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GESCHICHTE/081: Die Geschichte von Galileos O (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 1/12 - Januar 2012
Zeitschrift für Astronomie

Die Geschichte von Galileos O
Ein Forschungsbericht zum Sidereus Nuncius

Von Horst Bredekamp


Vor einigen Jahren ist ein Exemplar des Sidereus Nuncius aufgetaucht, in dem die berühmten ersten Bilder des teleskopisch beobachteten Monds als eigenhändige Tuschzeichnungen Galileis erscheinen. Eine gründliche Untersuchung hat die Seiten dieses Buchs als die ersten Druckfahnen des epochalen Werks erwiesen und zur besseren Charakterisierung von Galileis Leistung und Selbstverständnis geführt.


In Kürze
Das neue, von Galilei eigenhändig illustrierte Exemplar des Sidereus Nuncius enthält mehr Druckfehler als die etwa 80 weiteren erhaltenen Exemplare und wurde deshalb als erstes gedruckt.
Der Vergleich aller erhaltenen Exemplare erlaubt eine detaillierte Rekonstruktion der wenigen aufregenden Wochen, in denen Galilei die Beobachtungen durchführte, den Text schrieb, die Bilder schuf und den Erstdruck überwachte.
Die Untersuchung wirft auch interessante Schlaglichter auf Galileis Gemütslage in dieser Situation und auf sein eigenes Verständnis der Bedeutung dieses epochalen Werks.

Durch den Sidereus Nuncius (»Botschaft von den Sternen«) ist Galileo Galilei berühmt geworden. Gemeinsam mit Nikolaus Kopernikus' De Revolutionibus, Johannes Keplers Astronomia Nova und Isaac Newtons Principia Mathematica zählt dieses Büchlein bis heute zu den bedeutendsten Werken in der Geschichte der Astronomie. Der am 12. März 1610 in Venedig erschienene schmale Band, in dem neben den ersten teleskopischen Beobachtungen des Erdmonds auch die der Milchstraße und der vier hellsten Jupitermonde festgehalten wurden, setzte einen neuen Rahmen für alle Fragen der Kosmologie. Durch ihre Darstellungen des Erdmonds und der Konstellationen des Jupitersystems setzte diese Schrift auch darin einen Standard, dass sie die Sequenz zur Regel naturwissenschaftlicher Beobachtungen machte.

Die fünf berühmten Darstellungen des Erdmonds im Sidereus Nuncius zeigen eine Mondoberfläche, deren zerklüftete Pockennarbigkeit im Widerspruch zur damals geltenden Lehre stand, dass die Himmelskörper aus glatten, makellosen ätherischen Sphären zu bestehen hätten (Bild rechts oben). In den brillanten, in der lateinischen Sprache der Gelehrten verfassten Beschreibungen dieser Bilder, die seinen Ruf als Stilist von hohen Graden begründeten, verstand Galilei seine teleskopischen Beobachtungen auch sprachlich angemessen darzustellen. Mit dem unebenen Mond hatte die Erde ihre Sonderstellung im All verloren, und mit den neu entdeckten Trabanten des Jupiters war die Einmaligkeit des bekannten Planetensystems dahin - auch unabhängig davon, ob die Erde oder die Sonne in dessen Zentrum stand. Mit dem Sidereus Nuncius wurde Galilei schlagartig in ganz Europa und bald auch in Asien bekannt.


Das Problem des Titels

In seiner Überlänge wirkt der Titel des Buchs eher wie eine Einleitung denn eine Überschrift: »Botschaft von den Sternen, welche große und höchst wunderbare Erscheinungen offenbart und für jedermann, insbesondere aber für die Philosophen und Astronomen zum Beschauen darbietet, wie sie von Galileo Galileo, einem Florentiner Patrizier und Professor für Mathematik an der Universität Padua, mit Hilfe des kürzlich von ihm erfundenen Fernrohrs beobachtet worden sind am Antlitz des Mondes, an unzähligen Fixsternen der Milchstraße, den Nebelsternen, insbesondere aber an vier den Jupiter in ungleichen Abständen und Perioden mit staunenswerter Geschwindigkeit umkreisenden, von niemand bis auf diesen Tag gekannten Planeten, welche der Autor vor Kurzem als Erster entdeckt und 'mediceische Sterne' zu nennen beschlossen hat«. (Übersetzt nach Emil Wohlwill)

Der monströs verschachtelte Titel ist schon unter den Zeitgenossen auf Kritik gestoßen; so hat Galileis Freund Lodovico Cigoli am 1. Oktober 1610 aus Rom berichtet: »Ich muss Euch auch sagen, dass einige den Titel des Buchs getadelt haben.« Diese Kritik unterschätzte jedoch die Verwendung unterschiedlicher Buchstabengrößen, die den Inhalt auf einen Blick gliedert. In den ersten beiden Zeilen sticht die »Botschaft von den Sternen« (SIDEREVS NVNCIVS) hervor, und am unteren Ende sind mit den »mediceischen Sternen« (MEDICEA SIDERA) die Monde des Jupiters hervorgehoben. Das dritte, sofort ins Auge springende Element ist der doppelte Vorname des Autors mit der Bezeichnung seiner Herkunft (GALILEO GALILEO PATRITIO FLORENTINO), und als vierte Akzentuierung taucht der Begriff des »Fernrohrs« (PERSPICILLI) auf. Indem die optische Gliederung mit dem Hauptinhalt, dem überraschendsten Objekt und dem Autor die wichtigsten Elemente hervorhebt, kompensiert sie die Unübersichtlichkeit des Textes.

Bei dem doppelten Vornamen sprigt ins Auge, dass er nicht im Nominativ GALILEUS GALILEUS erscheint, sondern in den Ablativ gesetzt ist, so dass am Ende zwei O erscheinen: GALILEO GALILEO. Auch die beiden Wörter der folgenden Zeile, PATRITIO FLORENTINO, schließen mit O, so dass hier eine Art Parade von O-Endungen erscheint. Dies könnte ein Zufall sein. Die Untersuchung jenes Buchexemplars, das die Druckfahnen des Sidereus Nuncius enthält, legt jedoch einen anderen Schluss nahe. Es scheint, als habe Galilei hier spielerisch eine eigene, verborgene Botschaft vermittelt, die für seine Kosmologie wie für seine Selbstsicht von Bedeutung ist.


Der SNML - ein neues Exemplar des Sidereus Nuncius

Der Weg zu dieser Erkenntnis war lang. Er begann im Juli 2005, als mich Richard Lan, Mitinhaber des New Yorker Antiquariats Martayan & Lan, erstmals mit seinem Exemplar des Sidereus Nuncius konfrontierte (im Folgenden kurz als SNML oder New Yorker Exemplar bezeichnet).

Der Anblick dieses Buchs ließ mich kaum weniger perplex zurück als Galilei es bei seinem ersten teleskopischen Blick auf den Mond gewesen sein dürfte. Auf seiner Titelseite erschien neben dem Stempel der römischen Accademia dei Lincei, der Galilei seit 1612 als prominentes Mitglied angehörte, unterhalb der letzten Zeile die Signatur: »Io Galileo Galilei f« - zu Deutsch: »Dies habe ich, Galileo Galilei, gemacht (feci)« (Bild oben links). Hier unterzeichnet Galilei mit Vor- und Nachnamen, was die Verdopplung des Vornamens im Titel als umso provokanter erscheinen lässt. Zudem sind jene Flächen, die für den Druck der Mondbilder im Satzspiegel frei geblieben waren, durch matt farbige Tuschzeichnungen ausgefüllt (Bild auf S.44 oben rechts). Da seit gut hundert Jahren keinerlei vergleichbare authentische Zeugnisse Galileis aufgetaucht sind, war ich zugleich elektrisiert und skeptisch. Auf den ersten Blick konnte ich nicht entscheiden, ob es sich um ein echtes Dokument, eine zeitgenössische oder späteren Kopie, oder eine Fälschung handelte.


Erste Untersuchungen von 2005 bis 2007

Die Eigentümer des SNML erklärten sich bereit, das Buch für eine Woche dem Leiter des Berliner Kupferstichkabinetts, Heinrich Schulze Altcappenberg, für Untersuchungen zu überlassen. Dort wartete eine Gruppe von Forschern auf diese großartige Chance (siehe Kasten auf S. 46).

Die in ihrem unbürokratischen, präzisen Zusammenspiel beispielhafte Kooperation brachte neben der Feststellung, dass das Buch durchweg aus Material des 17. Jahrhunderts besteht (und deshalb keine spätere Kopie oder Fälschung sein kann), eine Fülle weiterer Details hervor. Vergleiche mit weltweit aufzutreibenden Exemplaren des Sidereus Nuncius ergaben, dass bei einer Reihe von ihnen die Radierungen fehlten (Bild oben), so dass der SNML in dieser Hinsicht nicht länger als alleiniger Sonderfall erscheint. Ein Vergleich seiner Zeichnungen mit den bekannten Mondzeichnungen aus dem Galilei-Archiv der Florentiner Nationalbibliohek (oberes Bild rechts) erwies, dass letztere als Vorlagen für die Radierungen nicht in Frage kamen, wohl aber die neu aufgetauchten Tuschzeichnungen im SNML. Diese zeigen die gleichen Mondphasen wie die Drucke, enthalten jedoch mehr Information - also müssen sie zuerst entstanden sein. Diese Vermutung wurde durch das erst mit der Lupe sichtbare schwarze Material bestärkt, das auf signifikanten Bereichen der Zeichnungen über dem Tuscheauftrag liegt (unteres Bild rechts).

Damit sind die Tuschzeichnungen im SNML Galileis früheste bekannte Darstellungen des gesamten Mondes. Davor waren nur Skizzen kleinerer Ausschnitte entstanden, die innerhalb des Gesichtsfelds seines Fernrohrs lagen. Das Gesichtsfeld entsprach etwa einem Siebtel der gesamten Mondscheibe.

Die Verteilung des in den Tuschzeichnungen entdeckten schwarzen Materials folgt den Hauptlinien der Mondbilder. Offenbar diente es zur Übertragung der Tuschzeichnungen auf die Kupferplatten zur Herstellung der Radierungen für den Druck. Dies bekräftigten die von Stefan Simon und Sonja Krug durchgeführten Untersuchungen.


Zweite Berliner Forschungen von 2008 bis 2010

Alle geschilderten Ergebnisse sind in das 2007 publizierte Buch »Galilei der Künstler« eingeflossen, ohne dass damals die Forschungen selbst hätten publiziert werden können. Aus diesem Grund entstand alsbald der Plan, Letztere in einer eigenen Veröffentlichung vorzustellen, um nicht nur den Gegenstand, sondern auch die Zusammenarbeit als ein interdisziplinäres Modell zu dokumentieren.

Bei der Vorbereitung dieser zweiten Publikation entstand der Wunsch, eine Reihe von Untersuchungen zu wiederholen, weil die Auswertung der ersten Untersuchungen neue Fragen aufgeworfen und neue Möglichkeiten eröffnet hatte. Daher wurde der SNML im April 2008 nochmals an das Berliner Kupferstichkabinett übergeben, um im Lauf mehrerer Wochen weitere Verfahren anzuwenden, wie etwa die tiefenmikroskopischen Digitalaufnahmen des Fraunhofer-Instituts für Umwelt- und Energietechnik in Oberhausen. Durch das großzügige Entgegenkommen der Bibliothek der Karl-Franzens-Universität in Graz und eines privaten Sammlers aus Paris gelang es, auch zwei weitere der aussagekräftigsten Exemplare des Sidereus Nuncius nach Berlin zu holen. Damit kamen insgesamt drei Exemplare der Originalausgabe des Sidereus Nuncius an einem Ort zusammen, so viele, wie wohl seit der Drucklegung im März 1610 nicht mehr. Die Library of Congress in Washington erwarb das Pariser Exemplar im November 2008, so dass es heute als Washingtoner Exemplar firmiert. Alle drei Bücher wurden hinsichtlich des Papiers, der Wasserzeichen und der Druckmaterie ihrer Buchstaben und Abbildungen untersucht.

Im Mai 2008 studierte auch William S. Shea, Inhaber des Galilei-Lehrstuhls an der Universität Padua, diese Exemplare, um gemeinsam mit Studenten eine eigene Analyse vorzunehmen, die unsere Ergebnisse bestärkte und erweiterte. Zudem hat Enrica Schettini Piazza, Kuratorin an der Accademia Nazionale dei Lincei in Rom, den Stempel auf der Titelseite des SNML als Zeichen der Privatbibliothek von Federico Cesi, dem Gründer und ersten Präsidenten dieser seit 1603 bestehenden, weltweit ältesten wissenschaftlichen Akademie, identifiziert (Bild auf S. 44 oben links). Der Stempel ist also ein Hinweis darauf, dass Galilei dieses Exemplar bei seinem Besuch in Rom anlässlich seiner Aufnahme in die Akademie im Jahr 1612 übergeben hat. Schließlich hat Ruth Tesmar von der Humboldt-Universität zu Berlin als Spezialistin für künstlerische Techniken den Übertragungsvorgang vom SNML auf die Druckplatten in einem Modellverfahren nachvollzogen und festgehalten.

Besonders ertragreich war die jahrelange Untersuchung von mehr als 80 weltweit noch überlieferten Exemplaren des Sidereus Nuncius durch Paul Needham, den Spezialisten für die frühmoderne Buchkunst von der Scheide Library in Princeton. So ergab ein Vergleich des wegen seiner Marginalien und seines kostbaren Papiers berühmten, als Unikat geltenden Exemplars der Biblioteca Nazionale Centrale in Florenz (Bild auf S. 46) mit dem Exemplar der Universität Münster, dass beide Bücher dieselbe Papierqualität aufweisen. Dies führte Paul Needham zu einer umfassenden Analyse der zum Druck der einzelnen Exemplare genutzten Papiersorten. Sie unterstützte die Beobachtung, dass nicht ein Buch dem anderen gleicht.


Summe der Ergebnisse

Bücher der frühen Neuzeit sind Individuen, selbst wenn sie auf den ersten Blick als Massenprodukt erscheinen. So unterscheiden sich die Exemplare aus Graz und Washington darin, dass die Grazer Titelseite wie üblich von den Kürzeln der wechselnden Besitzer bedeckt ist (oberes Bild links), während das Washingtoner Titelblatt von Einträgen frei geblieben ist (unteres Bild links). Der Grund liegt vor Augen: Das Washingtoner Exemplar ist niemals gebunden worden, und daher hat es die Form, in der es aus der Druckerei ausgeliefert wurde. Mit dem Eindruck dieses auskragenden Papiers wandelt sich der Charakter des Buchs. Das Grazer Exemplar ist ein wie damals üblich hart beschnittener, gebundener Band, der an ein modernes Taschenbuch erinnert. Dagegen erweckt das Washingtoner Exemplar einen geradezu majestätischen Eindruck: Mit weitem Kragen sitzt der Text, wie etwa bei der dem Sternbild Orion und den Plejaden gewidmeten Doppelseite, in einem großzügigen Ambiente (unteres Bild rechts). Hier bekommen die dargestellten Konstellationen einen anderen Charakter; sie scheinen über die Flächen auszuschwingen wie in einem stellaren Tanz. Durch das Beschneiden wird dieser Eindruck zerstört, und auch die Materie selbst wird beschädigt: Im Grazer, im New Yorker, wie auch in allen anderen Exemplaren, ist der äußerste Stern links oben abgeschnitten (oberes Bild rechts), im Washingtoner aber nicht. Die Rigidität der Buchbinder, die ihren eigenen Vorstellungen in Bezug auf die Regeln der Buchgestaltung folgten, ist auf Kosten eines nicht unwichtigen Sterns gegangen.

Paul Needham erweiterte seine Studien zudem auf den gesamten Zeitraum von Galileis Forschungen ab dem Dezember 1609 bis zum 12. März 1610, dem Erscheinungstag des Sidereus Nuncius, um die gesamte Geschichte seiner Produktion, einschließlich Satz, Gestaltung und Druck, Tag für Tag mit bislang unvorstellbarer Genauigkeit zu rekonstruieren. Diese Ergebnisse sprechen für sich. Der SNML wurde niemals aus seiner Bindung des 17. Jahrhunderts entfernt; er besteht aus Druckfahnenpapier, sein Text ist die mit zahlreichen Fehlern durchsetzte Fassung der ersten Korrekturfahne, seine Titelseite weist sowohl die Signatur von Federico Cesis Privatbibliothek als auch die von Galilei auf. Alle seine Bestandteile - Papier, Wasserzeichen, Druckerschwärze, Tusche, schwarzer Deckstoff - sind Materialien, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts gebräuchlich waren. Die schwarze Materie wurde zur Übertragung der Zeichnungen auf die Kupferplatten genutzt, und der Stil der Zeichnungen ist derselbe, den Galilei für seine weiteren Mondzeichnungen wie auch für seine Zeichnungen der Sonnenflecken nutzte.

Mit diesen Ergebnissen dürfte es neben der Gutenberg-Bibel kaum ein Buch geben, das in seiner physischen Beschaffenheit und seiner Gestaltung gründlicher analysiert worden wäre als der Sidereus Nuncius und besonders der SNML.


Die Psychologie der Konkurrenz

Neben den teils unerwarteten materiellen Befunden sind auch Spuren psychologischer Phänomene sichtbar geworden. Sie zeugen in wohl einzigartiger Weise von der Anspannung Galilei bei der Abfassung dieses Werks, wie auch von dem Anspruch, den er sich selbst gesetzt hatte.

Am 19. März, eine knappe Woche nach Auslieferung des Buchs, schrieb Galilei einen denkwürdigen Brief an den Hof der Medici in Florenz, in dem er von den aufzehrenden Konkurrenzängsten sprach, die in ihm wühlten. Er entschuldigte sich, dass dem Buch die angemessene Form mangele, »weil die Zeitnot dies nicht erlaubt hat und weil ich die Publikation wahrlich nicht aufschieben wollte, um nicht Gefahr zu laufen, dass jemand anderes auf dasselbe gestoßen und mir zuvorgekommen wäre. Daher habe ich es in der Form eines Berichts herausgebracht, der zum größten Teil geschrieben wurde, während man die vorangehenden Teile des Textes bereits druckte, in der Absicht, diesen Bericht so bald als möglich mit vielen Zusätzen anderer Beobachtungen neu zu drucken«. Zu einer solchen erweiterten Auflage sollte es dann nicht mehr kommen.

Deutlicher konnte die Hast, die Galilei erfasst hatte, nicht beschrieben werden. Der Grund für seine Ungeduld lag darin, dass er das Erstlingsrecht beanspruchte, den Himmel gesehen zu haben wie vor ihm nur Adam: »Keine einzige der oben genannten Beobachtungen sieht man beziehungsweise kann man sehen ohne ein vortreffliches Instrument; daher dürfen wir annehmen, dass wir die Ersten auf der Welt gewesen sind, welche die Himmelskörper aus solcher Nähe und dermaßen deutlich gesehen haben.«

Die in diesen Worten mitschwingende Furcht ist überdeutlich. Teleskope zirkulierten in ganz Europa und bald auch in Asien, und in jeder Minute konnte es geschehen, dass ein anderer Forscher Galilei zuvorkommen und das von ihm Gesehene erkennen und publizieren würde. Die Kraft des fernrohrbewaffneten Auges vergönnte Galilei den Triumph, den Himmel so zu sehen wie niemand zuvor; aber die Geschwindigkeit des Blicks ließ ihn zugleich mit Argusaugen auf mögliche Konkurrenten schauen. Mit dem Teleskop versehen, war das Auge schneller geworden - auch das Auge der Konkurrenten. Der Blick ist schnell; während die Schrift in der Zeit gelesen werden muss, vermag das Auge »auf einen Blick«, in Bruchteilen von Sekunden, Situationen, Gegenstände und Phänomene zu erfassen. Hieraus ergab sich die Präzision, aber auch die Hast des instrumentell bewaffneten Auges.

Wie außergewöhnlich Galileis Motive für das Verfassen des Sidereus Nuncius waren, erkennt man auch daran, dass er bis dahin keinen besonderen Drang zum Schreiben und Publizieren verspürt hatte. Vor dem Sidereus Nuncius hatte der 46-jährige Professor nur etwa fünf weniger bedeutende Schriften verfasst.

Am 15. Januar 1610, einen Tag nach seiner Entdeckung des vierten Jupitermondes, beschloss Galilei, über seine Erkundungen des Himmels ein Buch herauszubringen. Darin wollte er sich an alle Wissenschaftler und Gelehrten inner- und außerhalb Italiens wenden. Also sollte das Buch auf Lateinisch erscheinen, der damals üblichen Sprache der Wissenschaft. Um die Fertigstellung des Buchs nach Kräften zu beschleunigen, wechselte er an diesem Tag bereits in seinen Aufzeichnungen am Teleskop vom Italienischen ins Lateinische. Schon am 30. Januar gab er den größten Teil des Manuskripts in Venedig zum Druck und ließ die ersten Druckplatten prägen. Im Februar beantragte er beim Zehnerrat der Republik Venedig die Druckerlaubnis, sie wurde ihm am 1. März erteilt. Die im Sidereus Nuncius beschriebenen Beobachtungen der Jupitermonde zogen sich bis zum 2. März hin - am 12. März lag das Buch mitsamt den Illustrationen in 550 gedruckten Exemplaren vor.

Wir müssen uns vorstellen, wie die Setzer, pausenlos beschäftigt, von der ersten Blattlage der reinen Textseiten im Januar an die soeben gedruckten Bögen zum Trocknen aufhängten, während dieses Vorgangs nach Fehlern suchten, diese für den folgenden Druckvorgang korrigierten, und bis zum abschließenden Druck der letzten Exemplare immer wieder auf Fehlersuche gingen. Aus der Abnahme der Anzahl der Druckfehler in den erhaltenen Exemplaren lässt sich die genaue Reihenfolge ihrer Drucklegung ablesen.


Der erste Ausbruch der galileischen Krankheit

Auf dem Titelblatt des Sidereus Nuncius bringt Galilei das Bewusstsein seiner gänzlich außergewöhnlichen Leistung gleich zweimal zum Ausdruck. Zum einen, wie oben geschildert, indem er sich selbst mit dem doppelten Vornamen benennt. Mit dieser verschlüsselten Botschaft reiht er sich in die Tradition der großen schöpferischen Gestalten der italienischen Renaissance ein (Dante, Giotto, Michelangelo, Leonardo...), deren Vorname allein sie eindeutig kennzeichnete. Aber zum anderen benennt er auch explizit den völlig neuen, radikal revolutionären Aspekt seiner Tat: Mit dem neuen Teleskop hat er am Himmel Dinge gesehen, »die nie zuvor ein Mensch gekannt hatte« (...nemini in hanc usque diem cognitos).

Eine solche Erweiterung der mit den naturgegebenen menschlichen Sinnen wahrgenommenen außerirdischen Welt konnte es offenbar (ohne Teleskop) niemals zuvor gegeben haben - und niemand hatte sie auch nur für möglich gehalten. Denn man war nach Aristoteles davon überzeugt, dass die lunare und translunare Welt nicht nur für die menschlichen Sinne, sondern auch für den menschlichen Verstand grundsätzlich unzugänglich sei.

Schon im September 1609, bei seinem ersten teleskopischen Blick auf den zerklüfteten Mond und in das unerhörte Sterngewimmel der Milchstraße, wurde sich Galilei der kosmologischen Brisanz seiner Erfahrung bewusst. Schon hier brach die auffällige Hast aus, die ihn bis zur Veröffentlichung des Büchleins im März 1610 antrieb. Dies erkennen wir daran, dass er schon bald mit seinem ersten Instrument nicht mehr zufrieden war, denn er baute sich schnellstens eigenhändig und insgeheim ein neues, besseres Fernrohr, wovon seine berühmte Einkaufsliste vom 23. November 1609 beredtes Zeugnis ablegt (siehe SuW 2/2009, S. 46).

Sofort machte er sich ans Werk, und schon Ende des Jahres hielt er das neue, bessere Teleskop in seinen Händen. Mit diesem entdeckte er bereits am 7. Januar 1610 die ersten drei Jupitermonde: Abermals nahm er am Himmel Dinge wahr, »die nie zuvor ein Mensch gekannt hatte«!

Das Wunder des ersten Anblicks von nie zuvor Gekanntem und den gleich danach ausbrechenden Wunsch nach einem größeren, besseren Teleskop, um diese Erfahrung möglichst bald zu wiederholen und die Grenzen des Wissens über den Kosmos noch weiter hinauszuschieben, können wir als die »galileische Krankheit« bezeichnen. In der Antike und bis Galilei konnte es sie nicht geben. Ihr erster Ausbruch lässt sich genau datieren und ist im Sidereus Nuncius dokumentiert. Galilei ist nie von dieser Krankheit genesen, und seither wird jeder Mensch von ihr erfasst, der erstmals durch ein Teleskop blickt und dann immer wieder durch ein besseres, größeres Instrument schauen muss, um am Himmel stets neue Dinge zu sehen, »die nie zuvor ein Mensch gekannt hatte«. Dies ist der Antrieb, der seither die teleskopgestützte, beobachtende Astronomie zu immer neuen wunderbaren Erfolgen reißt und sie zu einer großartigen, spezifischen Erscheinung der Moderne macht.

JAKOB STAUDE


Spuren der Hast

Die Produzenten des rätselhaften kleinen Buchs haben Spuren dieser Hast hinterlassen. Auf Seite 21 des Washingtoner Exemplars finden sich die schwarzen Abdrücke der vier Finger einer rechten Hand (Bild oben). Von wem sie stammen, konnte bislang nicht bestimmt werden, aber die Vermutung, dass es sich um einen der Setzer oder gar den Verleger oder Galilei selbst handelt, kann zumindest als Möglichkeit diskutiert werden. In den Fingerabdrücken sind Spuren von Blei und Eisen vorhanden - den beiden Metallen, mit denen in Druckereien gearbeitet wird.

Derartige Spuren legen die Vermutung nahe, dass Galilei die Radierungen in den letzten Tagen vor Drucklegung selbst gefertigt hat. Damit verbunden ist aber auch ein Wandel in der Bestimmung der Technik. Offenkundig handelt es sich nicht um Kupferstiche wie bislang angenommen, sondern um in die Druckplatten geätzte Radierungen. Den Nachweis dafür erbrachte die rechte untere Ecke des oberen Mondquadrats in dem Bild oben links. Hier fanden sich Spuren einer Linienführung, wie sie sich aus keiner bewussten Gestaltung, sondern nur aus einem versehentlichen Fingerabdruck ergeben. Sowohl neben dem Rund des Kreises als auch über der unteren Randbegrenzung sind Felder zweier Fingerabdrücke zu erkennen, die nicht eingekerbt sein können, sondern durch den Vorgang des Ätzens auf die Platte gekommen sein müssen. Offenbar hat eine Person, vermutlich Galilei selbst, hier versehentlich auf die mit einem säureabweisenden Überzug versehene Platte gefasst, so dass beim Ätzvorgang die Säure durchdringen und die Fingerabdrücke auf die Platte zeichnen konnte.

Auch die Technik der Darstellung des Mondes wird damit in ihrer fahrigen Ausführung erklärbar. Die Linien wirken nicht eingraviert und mit dem Kupferstichel herausgehoben, sondern mit einem Stift gezeichnet, wie dies bei der Radierung der Fall ist. Bei zahlreichen Details ist dies überdeutlich - so bei der linken unteren Umrandung des Mondes in jenem Feld, in dem der hastig gezeichnete Umrandungskreis nicht in sich geschlossen ist, sondern in zwei Parallelen verläuft (siehe Bild oben rechts). Das benachbarte Schattenfeld bezeugt nicht minder deutlich die Anwendung der Radiertechnik. Auch hier wird die Eile sichtbar, mit der das Buch in den letzten Tagen fertiggestellt wurde. Alle diese Details erlauben einen Blick auf die Motorik von Galileis Vorgehen, und damit wird indirekt eine Spur zur psychologischen Disposition gelegt, in welcher dieses Buch entstand.


Die Verdopplung des »O«

Mit der Entdeckung der vier hellsten Jupitermonde hat der Sidereus Nuncius ein kleines, zusätzliches Planetensystem vorgeführt, und damit die Vorstellung der Einmaligkeit unseres Planetensystems widerlegt - ein Ergebnis, das weder ins ptolemäische, noch ins kopernikanische Weltbild passte. In den Text hat Galilei die beobachteten Konstellationen des Jupitersystems in der Weise eingetragen, dass er den Jupiter als ein Oval in die Mitte setzte, um das die durch Sterne bezeichneten Monde kreisten (siehe das Bild auf S. 49). Bislang galten diese Darstellungen des Jupiter als Holzschnitte, zumal da Galilei selbst beabsichtigt hatte, sie in dieser Technik darzustellen, wie er am 15. Januar im Tagebuch seiner Jupiterbeobachtungen vermerkt: »Die Sterne werden in Holz geschnitten, alle in einen Block, die Sterne weiß und der Rest schwarz, und dann wird der Anblick in Streifen geteilt.« Wie Paul Needham erschlossen hat, handelt es sich bei den Darstellungen des Jupiters jedoch nicht um einen Holzschnitt, sondern um ein um 90 Grad gedrehtes O. Dazu wurden dieselben Lettern verwendet, die als Großbuchstaben im Namen Galileo auf dem Titelblatt auftauchen (siehe das Bild auf S. 43 links unten). Dies gilt sowohl für die erste wie auch für die zweite Nennung des Namens Galileo. So wurde das O der zweiten Nennung für die Darstellung des Jupiters in der Nacht des 20. Januar 1610 eingesetzt, wie dies eindeutig aus der hier links unten gezeigten Detailaufnahme hervorgeht. In diesem Umstand verbirgt sich die Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach der Bedeutung der doppelten Nennung des Vornamens Galileo auf dem Titelblatt. Wie mag diese Antwort lauten? Dies erschließt sich aus einer bis heute noch lebendigen Tradition.

Fünf Jahre vor der Publikation des Sidereus Nuncius veröffentlichte der niederländische Kalligraf Jan van den Velde (1568-1623) einen Kupferstich, der einen von zwei Ovalen flankierten Kreis zeigt (Bild auf S. 50 unten rechts). Mit dieser Darstellung bezog er sich auf eine Metapher, die Giorgio Vasari (1511-1574), der berühmte Biograf zahlreicher Künstler der italienischen Renaissance, in seiner Vita des Giotto di Bondone (1266-1337) verwendet. Dort berichtet Vasari, wie Giotto, als Papst Benedikt XI. ihn durch einen Boten um eine Probe seiner Fähigkeiten als Zeichner ersucht hatte, mit freier Hand, ohne Stütze und ohne irgendwelche Hilfsmittel, einen vollendeten Kreis auf ein großes Blatt Papier zirkelte. Der Papst und seine Kunstexperten ließen sich durch diese Leistung zutiefst beeindrucken. Der vollendete Kreis wurde mit den beiden O im Namen Giotto verbunden, und noch heute bezeichnet die italienische Redewendung »l'O di Giotto« (Giottos O) wunderbar Vollendetes.

So kam es im Sidereus Nuncius zu einer metaphorischen Verknüpfung Jupiters mit dem Kreis des O in Galileis Vornamen. Wohl mit Bezug auf die von Vasari überlieferte Geschichte hat sich auch Rembrandt van Rijn (1606-1669) in seinem 1661 geschaffenen Selbstporträt von Kenwood House mit zwei vollendeten Kreisen dargestellt, die auf die beiden O in Giottos Namen und auf dessen vollendete Zeichenkunst verweisen (Bild oben links). Und noch im Jahre 1921 schuf der Wiener Porträtist Ferdinand Schmutzer (1870-1928) mit Blick auf diese Tradition ein Bildnis von Albert Einstein, das auch ihn, den Geometer des Kosmos, mit einem vollendeten Kreis als einen neuen Giotto charakterisiert (Bild oben rechts). Die bereits bei Giotto metaphorisch angelegte kosmologische Wendung kam gleichermaßen bei Galilei, Rembrandt und Einstein zur Geltung.

Galilei hat die neu entdeckten Jupitermonde den Medici gewidmet und nach ihnen benannt, um endlich die ersehnte Anstellung als Erster Philosoph und Mathematiker am mediceischen Hof in Florenz zu erhalten. Mit dem Sidereus Nuncius, in dem das Zeichen für Jupiter aus dem O seines Namens gebildet ist, erhielt er diesen Traumposten.

Schon zu Lebzeiten wurde Galilei als wiedergeborener Michelangelo bezeichnet. Und er selbst hatte, durch die aus seinem Namen gebildeten Jupiterzeichen des Sidereus Nuncius, seinen Namen als neuer Giotto an den Himmel schreiben wollen. Hieraus erklärt sich, warum er seinen Vornamen im Titel wiederholte und in den Ablativ setzte. Durch das GALILEO GALILEO enthielt das Ende seiner beiden Namensteile jeweils ein O, das zugleich als Jupiter verwendet wurde. Auf diese Weise war auch er mit den beiden legendären O des Namens GIOTTO ausgestattet.

Der Physiker Vincenzio Viviani stand Galilei als dessen letzter Schüler und Assistent näher als jeder andere Zeitgenosse. Und nach dessen Tod hat er in zähem Kampf mit den Folgen der kirchlichen Verurteilung Galileis wie kein Zweiter für dessen Nachruhm gesorgt. Hierzu diente auch seine Biografie des verehrten Lehrers und Freundes. Darin hat Viviani Anleihen bei Giorgio Vasaris Giottobiografie genommen, um die künstlerisch-genialische Disposition des großen Naturforschers auszuweisen, und damit waren Giotto und Galilei assimiliert. Ob dies auf Grund von Gesprächen mit Galilei geschehen ist, oder vielmehr ob Viviani die Verbindung Galileis mit Giotto von sich aus vornahm, ist nicht mehr zu erschließen. Jedenfalls bezeugen beide Dokumente, die Biografie Vivianis wie auch die Titelseite des Sidereus Nuncius, dass Galileis Ruhm gemeinsam mit dem des großen Giotto zu strahlen suchte.

Auf den ersten Blick ist die Parade der Buchstaben O auf dem Titelblatt des Sidereus Nuncius nichts als eine Marginalie. Bei näherer Betrachtung aber zeigt sich in diesem Detail ein eigener Kosmos des Kampfes um Anerkennung und Grandezza. Galilei hat immer wieder betont, dass seine eigentliche Bestimmung darin gelegen habe, Künstler zu werden, und diese Selbstsicht hat er in den »Sternenboten« hineingeschmuggelt.


Horst Bredekamp ist Professor für Kunstgeschichte an der HumboldtUniversität zu Berlin. Das Werk und die Epoche Galileis gehören zu den Schwerpunkten seiner Forschung.


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Eine Kooperation zur Untersuchung des SNML

Als sich im Juli 2005 abzeichnete, dass das von Galileo Galilei eigenhändig signierte und illustrierte Exemplar des Sidereus Nuncius eine Woche lang im Berliner Kupferstichkabinett für eingehende Untersuchungen zur Verfügung stehen würde, bildete sich schnell eine Arbeitsgruppe, in der alle relevanten Spezialisten vertreten waren, und innerhalb weniger Tage entwickelten alle in Frage kommenden Institutionen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eine gemeinsame Strategie, um diese Chance optimal zu nutzen.

Irene Brückle, Spezialistin für historisches Papier am Kupferstichkabinett (heute an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, ganz rechts im Bild) führte gemeinsam mit Teresa Smith (Harvard University Library, Dritte von links) die Untersuchung des Papiers, die Bestimmung der Tuschtechnik sowie die gesamte Organisation durch. Oliver Hahn von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (Zweiter von rechts) führte gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe der Technischen Universität Berlin (Baoz Paz, ganz links, Timo Wolff, Zweiter von links, und Birgit Kanngießer, Dritte von rechts) materialkundliche Untersuchungen mit Hilfe von Röntgenfluoreszensanalyse und Infrarotreflektografie durch. Stefan Simon, Leiter des Rathgen-Forschungslabors (Vierter von links) und Sonja Krug (Fünfte von links) widmeten sich unter Verwendung der neu entwickelten digitalen Bildanalyse (DIA) einer rätselhaften schwarzen, über den Tuschen liegenden Materie. Vierter von rechts im Hintergrund: Horst Bredekamp.


Literaturhinweise

Zu diesem Artikel:
Bredekamp, H. (Hg.): Galileo's O. Vol. I: Galileo's Sidereus Nuncius (Hg.: Irene Brückle, Oliver Hahn); Vol. II: Paul Needham, Galileo Makes a Book. Akademie Verlag, Berlin 2011

Zum weiteren Umfeld:
Bredekamp, H.: Galilei der Künstler. Akademie Verlag, Berlin 2007

Galilei und die Anderen: Hintergründe einer Revolution der Astronomie. In: Sterne und Weltraum Dossier 1/2009

Padova, T., de, Staude, J.: Galilei, der Künstler. Ein Gespräch mit Horst Bredekamp. In: Sterne und Weltraum 12/2007, S. 36-41


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 43 oben:
Fünf Radierungen im Sidereus Nuncius zeigen Bilder des ganzen Mondes. Auf dem hier links gezeigten Bild ist die unregelmäßige, durch die zerklüftete Mondlandschaft bedingte Trennlinie zwischen der hell erleuchteten Mondsichel und der dunklen Nachtseite zu sehen. Aus dem Schatten ragen die höchsten Gipfel, präzise als weiße Flecken dargestellt, ins Licht der aufgehenden Sonne empor.

Abb. S. 43 unten:
Das unten links gezeigte Titelblatt des »Oklahoma-Exemplars« des Sidereus Nuncius trägt Galileis handschriftliche Widmung an den italienischen Dichter Gabriel Chiabrera. Abweichend von allen seinen anderen Veröffentlichungen, zum Beispiel der hier gezeigten, 1607 erschienenen »Difesa« (unten rechts), wird der Autor im Sidereus Nuncius mit dem doppelten Vornamen Galileo Galileo bezeichnet.

Das im Jahr 2005 aufgetauchte Exemplar des Sidereus Nuncius trägt auf der Titelseite einen Stempel der Accademia dei Lincei und Galileis handschriftliche Signatur, und die fünf Mondbilder im Inneren sind nicht als Radierungen, sondern als farbige Tuschzeichnungen ausgeführt - rechts die Mondsichel als Beispiel.

Abb. S. 45 oben links:
Im links gezeigten Züricher Exemplar wie auch in einigen anderen Exemplaren des Sidereus Nuncius enthalten die im Satzspiegel für die Radierungen freigelassenen Flächen keinerlei Illustration; gezeigt ist hier dieselbe Buchseite wie auf S. 43 oben und auf S. 44 rechts.

Abb. S. 45 oben rechts:
Die nebenstehenden Mondzeichnungen Galileis sind wiederholt als seine ersten Darstellungen der gesamten Mondscheibe und als Vorlagen für die Radierungen des Sidereus Nuncius betrachtet worden. Sie stimmen aber mit diesen nicht überein und sind vermutlich erst nach dem Sidereus Nuncius im Herbst 1610 entstanden.

Abb. S. 45 unten:
Auf den mit Tusche gezeichneten Mondbildern des neu entdeckten Exemplars des Sidereus Nuncius wurde entlang markanter Linien schwarzes Material aufgetragen, das zur Übertragung dieser Konturen auf die Kupferplatten für die Herstellung der Radierungen diente.

Abb. S. 46:
Das Florentiner Exemplar des Sidereus Nuncius, versehen mit ausführlichen Marginalien wurde auf demselben besonders wertvollen Papier gedruckt, wie das Exemplar der Landesbibliothek Münster, dem das Bild auf S. 43 oben entnommen ist.

Abb. S. 47:
Die Titelseite und die dem Orion und den Plejaden gewidmeten Seiten des Sidereus Nuncius im Grazer Exemplar (oben) und im Washingtoner Exemplar (unten). Es ist deutlich zu erkennen, wie rigide das Grazer Exemplar beschnitten wurde.

Abb. S. 49:
Auf dieser Doppelseite beschreibt Galilei seine Beobachtungen des Jupitersystems in den Nächten vom 21. bis zum 24. Januar 1610. Unten rechts, auf dem unbeschnittenen Rand, sind die Abdrücke der vier Finger einer rechten Hand zu erkennen.

Abb. S. 50 oben links:
In die Druckplatte dieses Mondbilds im Sidereus Nuncius wurden versehentlich Fingerabdrücke »gezeichnet«. Sie verraten, dass die Mondbilder nicht in die Platten gestochen, sondern gemäß der Radiertechnik geätzt wurden.

Abb. S. 50 oben rechts:
Wohl kein professioneller Grafiker jener Zeit hätte es sich erlaubt, so schlampig zu arbeiten wie Galilei bei der Herstellung dieses Mondbilds in seiner Hast: Der Kreis, der das Mondbild umrandet, ist nicht einmal in sich geschlossen!

Abb. S. 50 unten links:
Die für das O der zweiten Nennung des Vornamens auf der Titelseite des Sidereus Nuncius verwendete Letter (links) erscheint um 90 Grad gedreht als Symbol für Jupiter in der Nacht des 22. Januar 1610 (rechts).

Abb. S. 50 unten rechts:
Der Kreis als kosmologisches Symbol der Vollendung - hier zwischen zwei Ovalen in einer Zeichnung von Jan van den Velde aus dem Jahr 1605.

Abb. S. 51:
Die Tradition wird fortgesetzt: Rembrandt van Rijn in einem Selbstbildnis aus dem Jahr 1661 vor zwei Kreisen, und Albert Einstein in einem Porträt von Ferdinand Schmutzer (1921) vor einem Kreis dargestellt.


© 2012 Horst Bredekamp, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 1/12 - Januar 2012, Seite 42 - 51
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2012