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INSTRUMENTE/313: Wer war Monsieur Coudé? (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 11/11 - November 2011
Zeitschrift für Astronomie

Wer war Monsieur Coudé?
Optische Anordnungen und mechanische Lösungen für Großteleskope

Von Hans Jürgen Kärcher


Schon bald nach der Erfindung des Teleskops haben hervorragende Astronomen und Techniker die prinzipiell verschiedenen Möglichkeiten entdeckt, die optischen Komponenten ihrer Instrumente anzuordnen. Seither entwickeln Ingenieure immer neue Lösungen für die mechanischen Komponenten immer größerer Teleskope.


In Kürze
Innerhalb weniger Jahrzehnte haben die großen Astronomen und Ingenieure der ersten Generation erkannt, welche Konstruktionsweisen für Teleskope grundsätzlich möglich sind.
Seit vier Jahrhunderten werden die damals eingeschlagenen Wege in verschiedenen Kombinationen beschritten. Die allgemeine technologische Entwicklung steuert diesen Prozess.
So kommt es, dass noch heute wesentliche Komponenten der modernsten Teleskope die Namen der Altmeister tragen. Nur »Coudé« ist kein Eigenname, sondern bezeichnet einen speziellen, »geknickten« Strahlengang.

Die Entwicklung des Teleskops seit 400 Jahren wird angetrieben durch den Wunsch, wenige ganz unterschiedliche, zum Teil widersprüchliche Forderungen der Astronomen immer besser zu erfüllen: Das Teleskop soll möglichst lichtstark sein, ein möglichst großes Gesichtsfeld, möglichst hohe räumliche und spektrale Auflösung besitzen ... und natürlich soll das resultierende, immer größere Instrument möglichst preiswert, handlich und bequem zu bedienen sein.

Das Ringen um immer leistungsfähigere Optiken führte schon früh zu einer kleinen Zahl unterschiedlicher Lösungen, die seither mitsamt der entsprechenden Mechanik zwar stetig weiterentwickelt, aber grundsätzlich beibehalten wurden. So kommt es, dass, wer sich heute als Strukturmechaniker mit der Entwicklung der Teleskopmontierungen auseinandersetzt, auf die Namen merkwürdiger alter Männer trifft - etwa Galilei, Kepler, Newton, Gregory, Cassegrain, Nasmyth oder Coudé -, die verschiedene Anordnungen von Linsen, Spiegeln oder Beobachtungskabinen bezeichnen. Zum Beispiel haben alle neuen optischen Riesenfernrohre, wie das European Extremely Large Telescope (E-ELT) oder das amerikanische Thirty Meter Telescope (TMT), beiderseits ihrer Elevationslager große Nasmyth-Plattformen, und die neuen großen Sonnenteleskope (das European Solar Telescope und das amerikanische Advanced Technology Solar Telescope) haben »im Keller« jeweils eine riesige rotierende Coudé-Plattform.

Als neugieriger Ingenieur möchte man wissen, was das denn für Männer waren, die den Teleskopen oder ihren so wichtigen optischen und mechanischen Komponenten vor Jahrhunderten ihren Namen gaben. Zu den Großen der ersten Stunde - Galilei, Kepler, Newton und Herschel - sowie zu Gregory und Nasmyth finden sich im Internet biografische Erläuterungen und Porträts in Öl. Cassegrain ist ärmer dran - es gibt kein Porträt von ihm, nur ein Straßenschild in seinem französischen Heimatort Chaudon. Bei Coudé schließlich stößt man auf eine Überraschung: Der Name bezeichnet keine Person, sondern ist das französische Wort für »ellbogenartig geknickt« - abgeleitet von le coude, der Ellbogen!

Das soll hier der Anlass sein, einmal der Geschichte der verschiedenen Optikanordnungen nachzugehen, um zu verstehen, wieso diese jahrhundertealten Namen noch heute aktuell sind. Dabei zeigt sich, dass die Gregory-, Cassegrain-, Nasmyth- und Coudé-Systeme ganz unterschiedliche optische Eigenschaften besitzen. Dies wiederum erfordert unterschiedliche praktische Lösungen für die Anordnung der Teleskopachsen und die Platzierung der Empfangsinstrumente und hat damit einen immensen Einfluss auf den mechanischen Aufbau der Teleskope. Auf den oben gezeigten Bildern sind - soweit vorhanden - die Porträts der zitierten Männer und ihre Lebensdaten zu sehen.


Historische Betrachtungen zur Optik

Galileo Galilei und Johannes Kepler bauten die ersten Linsensysteme oder Refraktoren. Deren Funktionsweise ist noch ganz einfach: Vorne, durch das Objektiv, fällt das Licht ein, und hinten, durch das Okular, schaut man sich das vom Objektiv entworfene Bild an. Dabei wirkt das Okular als Lupe. Das ist auch für einen Nichtoptiker einfach zu verstehen, zumindest beim keplerschen oder »astronomischen« Fernrohr (siehe die Skizzen auf S. 44). Dessen Nachteil ist aber, dass hier das Bild »auf dem Kopf« steht (in der Grafik durch den nach unten weisenden Pfeil angedeutet). Dieser Nachteil wird beim galileischen, »holländischen« oder terrestrischen Fernrohr vermieden. Im Unterschied zum keplerschen Fernrohr ist sein Okular keine konvexe Sammellinse wie das Objektiv, sondern eine konkave Zerstreuungslinse. Dadurch rückt das Okular nach vorn und erzeugt kein reelles, sondern ein »virtuelles« Bild des Objekts, was für einen Nichtoptiker das Verständnis des Strahlengangs etwas erschwert.

Wie schon der Name sagt, setzte sich die galileische Anordnung bald für terrestrische Anwendungen durch, die keplersche für astronomische. Dies liegt daran, dass das »Kopfstehen« bei astronomischen Anwendungen nicht so sehr stört, wie wenn man mit einem Feldstecher die Landschaft betrachtet und den fernen Kirchturm auf dem Kopf stehend zu Gesicht bekommt. Auch ist die Abbildungsgenauigkeit des keplerschen Fernrohrs etwas höher als die des galileischen. Dafür ist dieses kürzer.

Die wellenlängenabhängige Brechung des Lichts führt in Refraktoren unweigerlich zur chromatischen Aberration. Um dieses Problem zu umgehen, ersetzte Isaac Newton als Erster die Objektivlinse durch einen Spiegel. Dabei ergab sich ein neues Problem: Das in der Fokalebene des Spiegels erzeugte reelle Bild des betrachteten Gegenstands befindet sich vor dem Spiegel, dort, wo das Licht einfällt. Um es für den Beobachtbar zugänglich zu machen, setzte Newton in den Strahlengang des reflektierten Lichts einen zusätzlichen schrägen Planspiegel ein, der das Licht seitlich aus dem Tubus herauslenkt. Hier lässt sich das in der Fokalebene entstehende reelle Bild mit dem Okular als Lupe betrachten.

James Gregory in St. Andrews, Schottland stellte dann auch beim Reflektor die alten Beobachtungsverhältnisse der Refraktoren wieder her, indem er statt Newtons Planspiegel einen konkaven »Sekundärspiegel« vor die Fokalebene des Primärspiegels setzte. Der Sekundärspiegel lenkt das Licht durch ein zentrales Loch im Primärspiegel hindurch, und hinter diesem entsteht in einer zweiten Fokalebene das Bild. Damit waren für den Beobachter die gleichen bequemen Verhältnisse geschaffen wie bei den Refraktoren: Vorne fällt das Licht in den Tubus ein, und hinten lässt sich das entstandene Bild »durch die Röhre« betrachten.

Unsere auf S. 44 gezeigte historische Skizze des Gregory-Prinzips haben wir einem 140 Jahre alten populärwissenschaftlichen Buch entnommen. Interessanterweise hat der Zeichner den gregoryschen Strahlengang nicht ganz verstanden: Er hat zwar richtigerweise zwei konkave Spiegel gezeichnet, aber die vom Primärspiegel reflektierten Strahlen müssten sich zuerst vor dem Sekundärspiegel in dessen Fokalebene kreuzen und erst danach auf diesen fallen. Bei dem dargestellten Strahlengang müsste der Sekundärspiegel konvex sein - und damit sind wir bei Laurent Cassegrain angelangt, der einer solchen Anordnung seinen Namen gegeben hat. Er hat etwa zur gleichen Zeit wie Gregory in Frankreich gelebt. Bei seinem Strahlengang wird wieder ein virtuelles Bild beobachtet statt des reellen bei Gregory. Cassegrain und Gregory stehen also hinsichtlich des Strahlengangs für Reflektoren in derselben Beziehung wie Galilei und Kepler für Refraktoren.

Schließlich erfand William Herschel den »Frontviewer«: Das vom leicht gekippten Hauptspiegel entworfene Bild betrachtete er durch ein am Rand der vorderen Teleskopöffnung angebrachtes Okular.


Von den Anfängen zur azimutalen Montierung

Ein Teleskop besteht nicht nur aus optisch wirksamen Komponenten, es benötigt auch eine Montierung, welche die optischen Komponenten in ihrer korrekten Anordnung festhält und die gewünschte Ausrichtung und Nachführung des Teleskops ermöglicht. Mit ihr wollen wir uns jetzt beschäftigen.

Eine der ersten Darstellungen eines keplerschen Teleskops finden wir auf dem Frontispiz der »Tabulae Rudolphinae«, die Kepler 1627 veröffentlichte (siehe Bild). Das von dem Autor selbst entworfene Frontispiz zeigt den Tempel der Astronomie, in dessen Innerem Ptolemäus, Kopernikus und Tycho Brahe mit ihren astronomischen Instrumenten - reinen Peilgeräten, wie Quadranten, Oktanten und Ähnlichem - zu sehen sind. Das Teleskop dagegen wird von einer weiblichen, links oben auf dem Dach stehenden Gestalt in der ausgestreckten Hand gehalten - die »Bildstabilität« war bei dieser Montierung sicherlich begrenzt!

Die Nürnberger Sternwarte, gegründet 1678 von Georg Christoph Eimmart, war bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die größte Sternwarte Deutschlands. Auf dem unten gezeigten Bild, das die Sternwarte im Jahr 1716 zeigt, sind noch zahlreiche Quadranten und andere Instrumente aus vorteleskopischer Zeit zu sehen, die auch damals noch nach wie vor ohne Linsen, nur mit Kimme und Korn, zur Vermessung der Sternörter benutzt wurden. Dagegen ist bei den dargestellten Teleskopen ein technologischer Fortschritt erkennbar: Sie sind auf hohen Pfosten mit Querpflöcken aufgelagert und werden vom Beobachter mit der Hand am Okular nachgeführt. Die Pfosten mit den Querpflöcken kann man als einfachste »Teleskopmontierungen« ansehen.

Ein solcher Pfosten war ganz offensichtlich auch der Ausgangspunkt von William Herschels Entwicklung seiner Teleskopmontierungen. Die Querpflöcke ersetzte er zunächst durch einen Flaschenzug (Bild oben). Als seine Spiegel und damit auch seine Montierungen immer größer wurden, entwickelte er daraus die erste azimutale Montierung, und die damalige, auf Holzpfosten und Stangen, Laufrollen, Flaschenzügen und Winden basierende Technologie erreichte eine gewisse Reife. Da Herschel seine Teleskope als Frontviewer auslegte, ergänzte er die Montierung - um das Okular zu erreichen - durch eine bewegliche Plattform, sozusagen eine »Herschel-Plattform« in dem Sinne, wie wir später die Nasmyth-Plattformen moderner Großteleskope bezeichnen werden. Das letzte Teleskop dieser Art, mit vielen komplexen »Herschel-Plattformen«, war der Leviathan von Lord Ross im irischen Birr, der noch bis 1905 im Einsatz war.


Die äquatoriale Montierung

Die azimutale Montierung nach Herschel hatte zwei entscheidende Nachteile, die sich nur durch das Geschick der Beobachter ausgleichen ließen. Zum einen war ihre Bildstabilität durch die beiden wackeligen Achsantriebe stark beeinträchtigt, und zum anderen war sie bei längerer Beobachtungszeit mit einer Bildfelddrehung verbunden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die erste historisch nachweisbare »äquatoriale Montierung« bereits 1618 - neun Jahre nach Galileis ersten teleskopischen Himmelsbeobachtungen - auftauchte, als der Augsburger Jesuitenpater Christoph Scheiner sich einen Heliografen baute (heute wird das Instrument als Sonnenteleskop bezeichnet).

Wegen der Helligkeit der Sonne schaute man durch den Heliografen nicht hindurch, sondern es wurde in der Bildebene der Optik ein Abbild der Sonne erzeugt (Bild links). Dadurch wurden die mangelnde Stabilität und die Bildfelddrehung viel auffälliger, und Christoph Scheiner ließ sich zur Vermeidung dieser Nachteile das dargestellte erste »Äquatorial« aus Holz einfallen, bei dem eine Achse - die Stundenachse - parallel zur Erdachse ausgerichtet ist. Der große Vorteil: Die Nachführung zur Kompensation der Erddrehung erfolgt allein durch Rotation des Teleskops um die Stundenachse, und die Bildfelddrehung entfällt. Das war der Ausgangspunkt für die Entwicklung der bis zum Ende des 20. Jahrhunderts dominierenden äquatorialen Montierung.

Im 19. Jahrhundert setzten sich die äquatorial montierten Refraktoren durch, insbesondere dank der Pionierarbeit Joseph Fraunhofers. Für seine Refraktoren, deren Optik er in Benediktbeuern aus einem wesentlich verbesserten, schlierenfreien Glas fertigte, baute er ausgeklügelte äquatoriale Montierungen, wie sein »Heliometer« von 1826 sehr gut erkennen lässt (linkes Bild auf S. 46 unten) - sie wurden bald als »Deutsche Montierungen« bezeichnet und für die vielen, noch Anfang des 20. Jahrhunderts in aller Welt errichteten großen Refraktoren verwendet.

Alle großen Refraktoren arbeiteten nach dem Prinzip der von Fraunhofer für sein keplersches Fernrohr gebauten äquatorialen Montierung. Das hatte den großen praktischen Vorteil, dass man »von hinten« hindurchschauen konnte. Dadurch ließ sich der Astronom ohne allzu viel Aufwand mit beweglichen Leitern oder mit drehbaren Podesten in die Nähe des Okulars bringen. Der Große Potsdamer Refraktor liefert ein anschauliches Beispiel dieser Bauweise (rechtes Bild auf S. 46 unten). Bei anderen Instrumenten, wie dem Lick-Refraktor in Kalifornien oder dem Yerkes-Refraktor in Chicago, wurde der Kuppelboden als hydraulisch bewegliche Hebebühne ausgeführt.

Bei den frühen äquatorial montierten Reflektoren war die Situation für den Beobachter wegen der newtonschen Anordnung des Okulars wesentlich ungemütlicher, denn der Astronom musste in jeder Lage des Teleskops an die Spitze des Tubus gebracht werden. Das Bild oben zeigt die von William Lassell (1799-1880) gefundene Lösung dieses Problems: Für seinen 1863 auf der Insel Malta errichteten Reflektor baute er eine hölzerne, rotierende »Azimut-Plattform«, die allein dazu diente, den ebenfalls hölzernen Turm zu tragen. Der Beobachter befand sich in dem außen am Turm angebrachten Aufzug - um das newtonsche Okular stets in eine für ihn erreichbare Position bringen zu können, war der obere Teil des Tubus drehbar an den unteren Teil angeflanscht. Der Aufwand für den Turmbau scheint größer als der für die ebenfalls gut erkennbare, richtungsweisende »Gabelmontierung« dieses Reflektors - sie sieht der Gabelmontierung des 2,2-Meter-Teleskops auf dem Calar Alto schon sehr ähnlich (Bild auf S. 50).


Nasmyth und Coudé

Die geschilderten praktischen Nachteile waren der Ausgangspunkt für die nachfolgende Entwicklung hin zur »Nasmyth-Plattform« und zum »Coudé-Labor«, und dieser Entwicklung wollen wir uns jetzt zuwenden. Dazu betrachten wir das Ur-Nasmyth- und das Ur-Coudé-Teleskop.

Das Bild auf S. 47 unten links zeigt James Nasmyth, wie er um 1845 in Manchester auf der »Nasmyth-Plattform« seines azimutal montierten Teleskops sitzt. Die Nasmyth-Plattform ist ursprünglich ein Sitz, der auf der ebenerdigen Plattform des Teleskops befestigt ist und sich mit diesem in Azimut dreht. Nasmyth selbst hält in beiden Händen zwei Handräder, mit denen er den Azimut und die Elevation des Teleskoptubus unabhängig voneinander verstellen und so das Teleskop dem Stern in seiner scheinbaren Bewegung am Himmel nachführen kann. Der Bilddrehung kann er das Teleskop nicht nachführen - er muss sie »per Software« in seinem Kopf kompensieren. Dieses Teleskop besaß vermutlich einen Primärspiegel mit etwa 50 Zentimeter Durchmesser, einen Sekundärspiegel nach Gregory und einen Nasmyth-Spiegel- einen in die Elevationsachse verlagerten newtonschen Ablenkspiegel. Es sind auch ein kleines Zielfernrohr an der Spitze des Tubus und ein nicht benutztes newtonsches Okular zu erkennen.

Das Bild auf S. 47 unten rechts zeigt einen namenlosen Astronomen am ersten Coudé-Teleskop der Pariser Sternwarte. Er sitzt bequem in einem witterungsgeschützten Raum und hat ein ortsfestes Okular mit Hilfseinrichtungen zur Sternvermessung vor sich. Der Strahlengang im Refraktor ist zweimal durch Umlenkspiegel »ellbogenartig geknickt«. Der erste Umlenkspiegel befindet sich vor dem Objektiv, der zweite im Schnittpunkt des Tubus mit der Stundenachse. Der Name des Erfinders dieser Anordnung ist leider nicht überliefert. Der Aufwand für die Montierung erscheint auf dem Bild relativ groß, und die geknickte Optik hat sicherlich einige optische Nachteile - die geknickten Refraktoren konnten sich nicht durchsetzen. Die beiden Bilder machen aber klar, dass mitbewegte Nasmyth-Plattformen etwas mit azimutal montierten und ortsfeste Coudé-Labors etwas mit äquatorial montierten Teleskopen zu tun haben. In beiden Fällen spielt zunächst die Bequemlichkeit des Beobachters eine Rolle - später werden das stabile Mitführen großer und schwerer Messinstrumente auf der Nasmyth-Plattform einerseits und deren raumfeste Aufstellung im Coudé-Fokus andererseits den Ausschlag geben.


Das 3,5-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto

Nachdem die großen äquatorial montierten Refraktoren mit dem Yerkes-Teleskop die technischen Grenzen der Linsensysteme erreicht hatten, gingen die Astronomen bei der weiteren Vergrößerung der Teleskopöffnung wieder zu den ebenfalls äquatorial montierten Reflektoren über - diese Entwicklung erreichte ihren Höhepunkt mit dem 1949 fertig gestellten 5-Meter-Hale-Teleskop auf dem Mount Palomar. Wir wollen uns die Fokusproblematik eines solchen Instruments anhand des 1985 in Betrieb genommenen 3,5-Meter-Teleskops auf dem Calar Alto anschauen, dessen Aufbau dem des Hale-Teleskops entspricht. Im Kasten auf S. 48/49 ist unten links das vormontierte Instrument in der Montagehalle von Carl Zeiss in Oberkochen zu sehen und daneben eine Schnittzeichnung des Teleskops in seiner Kuppel.

Das Teleskop hat drei Fokalstationen: den Primärfokus, den Ritchey-Chrétien-Fokus (kurz: RC-Fokus) und den Coudé-Fokus. Die entsprechenden Strahlengänge sind im Kasten auf S. 48/49 genauer beschrieben. Am Ort des Primärfokus kann der Beobachter tatsächlich selbst arbeiten. An Stelle des newtonschen Ablenkspiegels sitzt er in einer Kabine mitten im Strahlengang. Das ist natürlich nur bei einem sehr großen Teleskop möglich: 3,5 Meter Öffnung stellen dafür wohl die untere Grenze dar. Dabei sitzt der Beobachter nur in Zenitstellung aufrecht; wenn er näher am Horizont beobachtet, kippt sein Stuhl in alle denkbaren Richtungen, und seine Lage wird ziemlich ungemütlich!

Der Ritchey-Chrétien-Fokus entspricht dem Cassegrain-Fokus, mit einer Anfang des 20. Jahrhunderts von George W. Ritchey und Henri Chrétien entwickelten, verbesserten Optik, die aber nur die Form der Spiegeloberflächen betrifft, ohne die Mechanik zu beeinflussen. Der Fokus liegt hinter dem Primärspiegel; das Abschattungsproblem entfällt, aber die räumliche Bewegung in beiden Achsen muss der Beobachter oder das Messinstrument immer noch mitmachen. Deswegen ist hinter dem Primärspiegel meist ein Käfig angebracht (auf unserem Bild nicht dargestellt), der verhindern soll, dass der Beobachter hinunterfällt. Dagegen liegt der Coudé-Fokus ortsfest in einem Nebenraum, wo der Astronom bequem unter Laborbedingungen arbeiten kann.

Heutzutage ist das Bequemlichkeitsargument natürlich nicht mehr gültig, da an allen Fokalstationen elektronisch kontrollierte Instrumente arbeiten, die nur noch bei der Installation, nicht aber während der Beobachtung zugänglich sein müssen. Das Konzept der Foki beim 3,5-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto stammt aus der Vor-Computerzeit, als noch Fotoplatten als Detektoren eingesetzt wurden, die der Beobachter von Hand austauschen musste.


Praktische Fragen der Teleskopmechanik

Welchen Einfluss haben die verschiedenen Fokalebenen auf die Mechanik des 3,5-Meter-Teleskops? Seine Montierung folgt der klassischen »Hufeisen-Montierung« des Hale-Teleskops, bezeichnet nach der hufeisenförmigen Laufbahn des Nordlagers der Stundenachse. Die Gestalt des Hufeisens führt zu einer optimal ausbalancierten Gesamtstruktur. Die Deklinationsachse ist im Schwerpunkt der gabelförmigen Stundenachse angeordnet, auf ihr liegt auch der Schwerpunkt des Tubus. Die den Tubus umfassende Stundenachse und der (in der Skizze auf S. 48 unten hellblaue) Grundrahmen der Montierung werden sehr groß, schwer und teuer. Bei dieser Bauweise scheint eine Vergrößerung der Öffnung über die fünf Meter des Hale-Teleskops hinaus kaum sinnvoll und finanzierbar zu sein. Deshalb haben die neueren Großteleskope wieder azimutale Montierungen. Dass damit die Nachführung wieder über eine Rotation um zwei Achsen erfolgen muss, ist im digitalen Zeitalter kein Hindernis mehr.

Das etwas kleinere 2,2-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto hat noch keine Hufeisen-Montierung, sondern eine Gabelmontierung, wie sie William Lassell schon 150 Jahre früher verwendet hatte (siehe Bild auf S. 47 oben). Das 2,2-Meter-Teleskop besitzt einen neuartigen Coudé-Strahlengang, zu dem das auf den beiden Bildern oben links erkennbare Periskop gehört. Es dient zur Ablenkung des Lichts in den tiefer im Gebäude vertikal angeordneten Coudé-Spektrografen. Der Ablenkspiegel im Schnittpunkt von Deklinations- und Stundenachse lenkt den Coudé-Strahl nicht mehr seitlich durch die Deklinationsachse ab, sondern senkrecht dazu in die Stundenachse. Dadurch wird der komplizierte, noch beim 3,5-Meter-Teleskop gewählte Weg durch das Südlager der Stundenachse durch das feststehende Periskop ersetzt. Infolgedessen ändert sich der Einstellwinkel des Ablenkspiegels mit der Deklination des beobachteten Objekts: Der Spiegel muss auf den halben Deklinationswinkel eingestellt werden. Damit der Strahlengang nicht mit dem Mittelstück des Tubus kollidiert, hat dieses eine Kröpfung erhalten (siehe Bild S. 50 oben links).


Das LBT als ultimatives Multifunktionsinstrument

Nach so viel historischer Vorarbeit über die verschiedenen Foki bei traditionellen Teleskopen wollen wir uns nun einem modernen Großteleskop zuwenden, und zwar dem Large Binocular Telescope (LBT) auf dem Mount Graham bei Tucson in Arizona (Bild auf S. 51 oben). Hier wird die Summe der geschilderten Erfahrungen in einem einzigen Gerät umgesetzt, das möglichst allen unterschiedlichen Anforderungen der Astronomen gleichzeitig gerecht werden soll.

Das LBT ist ein Universalinstrument: Es besitzt zwei identische Primärfoki, zwei Cassegrain- (beziehungsweise Ritchey-Chrétien-)Foki, sechs Nasmyth-Foki und einen Coudé-Fokus, der gleichzeitig auch als Interferometer betrieben werden kann. Alle diese Modi können parallel betrieben werden oder sind in kürzester Zeit auswechselbar (siehe Bild S. 51 unten). Die optischen Elemente und ihre Wechselmechanismen sind - im Gegensatz zum 3,5-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto - alle aus der Ferne zu bedienen.

Die Grafik unten links auf S. 51 zeigt auf dem rechten Auge des großen Feldstechers die Gregory/Nasmyth-Anordnung, die auch für den Primärfokusbetrieb gilt, wenn man den Gregory-Spiegel M2-AO und den Nasmyth-Spiegel M3 aus dem Strahlengang heraus- und in der Brennebene f1 die Primärfokus-Kamera hineinschwenkt. Das Bild oben zeigt rechts die aus dem Strahlengang herausgeschwenkte PrimärfokusKamera (4), die den eingeschwenkten Cassegrain-Spiegel M2-RC verdeckt, und darunter den eingeschwenkten Nasmyth-Spiegel M3 (5). Auf der linken Seite sind der eingeschwenkte Cassegrain-Spiegel (3) und ein ausgeschwenkter Nasmyth-Spiegel M3 (5) zu erkennen, und oben ist der zugehörige ausgeschwenkte Gregory-Spiegel (2) zu sehen. Ganz unten sind die beiden Hauptspiegel (1) für das linke und das rechte Auge zu sehen.

Der Cassegrain-Spiegel ist in klassischer Ritchey-Chrétien-Manier geschliffen und poliert, während der Gregory-Spiegel ein ganz modernes Element ist: Er ist sehr dünn, und seine Form kann durch hunderte von an seiner Rückseite angebrachten Piezo-Aktuatoren viele hundert Mal pro Sekunde verändert werden - neben seiner klassischen Rolle als Gregory-Spiegel dient er auch der aktiven Kompensation der von den Turbulenzen der Atmosphäre verursachten Verbiegungen der einfallenden Wellenfronten (adaptive Optik, kurz AO genannt). Die Derotatoren (DR) sind in jeder Fokalstation notwendig, um die durch die azimutale Montierung entstehende Bildfeldrotation zu kompensieren.

Schließlich zeigt die Skizze unten rechts auf S. 51 die Strahlführung, in der das LBT seine Zweiäugigkeit ausspielt. Hier werden im Gregory-Nasmyth-Modus (mit adaptiver Optik) die beiden Strahlengänge in der Mitte zum interferometrischen Fokus f4 zusammengeführt. Dazu sind zwei weitere Umlenkspiegel M6 und zwei zusätzliche paarige Linsensysteme L5 und L7 notwendig. Die zugehörige mechanische Konstruktion, welche die interferometrischen Spiegel und Linsen trägt, ist im Bild links oben in Grün zu sehen (6).

Die Tubusstruktur des LBT lässt keine Erinnerungen mehr aufkommen an den klassischen Serrurier-Tubus, wie ihn das 2,2-Meter- und das 3,5-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto zeigen (siehe die Bilder auf S. 48 und 50). Dem Tubus entsprechen die im Bild links oben sichtbaren roten Träger und silbrigen Verbindungsrohre, die auf möglichst hohe Steifigkeit ausgelegt sind. An Stelle des ausgeklügelten Verformungsverhaltens des Serrurier-Tubus (siehe SuW 11/2010, S. 44 treten nun die Korrekturfähigkeiten der adaptiven Optik. Dagegen entspricht die (im Bild nicht sichtbare) Montierung des LBT der azimutalen Schaukelstuhl-Montierung des E-ELT, wie sie in dem zitierten SuW-Beitrag als die optimale Lösung für Großteleskope geschildert wird.

Am Large Binocular Telescope sind fünf deutsche, in der LBT-Beteiligungsgesellschaft (LBTB) organisierte astronomische Institute zu 25 Prozent beteiligt, und zwar nicht nur an den Investitionen für das Teleskop, sondern auch am Bau seiner wichtigsten Messgeräte. Dafür stehen ihnen 25 Prozent der Beobachtungszeit zu.


Größer, weiter, schneller: das E-ELT

Das heutzutage ultimative Großteleskop ist sicherlich das gegenwärtig bei der ESO in der Planung befindliche European Extremely Large Telescope (E-ELT, Bild oben). Es hat nicht so viele Fokusstationen wie das LBT, sondern konzentriert sich auf zwei große Nasmyth-Plattformen. Diese sind links und rechts der Elevationslager auf der das gesamte Teleskop tragenden, in Azimut rotierenden Struktur (der Alhidade) angeordnet. Auf beiden Plattformen sind je drei große Instrumente fest installiert - sie werden abwechselnd in den Strahlengang gebracht. Der Wechsel zwischen den einzelnen Instrumenten erfordert keinerlei Eingriff in die Mechanik - er erfolgt durch Umklappen eines in der Mitte zwischen den drei Instrumenten angeordneten Spiegels. Die adaptive Optik steckt in dem deformierbaren Spiegel (M4-AO), der wie der Gregory-Spiegel des LBT mit Piezo-Aktuatoren bestückt ist. Zusätzlich hat das E-ELT noch einen aktiven planaren Kippspiegel (M5-Tip-Tilt). Mit diesem Spiegel werden, unabhängig vom deformierbaren Spiegel M4-AO, Zitterbewegungen des Bildes in der Bildebene korrigiert werden - er entspricht dem Bildstabilisierungssystem einer Digitalkamera.

Mittlerweile haben die größten Teleskope solche Dimensionen erreicht, dass sie aus Kostengründen nur noch von internationalen Konsortien wissenschaftlicher Institute gebaut und betrieben werden können. Deshalb müssen sie für die unterschiedlichsten Anforderungen der Wissenschaftler und für einen schnellen Wechsel der Instrumente ausgelegt sein. Ob dabei der komplexe Ansatz des LBT oder der überschaubarere Ansatz des E-ELT der bessere Weg ist, wird die im Betrieb gesammelte Erfahrung zeigen.


KASTEN

Optischen Eigenschaften der verschiedenen Foki

Am Beispiel des 3,5-Meter-Teleskops auf dem Calar Alto seien hier die optischen Eigenschaften der verschiedenen Foki erläutert. Das Bild unten zeigt das Teleskop in der Montagehalle bei C. Zeiss, Oberkochen. In der Grafik rechts daneben sind die drei Fokalstationen bezeichnet. Die Grafiken rechts oben zeigen die Strahlengänge der drei Betriebsarten. Deren Realisierung erforderte einen hohen mechanischen Aufwand: Worin unterscheiden sich ihre optischen Eigenschaften?

In den Skizzen für den Primär- und den RC-Fokus kommen die Achsen der Montierung nicht vor. Das bedeutet, dass die Art der Montierung - azimutal oder äquatorial - für diese Betriebsmoden keine Rolle spielt. Dagegen müssen beim Coudé-Fokus die verschiedenen Umlenkspiegel in den Schnittpunkten der jeweiligen Achsen angebracht werden, was einen hohen mechanischen Aufwand erfordert. Und die Stundenachse muss am Aufstellungsort parallel zur Erdachse ausgerichtet werden.

Die Wege der Photonen bis zu den verschiedenen Fokalebenen, das heißt die Brennweiten der drei Betriebsmoden, sind unterschiedlich lang. In der Tabelle unten sind dazu einige Daten des 3,5-Meter-Teleskops angegeben. Zunächst wollen wir am Beispiel des Primärfokus erläutern, wie die Brennweite mit den optischen Eigenschaften des Systems zusammenhängt.

Der optisch wirksame Durchmesser des Primärspiegels d1 von 3,5 Metern ergibt zusammen mit seiner Brennweite f1 von 12,25 Metern ein Öffnungsverhältnis (Brennweite zu Durchmesser) f1/d1 = 3,5 (das Zusammentreffen der Zahlenwerte für Öffnung und Öffnungsverhältnis ist zufällig). In der ersten der drei Skizzen auf der rechten Seite unten ist die Situation des Primärfokus dargestellt, hier allerdings mit dem Öffnungsverhältnis f1/d1= 1, das für ein modernes Großteleskop eher typisch ist.

Das Abbildungsverhalten beruht auf den Fokaleigenschaften der Parabel, die einfallenden Photonen werden im Brennpunkt konzentriert. Man kann sich leicht überzeugen, dass ein um den Winkel ε1 einfallender Lichtstrahl einen in der Fokalebene verschobenen Lichtpunkt erzeugt, dessen Versatz relativ zur optischen Achse wir mit u1 bezeichnen, und dass die Richtungsabweichung des Lichtstrahls gerade dem Verhältnis u1/f1 von Bildpunktverschiebung zu Brennweite entspricht. Im Primärfokus des 3,5-Meter-Teleskops entspricht einer Richtungsabweichung des Lichtstrahls von einer Bogensekunde einer Bildpunktverschiebung von 0,06 Millimetern; das heißt, wenn wir eine Fotoplatte hätten, deren Korngröße gerade 0,06 Millimeter wäre, oder ein CCD-Chip, dessen Pixel diese Größe hätten, dann läge das Auflösungsvermögen des Instruments gerade bei einer Bogensekunde. Daraus ergibt sich als Anforderung an die Teleskopmechanik eine Ausrichtungsgenauigkeit von einer Bogensekunde - das ist bereits eine große Herausforderung für den Konstrukteur, wenn man bedenkt, dass gute Theodoliten eine Auflösung von 0,5 Bogensekunden erreichen - und dahinter steckt die Entwicklungsarbeit von Generationen von Theodolitenbauern!

Für den RC- und den Coudé-Fokus sind in der Tabelle rechts zwei weitere Brennweiten angegeben: die Brennweite f2 des Sekundärspiegels und die Brennweite f des gesamten Systems. Je größer die Brennweite, desto größer die lineare Strecke, die in der Brennebene einem gegebenen Winkel am Himmel entspricht. Ein gegebenes Auflösungselement unseres Detektors, zum Beispiel ein Pixel des CCD, entspricht also einem umso kleineren Winkel am Himmel, je größer die Brennweite des abbildenden Systems ist. Mit dem gleichen Detektor kann also der Astronom bei größerer Brennweite kleinere Winkelabstände auflösen - vorausgesetzt, die Mechanik erlaubt eine entsprechend hohe Ausrichtungsgenauigkeit.

Die Systembrennweiten des RC- und des Coudé-Fokus sind viel größer als die des Primärfokus, beim RC-Fokus 35 Meter und beim Coudé-Fokus sogar 122,5 Meter. Die Auflösung ist in diesen Moden entsprechend höher - beim RC-Modus entspricht eine Bogensekunde einer Bildfeldverschiebung von 0,17 Millimetern, und beim Coudé-Fokus 0,60 Millimetern. Wir sehen, dass die Auflösung in der Bildebene proportional zur Systembrennweite zunimmt. (Auf die »Beugungsbegrenzung«, die noch zu beachten wäre, wollen wir hier nicht näher eingehen.)

Nun müssen wir klären, was denn die »Systembrennweite« ist und warum sie so viel länger sein kann als der Tubus selbst. Dies hat etwas mit der »Vergrößerung« m zu tun, und das wollen wir uns anhand der zwei Prinzipskizzen in der Mitte und rechts unten veranschaulichen. Das Gregory-System (Mitte) und das Cassegrain-System (rechts) funktionieren im Prinzip gleichartig, nur ist beim Cassegrain-System der Sekundärspiegel hyperbolisch statt elliptisch geformt (deswegen die negativen Vorzeichen in der Tabelle). Der Unterschied entspricht, wie schon erwähnt, dem Unterschied zwischen einem galileischen und einem keplerschen Refraktor, und wir überlegen uns das Ganze anhand des einfacher überschaubaren Gregory-Systems. Auf Grund der Brennpunkteigenschaften des parabolischen Primärspiegels wird das Licht im Brennpunkt f1 gebündelt, fällt dann auf den elliptischen Sekundärspiegel und wird von diesem auf Grund der Brennpunkteigenschaften der Ellipse im Brennpunkt f2 erneut gebündelt. Die Skizze zeigt, dass der Öffnungswinkel des in f1 einfallenden Lichts größer ist als der des in f2 einfallenden Lichts - das Verhältnis der beiden Brennweiten wird als »Vergrößerung« m bezeichnet.

Nunmehr kann man mit der Lage des Sekundärspiegels und seiner Brennweite spielen - wie die unten stehenden Skizzen zeigen, hat das Cassegrain-System den Vorteil, dass hier der Tubus kürzer ist als beim Gregory-System.


Kennzahlen der drei Foki des Calar-Alto-3,5-Meter-Teleskops
Kennzahlen
Primärfokus
RC-Fokus
Coudé-Fokus
f1 [m]
d1 [m]
f1/d1
f2 [m]
d2 [m]
f [m]
f/d
m
12,25
3,5
3,5
-
-
12,25
3,5
1,0
12,25
3,5
3,5
-5,65
1,12
35
10
2,9
12,25
3,5
3,5
-0,275
0,847
122,5
35
10,0

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Auf der Schnittzeichnung sind die drei Foki des 3,5-Meter-Teleskops auf dem Calar Alto bezechnet: der Primärfokus mit der am Frontring befestigten Beobachterkabine, der Ritchey-Chrétien-Fokus hinter dem Hauptspiegel, und der ortsfeste Coudé-Fokus auf der Stundenachse. Der Wechsel von einem Fokus zum anderen erfordert den Austausch des Frontrings mit Hilfe einer aufwändigen Mechanik. Das Bild links zeigt das vormontierte Teleskop in der Montagehalle bei Carl Zeiss, Oberkochen. Das große Hufeisen dient der Nachführung im Stundenwinkel.


Hans Jürgen Kärcher war als Systemingenieur für Teleskope bei MAN Gustavsburg (jetzt MT Mechatronics) unter vielen anderen Projekten maßgeblich am Entwurf und Bau des großen Millimeterwellenteleskops GMT/LMT in Mexiko und des Flugzeugteleskops SOFIA beteiligt. Seit 2006 ist er für Forschungs- und Entwicklungsprogramme bei MT Mechatronics in Mainz zuständig.

Literaturhinweise

Kärcher, H.: Das Teleskop und die Brücke. In: Sterne und Weltraum 11/2010, S. 44 - 55

Straßmeier, K.: Das Large Binocular Telescope. In: Sterne und Weltraum 5/2003, S. 30 - 38

Weitere Literatur und Weblinks zum Thema: www.astronomie-heute/artikel/1124251


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w i s - wissenschaft in die schulen

Zu diesem Beitrag stehen didaktische Materialien auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de/artikel/1116789 zur freien Verfügung. Teleskope unterstützen unsere Sinnesorgane bei der immer eingehenderen Erforschung des Weltalls. Es stellt sich schnell heraus, dass wissbegierige Schüler bereits mit ihrem Schulwissen der geometrischen Optik manches Problem des Teleskopbaus eigenständig lösen können.



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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 43:
Die Namensgeber der Teleskop-Bauarten
Galileo Galilei (1564-1642)
Johannes Kepler (1571-1630)
Isaac Newton (1643-1727)
James Gregory (1638-1675)
Laurent Cassegrain (1629-1693)
William Herschel (1738-1822)
James Nasmyth (1808-1890)
Coudé, »ellbogenartig geknickt«

Abb. S. 44 rechts:
Das von Johannes Kepler 1627 eigenhändig entworfene Frontispiz seiner »Rudolphinischen Tafeln«. Im Inneren des Tempels stehen die großen Astronomen der Vergangenheit mit ihren Instrumenten, links oben auf dem Dach hält eine Dame das neue Teleskop in der ausgestreckten Hand.

Abb. S. 44 links:
Schon früh entdeckten große Astronomen die grundsätzlich verschiedenen, zum Teil noch heute gängigen Arten, ein teleskopisches Bild zu erzeugen und zu betrachten. Die oben gezeigten Skizzen entstammen alten Lehrbüchern aus den Jahren 1874 und 1914. Beim Gregory/Cassegrain-System ringt der Autor noch um das rechte Verständnis und zeichnet, wie auf S. 45 erläutert, eine Art Zwitter aus Gregorys und Cassegrains Lösung!

Abb. S. 45:
Auf dieser Darstellung der Nürnberger Sternwarte aus dem Jahr 1716 sind einfachste »Teleskopmontierungen« zu erkennen.

Abb. S. 46 oben:
William Herschel hängte seine als »Frontviewer« konstruierten Teleskope zunächst mit Hilfe eines Flaschenzugs an einen Pfosten (links). Später wurde daraus die azimutale Montierung seines 1,22-Meter-Reflektors (rechts).

Abb. S. 46 unten links:
Bereits 1618 baute Christoph Scheiner einen »Heliografen«, den er auf eine äquatoriale Montierung setzte (oben). Nicht wesentlich anders sieht die 1826 von Joseph von Fraunhofer für sein »Heliometer« gebaute Montierung aus (unten).

Abb. S. 46 unten rechts:
Um am weit ausladenden Okular des 1899 in Betrieb genommenen Großen Potsdamer Refraktors mit Kepler-Optik und Deutscher Montierung zu beobachten, waren aufwändige Leitern und bewegliche Podeste erforderlich.

Abb. S. 47 oben:
William Lassell baute diesen äquatorial montierten 1,2-Meter-Reflektor 1863 auf der Insel Malta. Um das newtonsche Okular zu erreichen, musste der Beobachter in einem Aufzug sitzen, der außen an einem um das Teleskop rotierenden Turm angebracht war. Das Teleskop hatte auch eine neuartige, zukunftsweisende Gabelmontierung.

Abb. S. 47 unten:
Unten links beobachtet James Nasmyth, auf der ersten »Nasmyth-Plattform« sitzend, an seinem azimutal montierten 20-Zoll-Reflektor (um 1845). Mit den beiden Handrädern führt er das Instrument nach. In Azimut folgt sein Sitz dem Teleskop, die Höhe des Okulars ist unveränderlich. Das rechte Bild zeigt einen Astronomen, der am äquatorial montierten ersten Coudé-Refraktor der Pariser Sternwarte beobachtet (um 1850). Die Deklination wird vor dem Objektiv mit einem drehbaren Ablenkspiegel eingestellt, der Coudé-Fokus liegt oben im »Coudé-Labor« in der Stundenachse fest.

Abb. S. 50:
Beim 2,2-Meter-Teleskop auf dem Calar Alto verläuft der Coudé-Strahlengang auf der Stundenachse nach Norden und wird durch ein Periskop nach unten in einen vertikal angeordneten Spektrografen geführt.

Abb. S. 51 oben:
Das Large Binocular Telescope (LBT) auf dem Mount Graham in Arizona besteht aus zwei 8-Meter-Spiegeln auf einer gemeinsamen Montierung. Es wird von einem Konsortium US-amerikanischer, deutscher und italienischer Institute betrieben.

Abb. S. 51 unten:
Das LBT erlaubt verschiedene Strahlführungen. Im linken Teilbild ist der linke Spiegel in Ritchey-Chrétien-Konfiguration betrieben, der rechte in Gregory-Nasmyth-Anordnung mit adaptiver Optik (AO). Rechts läuft das Licht beider Spiegel im Fokus f4 zur Interferenz zusammen. M1, M2 ... und L1, L2 ... bezeichnen Spiegel und Linsen, die Derotatoren DR kompensieren die Bildfelddrehung.

Abb. S. 52:
Das Large Binocular Telescope enthält zahlreiche optische Komponenten: zwei Hauptspiegel (1), ausgeschwenkter Gregory-Spiegel (2), eingeschwenkter Cassegrain-Spiegel (3), Primärfokuskamera (4), eingeschwenkter Nasmyth-Spiegel (5), optische Bank zum Aufbau der interferometrischen Spiegel und Linsen (6).

Abb. S. 53:
Auf den beiden Nasmyth-Plattformen links und rechts des E-ELT sind je drei Messinstrumente fest installiert. Sie werden über wenige Umlenkspiegel wahlweise mit Licht vom Primärspiegel M1 versorgt.


© 2011 Hans Jürgen Kärcher, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 11/11 - November 2011, Seite 42 - 53
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2011