vor treibt die Astronomen aber der Wunsch um, endlich völlig freie Sicht auf das Gammauniversum zu bekommen. Um die verbleibende Energielücke zu schließen und die Empfindlichkeit der Teleskope weiter zu erhöhen, plant Europa ein Cherenkov Telescope Array (CTA), ein großes Netzwerk aus Tscherenkow-Teleskopen. Vor allem die Max-Planck-Gesellschaft und die französische Forschungsorganisation CNRS engagieren sich dafür, aber auch Japan will sich möglicherweise beteiligen. Denn in einem CTA liegt die Zukunft der Gammaastronomie. Wird es ebenso wie HESS nach dem stereoskopischen Prinzip aufgebaut, könnten die Forscher noch tiefer in den Gammahimmel vordringen - und weitere Überraschungen wären garantiert.


Jan Hattenbach ist Physiker, Astronom und freier Wissenschaftsjournalist in Aachen.


Literatur:

Naumann-Godo, M. et al.: Discovery of SN 1006 in Very High Energy Gamma Rays with H.E.S.S. In: Proceedings of the 4th International Meeting on High Energy Gamma-Ray Astronomy, Heidelberg 2008.

Völk, H., Bernlöhr, K.: Imaging Very High Energy Gamma-Ray Telescopes. 2009. Preprint unter http://arxiv.org/abs/0812.4198.

Weblinks zu diesem Thema finden Sie unter www.spektrum.de/ artikel/995463.


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KASTEN:

Größe trifft Schnelligkeit - Die MAGIC-Teleskope auf La Palma

Von Jan Hattenbach


Dem Himmel im Gammalicht widmen sich weltweit vier Großprojekte, neben den HESS-Teleskopen (siehe Interview unten) auch VERITAS in der Wüste von Arizona und das australische CANGAROO-III. Das derzeit größte Tscherenow-Teleskop der Welt befindet sich aber auf der Kanareninsel La Palma.

MAGIC ist Dreh- und Angelpunkt der Arbeit von rund 150 Wissenschaftlern aus neun Ländern. Unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Physik untersuchen sie das Universum im Gammalicht, seit Kurzem sogar mit noch höherer Empfindlichkeit. Zwar war das Major Atmospheric Gamma Imaging Cherenkov Telescope ursprünglich als Einzelteleskop konzipiert worden. Aber jetzt wurde auch sein Zwilling MAGIC II eingeweiht, mit dem es überdies nach dem stereoskopischen Prinzip arbeiten kann.

Bei dieser Gelegenheit rühmten die Forscher nicht nur die ausgefeilte Technik ihres neuen Teleskops. Im Rahmen des begleitenden Kolloquiums gaben sie auch Einblicke in die Forscherseele. Eckard Lorenz zum Beispiel. Als »Traum und Albtraum« lässt sich zusammenfassen, was der Elementarteilchenphysiker über den langen Weg von der Idee bis zum fertigen Teleskop zu berichten hatte. Lorenz gilt als einer der Väter von MAGIC, arbeitete aber ursprünglich an einem Teilchenbeschleuniger des europäischen Teichenforschungszentrums CERN. Dort hatte er begonnen, sich für die »natürlichen Beschleuniger« im Universum zu interessieren: Schwarze Löcher etwa, Pulsare oder Supernovae. Diese beschleunigen Partikel auf weit höhere Energien als die von Menschenhand gebauten Geräte und versprechen Einblicke in eine neue Physik.

Vor einigen Jahren ist Lorenz aber, wie er selbst formuliert, »aus dem Tunnel auf die Berge« gezogen. Mit einer Hand voll Kollegen nahm er dort die Planung eines Teleskops für die energiereiche Gammastrahlung in Angriff. Die Entwicklung war Pionierarbeit und bereitete den Beteiligten einiges Kopfzerbrechen, denn es galt nicht nur technische Probleme zu lösen. Auch die skeptische und bisweilen sogar ablehnende Haltung vieler Forscherkollegen musste Lorenz' Team überwinden. Im Jahr 2003 wurde aus dem Traum aber Realität: MAGIC I ging an den Start und arbeitet seither erfolgreich.

Dank MAGIC II hat sich nun die Spiegelfläche des Gesamtsystems verdoppelt, und dessen Empfindlichkeit ist gestiegen, so dass auch besonders schwache Strahlung untersucht werden kann. Seine Energieschwelle, die bislang bei 50 bis 60 Gigaelektronvolt lag, dürfte nun auf etwa 40 bis 50 GeV sinken. Weil Satellitenteleskope wie Fermi bis hinauf zu einigen 10 GeV messen können, ist nun fast das gesamte Gammaspektrum für astronomische Beobachtungen zugänglich.

Die MAGIC-Teleskope bestechen nicht zuletzt durch ihre schiere Größe. Jeder der beiden segmentierten Hohlspiegel verfügt über 234 Quadratmeter aktive Fläche, ihr Durchmesser beträgt jeweils 17 Meter. Der Spiegel von MAGIC II besteht aus 234 quadratischen, beweglich gelagerten Segmenten. Gestützt wird die Konstruktion von einer wabenartigen Struktur aus Kohlefaser, Epoxydharz und Aluminium. Die Brüder sind indessen nur fast Zwillinge: Die Spiegelsegmente von MAGIC I sind kleiner, aber zahlreicher.

Die Erbauer der Teleskope haben viel dafür getan, dass die Teleskope jeweils gerade einmal 70 Tonnen wiegen. Denn dies versetzt sie in die Lage, binnen maximal 50 Sekunden jeden beliebigen Punkt am Himmel anzupeilen. Die Astronomen wollen nämlich den nur minuten- oder sekundenlangen Gammablitzen (Gamma Ray Bursts, GRBs) auf die Spur kommen, die ihnen auch Jahrzehnte nach ihrer Entdeckung weiterhin Rätsel aufgeben. Dank Satellitenfrühwarnsystemen, die das Aufflackern solcher Blitze melden, können die MAGIC-Forscher das Geschehen in kürzester Zeit in den Blick nehmen (siehe »Gammablitze in neuem Licht«, SdW 1/2009, S. 14).

Was sie dann registrieren, ist schwaches Tscherenkowlicht (siehe Artikel), das von den Spiegeln auf extrem empfindliche Kameras fokussiert wird. Mit 576 Fotovervielfachern ist diejenige von MAGIC I ausgestattet, ihr Pendant an MAGIC II verfügt sogar über 1089 dieser Lichtsensoren. Sie weisen selbst bei kürzesten Belichtungszeiten Lichtintensitäten weit unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsgrenze nach.

Über optische Kabel gelangen die Daten dann in ein benachbartes Gebäude und werden dort digitalisiert und gespeichert. Hier befindet sich auch die Ausleseelektronik. Sie nimmt die nur zehn milliardstel Sekunden kurzen Tscherenkowblitze mit einer zeitlichen Auflösung von wenigen milliardstel Sekunden auf und unterdrückt gleichzeitig das »Rauschen«, in diesem Fall störendes Sternlicht. Jede Nacht kommen rund 2,5 Terabyte an Beobachtungsdaten zusammen.

MAGIC auf den Kanaren und HESS in Namibia dienen einem gemeinsamen Ziel. Sie sollen den Boden für ein großes, aus mehreren Dutzend Teleskopen bestehendes Gammastrahlenobservatorium bereiten: das Cherenkov Telescope Array (CTA).

Das tun sie auf unterschiedliche Weise. Während die HESS-Forscher auf bereits verfügbare Technik setzten und so binnen kurzer Zeit ein sehr erfolgreiches Beobachtungsprogramm etablierten, sitzen die MAGIC-Techniker regelmäßig in der Entwicklungswerkstatt. Zurzeit etwa arbeiten sie an einer neuartigen Kamera mit hybriden Fotosensoren, die klassisches Design mit Halbleitertechnologie kombinieren und bislang unerreichte Empfindlichkeit erreichen sollen.

Am Rande der Einweihungsfeier gab Manel Martinez, Vorsitzender des MAGIC-Lenkungsgremiums, auch schon einen kleinen Ausblick auf die Zukunft. Viele der gegenwärtig entwickelten und auf La Palma erprobten Techniken werden beim CTA wohl tatsächlich zum Einsatz kommen. Möglicherweise werden die Forscher sogar nicht einmal auf den Charme der Kanaren verzichten müssen. Einer der Standortkandidaten ist die Nachbarinsel Teneriffa, in Sichtweite von MAGIC.


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INTERVIEW:

»Wir stehen kurz vor einer Antwort«

Das kommende Jahr wird das HESS-Projekt entscheidend voranbringen. Denn mit HESS Phase 2 entsteht bald das größte Gammastrahlungsteleskop der Welt. Wohin entwickelt sich die noch immer junge Gammaastronomie? »Spektrum der Wissenschaft« sprach mit Heinrich Völk vom Max-Planck-Institut für Kernphysik.

Spektrum der Wissenschaft: Herr Professor Völk, Sie haben das HESS-Projekt maßgeblich mitgestaltet. Welche Erkenntnisse hat es gebracht?

Heinrich Völk: Der wohl größte Erfolg ist, dass wir vermutlich mehrere Supernova überreste als Quellen kosmischer Strahlung identifiziert haben. Es ist uns gelungen, die Gasschalen und damit die Morphologie dieser Quellen aufzulösen und zu zeigen, dass sie tatsächlich Ausgangspunkte energiereicher Gammastrahlung der erwarteten Intensität sind. Wir glauben zudem zu wissen, welche geladenen Teilchen es sind, die diese Gammastrahlung erzeugen. Auch wenn noch nicht alle Kollegen einer Meinung sind, sind doch die entsprechenden Modelle konsistent mit den Beobachtungen. Der Schluss liegt sehr nahe, dass die Strahlung von nuklearen Teilchen, also hauptsächlich Protonen und Heliumkernen, und nicht etwa von Elektronen erzeugt wird.

Jüngst erst haben wir auch SN 1006 im Gammalicht entdeckt (siehe Literaturhinweis oben, Anm. d. Red.). Die Veröffentlichung, in der wir die theoretische Interpretation der Daten liefern, ist aber noch in Arbeit.

Spektrum: HESS hat auch die allgemeine Astronomie und die Kosmologie weitergebracht, wie der nebenstehende Artikel beschreibt. Manches, womit man gerechnet hatte, konnte das Teleskop aber offenbar nicht entdecken.

Völk: Starburst-Galaxien beispielsweise mit ihren extrem hohen Sternentstehungsraten haben wir bislang noch nicht gesehen, ebenso wenig wie Merger, Galaxien also, die sich auf Grund ihrer Gravitationskraft gegenseitig anziehen und schließlich zu einem einzigen Sternsystem verschmelzen. Auch die Beobachtung ganzer Galaxienhaufen im Gammalicht ist uns bisher nicht gelungen. Diese Quellen sind für HESS vermutlich einfach zu weit entfernt.

Spektrum: Wie steht es um seinen Nachfolger?

Völk: Noch vor einigen Monaten rechnete ich damit, dass HESS II Ende 2009 starten würde. Es kam aber unter anderem zu Problemen mit den industriell gefertigten Präzisionsteilen, außerdem stiegen im letzten Jahr die Stahlpreise enorm. Jetzt wird es wohl bis Mitte 2010 dauern, bis wir die ersten Beobachtungen machen können.

Spektrum: Was wird HESS II sehen?

Völk: Da es in Koinzidenz mit den vier kleineren Teleskopen arbeiten kann, konzentriert das System mehr Licht. Mit seiner Hilfe werden wir also schwächere Strahlung messen als bisher, und die Empfindlichkeit des Gesamtinstruments steigt auf das Doppelte an. Wünschen würden wir uns allerdings einen Faktor fünf bis zehn, aber trotzdem verringern sich die Messzeiten jetzt schon auf bis zu ein Viertel. Auch die Energieschwelle der gesamten Apparatur sinkt um rund die Hälfte auf etwa 70 GeV, vielleicht sogar tiefer.

Spektrum: HESS II ist also nicht das Ende der Fahnenstange?

Völk: Sowohl in technischer als auch in astronomischer Hinsicht ist es ein Zwischenschritt. Das nächste Ziel ist sicher ein Netzwerk aus vielen Tscherenkow-Teleskopen, ein Cherenkov Telescope Array oder CTA. Als möglicher Prototyp für spätere CTA-Teleskope spielt HESS II dabei eine wichtige Rolle. Es sind nämlich noch viele Fragen zu Mechanik und Elektronik offen, was die Herstellung solch großer Teleskope und ihren Betrieb im Array angeht. Außerdem wird HESS II auch eine Art Pfadfinderexperiment für die wissenschaftliche Ausrichtung des CTA sein. Spektrum: Die richtig großen Entdeckungen stehen erst noch bevor? Völk: Da kann man mit Sicherheit viel erwarten, von ganz neuen Typen von Gammaquellen bis hin zu erweiterten Studien über die bereits bekannten. Schalten wir mehrere Teleskope vom Typ HESS II und weitere kleine in einem CTA zusammen, können wir die Energieschwelle dramatisch bis auf 20 oder 30 GeV senken, während wir nach oben hin 100 TeV überschreiten. Am unteren Ende wird die bodengebundene Gammaastronomie also in den Bereich der Satellitenteleskope vorstoßen, auf Grund der weitaus größeren Detektoren aber viel empfindlicher sein.

Spektrum: Der Baubeginn soll zwischen 2012 und 2014 erfolgen?

Völk: Bis vor Kurzem hielt ich dieses Ziel noch für sehr optimistisch. Vor einigen Monaten räumte ASPERA, das europäische Netzwerk für die Koordination von Großexperimenten im Bereich der Astroteilchenphysik, dem CTA aber die höchste zeitliche Prioritätsstufe ein. Dazu trugen sicherlich auch die Erfolge von HESS, MAGIC und anderen Gammastrahlungsteleskopen bei. Jetzt liegt das CTA sogar noch vor Experimenten zur Neutrinoastronomie oder Gravitationswellenforschung, es könnte seinen Betrieb also durchaus vor 2015 aufnehmen.

Spektrum: Deutschland scheint führend in der Gammaastronomie. Auch MAGIC wird ja von der Max-Planck-Gesellschaft betrieben.

Völk: Letztlich sind beide Projekte große internationale Kooperationen, anders lässt sich das gar nicht leisten. Aber schön ist es natürlich, dass sie unter deutscher Leitung stehen.

Spektrum: Sie stecken schon jetzt viel Arbeit in das CTA. Was fasziniert Sie daran?

Völk: Als ich mich mit der Gammaastronomie zu beschäftigen begann, galt mein Interesse vor allem der Entdeckung des Ursprungs der kosmischen Strahlung. Doch ich glaube, dass bereits die heutigen Teleskope kurz davor stehen, dies anhand der Beobachtung von Supernovae und Pulsaren zu beantworten. Das interessanteste Forschungsgebiet der Zukunft ist für mich daher ein anderes: die nichtthermischen Phänomene bei der Bildung großräumiger Strukturen wie Galaxien und Galaxienhaufen. Ein CTA, das Galaxienhaufen im Gammalicht beobachtet, wird viel dazu beitragen können, dass wir mehr über die Geschichte des Universums und seine Entwicklung lernen. Aber man sollte das CTA nicht nur auf solche Quellen hin konzipieren, sondern im Gegenteil: Wir wollen ja auch unerwartete Quellen finden, und dazu müssen wir einen großen Energiebereich überdecken. Das braucht viele kleine ebenso wie große Teleskope.


Das Gespräch führte Jan Hattenbach.

Heinrich Völk ist emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg.


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Die im Jahr 1006 am Nachthimmel aufgetauchte Supernova SN 1006 ist möglicherweise das beste Beispiel für eine Quelle kosmischer Strahlung. Das stark vergrößerte Falschfarbenbild basiert allerdings auf einer Aufnahme, die der Satellit Chandra im Röntgenlicht gemacht hat. Erst 2008 wiesen Forscher mit Hilfe der HESS-Teleskope nach, dass das Objekt auch Gammastrahlung aussendet (kleines Bild). Bislang allerdings erreichen Gammateleskope nur eine vergleichsweise geringe Winkelauflösung.

Dieses Falschfarbenbild zeigt ebenfalls die Supernova SN1006, nun aber im Gammalicht. Es ist Ergebnis von 103 Beobachtungsstunden an den HESS-Teleskopen. Das Kreuz markiert den Ort der Sternexplosion (die Katalogbezeichnung enthält die galaktischen Koordinaten) und der Kreis die von dort ausgehende Stoßwelle. Die rot-gelblich markierten Regionen intensiver Strahlung, die vor allem von nuklearen Teilchen stammt, finden auf der Röntgenaufnahme (großes Bild) eine Entsprechung. Möglicherweise deuten sie auf Magnetfeldlinien hin, die das Objekt durchziehen.

Beim Durchmustern der Milchstraße mit den HESS-Teleskopen stießen die Astronomen auf über 40 und damit unerwartet viele Gammaquellen. Die Grafik zeigt Orte energiereicher Gammastrahlung im Bereich der Milchstraßenebene. Aus welchen kosmischen Objekten die Strahlung stammt - Supernovae etwa oder Pulsaren -, ist in vielen Fällen noch ungeklärt.

Die vier namibischen 12-Meter-HESS-I-Teleskope werden bald durch ein fünftes Teleskop, HESS II, mit einem Spiegel von 28 Meter Durchmesser ergänzt. Dessen stählerne Spiegelträger gelangen derzeit auf Schwertransportern (1) zur Baustelle im namibischen Hochland. Das Foto darunter (2, im Hintergrund ein HESS-I-Teleskop) zeigt die kreisförmigen Schienen, auf denen das Teleskop später rollen wird. Die ersten Spiegelträger wurden schon aufgelegt (3).

Fertig gestellt ist HESS II bislang nur in dieser Fotomontage des französischen Teilchenphysiklabors LAPP (unten), die es inmitten der vier HESS-I-Instrumente zeigt. Stangenförmige Blitzableiter schützen die Anlage vor Gewittern. Ein Kompromiss ist die Farbe der Stahlkonstruktion. Dank ihrer heizen sich die Träger tagsüber relativ wenig auf, nachts wiederum reflektieren sie wenig Licht.

Zwillinge auf dem Roque de los Muchachos: Auf dem Observatoriumsgelände ist links MAGIC I und rechts das jetzt eingeweihte Zwillingsinstrument MAGIC II zu sehen. Die Ausleseelektronik befindet sich in dem Gebäude mit dem roten Dach. Das weiße Gebäude beherbergt ein Instrument für die Atmosphärenmessung, gehört aber nicht zum MAGIC-Projekt. Im Wesentlichen sind MAGIC I und II baugleich, etwa hinsichtlich Größe, Fläche und Geschwindigkeit.

Am 25. April wurde MAGIC II eingeweiht - das Foto zeigt den Augenblick, kurz bevor die Bänder durchschnitten wurden. Wind und Wetter ist das Teleskop schutzlos ausgesetzt. Doch die polierten und mit einer Quarzschicht überdampften Aluminiumspiegel sind recht unempfindlich: Die Leistung von MAGIC I hat nicht nachgelassen, obwohl die Spiegel seit 2003 nicht mehr gereinigt wurden.

»First Light über den Wolken«
Über die Eröffnung von MAGIC II berichtete der Autor online unter www.spektrum.de/artikel/993766.

(Fast) im Fokus: Journalisten und Wissenschaftler - gespiegelt - auf der Plattform hinter der Kamera

Stereo sehen verbessert nicht nur beim Menschen die Wahrnehmung. Die vier HESS-Teleskope fokussieren jeweils dasselbe Objekt. So werden vier Bilder desselben Ereignisses gewonnen (links, jeder Bildpunkt entspricht dabei einem Fotovervielfacher in der Kamera). Die elliptische Form entsteht, weil die Tscherenkowphotonen unter bestimmten Winkeln eintreffen - sie liefert also eine Richtungsinformation. Kombiniert man die Bilder stereoskopisch (rechts), liefert der Schnittpunkt der langen Halbachsen der Ellipsen Information über die Richtung des Teilchenschauers.

Wie sehr schwächt das extragalaktische Hintergrundlicht (EHL) die Gammastrahlung eines Quasars? Um das herauszufinden, treffen Theoretiker Annahmen über das emittierte Spektrum des Quasars (links unten, blau). Dieses wird beim Durchqueren des EHL verändert. Treffen nämlich energiereiche Gammaquanten auf EHL-Photonen, zerstrahlen sie in ein Elektron (e-) und ein Positron (e+). Bei geringer EHL-Dichte (rechts unten) weist das beobachtbare Spektrum (rosa) dann eine andere Form als bei hoher EHL-Dichte (rechts oben) auf. Im letzteren Fall gehen vor allem die energiereichsten Gammaquanten verloren.


© 2009 Jan Hattenbach, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Spektrum der Wissenschaft 07/09 - Juli 2009, Seite 28-37
Herausgeber: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2009