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PLANET/474: Weißt Du, wie viele Planeten stehen? (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 9/12 - September 2012
Zeitschrift für Astronomie

Weißt Du, wie viele Planeten stehen?
Milliarden Planeten in den bewohnbaren Zonen um rote Zwergsterne

Von Steffen Brinkmann



Gleich zwei Studien zeigten kürzlich, dass Planeten viel häufiger im Universum anzutreffen sind, als lange vermutet. Wahrscheinlich hat jeder Stern einen oder mehrere Begleiter und wahrscheinlich sind viele dieser Welten der Erde gar nicht so unähnlich.


Sterne zählen ist einfach. Vergleichsweise einfach. Astronomen zählen die Punkte am Himmel seit Jahrhunderten, zunächst mit dem bloßen Auge, später durch das Teleskop, auf Fotoplatten und heute erledigen Computer diese langwierige, aber im Grunde simple Aufgabe. Mit einigen Annahmen darüber, wie repräsentativ der vermessene Himmelsausschnitt ist, errechnen Astronomen daraus relativ genau die Anzahl der Sterne in unserer Galaxis: es sind ungefähr 200 Milliarden.

Um jedoch zu wissen, wie viele Planeten um all diese Sterne ihre Bahnen ziehen, muss man tiefer in die astrophysikalische Trickkiste greifen. Der Haken dabei ist, dass je nach Methode nur Planeten mit ganz bestimmten Eigenschaften wie Größe, Bahnradius, Bahnneigung und Masse des Zentralgestirns, erfasst werden.

Wenn der Planet sehr groß, weit entfernt von seinem Stern und dieser eher kühl und dunkel ist, können sie die modernen Kameras an den großen Teleskopen direkt abbilden. Das ist bisher bei 31 Exoplaneten gelungen.

Die übrigen der zur Zeit 777 bekannten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems wurden indirekt nachgewiesen. Die weitaus meisten davon mit der Spektralmethode, welche die Bewegung des zentralen Sterns misst. Da Stern und Planet um den gemeinsamen Schwerpunkt kreisen, bewegt sich auch der Stern leicht, während der Planet ihn umrundet. Diese Bewegung lässt sich nachweisen, wenn das Spektrum des Sterns über einen gewissen Zeitraum hinweg sehr genau beobachtet wird. Verschieben sich die Linien im Spektrum immer wieder leicht, so deutet das auf eine Bewegung des Sterns hin. Wenn der Planet im Verhältnis zum Stern groß genug ist und nicht zu weit von diesem entfernt, gelingt sein Nachweis, und Wissenschaftler können dann Rückschlüsse auf seine Eigenschaften ziehen.

Eine weitere Methode ist die Transitmethode, bei der die Astronomen ausnutzen, dass sich der Stern leicht verdunkelt, wenn der Planet direkt vor ihm vorbeizieht. Das funktioniert natürlich nur bei den wenigen Planeten, auf deren Bahnebene unser Blick zufällig genau von der Seite fällt.

Die Mikrolinsen-Methode schließlich nutzt einen Effekt, den die allgemeine Relativitätstheorie beschreibt: Zieht eine Masse vor einer Lichtquelle vorbei, so wird deren Licht aus Sicht des Beobachters kurz verstärkt, da ihn durch die relativistische Lichtkrümmung mehr Strahlung erreicht (siehe Kasten unten). Wenn diese Masse, eine so genannte Gravitationslinse, ein Stern mit einem Planeten ist, dann wird das Licht nicht nur einmal kräftig durch den Stern, sondern noch ein zweites Mal durch den Planeten verstärkt, allerdings schwächer.


Die Mikrolinsen-Methode
Bei der Suche nach Planeten mit der Mikrolinsen-Methode muss eine bestimmte Anordnung eintreten: Zieht ein Stern zwischen der Erde und einem entfernten anderen Stern vorüber, so wird für eine gewisse Zeit das Licht des entfernten Sterns durch die Gravitation des vorderen wie bei einer Linse gebeugt (siehe obere Grafik). Dadurch erscheint uns das Licht der Quelle auf der Erde kurzzeitig heller als sonst. Wird der Linsenstern von einem Planeten begleitet, so beugt auch dessen Gravitationsfeld das Licht des Sterns im Hintergrund. Dann entsteht ein zweites, kleineres Maximum in der Lichtkurve (siehe untere Grafik).
Die Lichtkurve von OGLE-2005-BLG-390 enthält zahlreiche Beobachtungen verschiedener Instrumente und Teleskope, dargestellt mit verschiedenen Farben. Deutlich ist die rund 40 Tage andauernde Verstärkung des Lichts durch den vorbeiziehenden Stern zu erkennen (Mitte). Das Inset links stellt den Verlauf der Sternhelligkeit über mehr als vier Jahre hinweg dar. Die Ausschnittsvergrößerung (rechts) zeigt das zweite, kleinere Maximum der Lichtkurve. Die Linien entstammen verschiedenen Erklärungsmodellen: orange steht für das Modell ohne Planet, grau für das Modell mit einer zweiten Lichtquelle im Hintergrund und die blaue Linie zeigt das Modell mit Planet als Begleiter des Vordergrundsterns. Die Beobachtungsdaten schließen die ersten beiden Modelle aus.
Abbildungen der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht.


Erfolgreiche Suche

Nach dieser Signatur haben Astronomen aus elf Ländern in Datensätzen gesucht, die während sechs Jahren mit verschiedenen Teleskopen in Australien, Südafrika und Chile aufgenommen wurden.

Der Vorteil dieser Methode ist, dass sich auch Planeten mit geringer Masse und solche, die ihr Zentralgestirn in größerer Entfernung umkreisen, finden lassen. Andererseits ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Hintergrundstern, dessen Licht verstärkt wird, der Vordergrundstern, bei dem ein Planet entdeckt werden soll, und unsere Erde exakt in einer Linie liegen. Außerdem muss der Planet so zu seinem Stern stehen, dass auch er vor dem Hintergrundstern vorbeizieht.

So kommt es, dass in den Beobachtungsdaten aus insgesamt sechs Jahren alles in allem nur drei Exoplaneten gefunden wurden. Nun haben die Astronomen die recht geringe Wahrscheinlichkeit, mit der sich Planeten auf diese Weise entdecken lassen, wieder herausgerechnet und kamen zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass es mehr Planeten als Sterne geben muss, und dass die meisten davon Supererden sind, also Planeten mit fester Oberfläche und größerer Masse als die Erde.

Ein anderes Team von Astronomen aus Frankreich, Belgien, Portugal und der Schweiz hat mit der oben beschriebenen Spektralmethode ebenfalls nach Planeten gesucht und sich dabei auf die Sternklasse der Roten Zwerge konzentriert. Diese Sternen sind mit rund 2200 bis 3800 Kelvin deutlich kühler als unsere Sonne mit knapp 5800 Kelvin. Bei ihnen kann man mit dieser Methode im Gegensatz zur Mikrolinsen-Methode Supererden in der bewohnbaren Zone nachweisen. Das ist derjenige Bereich um einen Stern, in dem flüssiges Wasser vorkommen kann.

Planeten in der bewohnbaren Zone sind deshalb so interessant, weil das Vorhandensein von flüssigem Wasser und einer ansonsten festen, also felsigen Oberfläche das Entstehen von Leben, wie wir es von der Erde kennen, überhaupt erst ermöglicht.

Umso wichtiger ist die Entdeckung, dass ungefähr 41 Prozent der Roten Zwerge in unserer Galaxis von einem solchen Planeten umrundet werden. Mit einem Anteil von 80 Prozent sind Rote Zwerge die häufigste Sternklasse im Milchstraßensystem. Ihre Zahl liegt daher bei insgesamt 160 Milliarden. Das bedeutet aber, es muss Abermilliarden Planeten geben, auf denen Ozeane, Flüsse und Seen vorkommen können. Ungefähr 100 davon befinden sich weniger als 10 Parsec (32,6 Lichtjahre) von uns entfernt.

Die habitable Zone ist bei Roten Zwergen aufgrund der niedrigen Oberflächentemperatur dieses Sterntyps näher am Zentralgestirn als zum Beispiel bei der Sonne. Andererseits neigen Rote Zwerge zu starken Ausbrüchen. Dadurch ist eventuell vorhandenes Leben wahrscheinlich immer wieder starken Ultraviolett- und Röntgenstrahlen ausgesetzt, die wiederum der Entwicklung höheren Lebens nicht förderlich sind.


Steffen Brinkmann promovierte über Turbulenz in Akkretionsscheiben an der Universität Heidelberg und forscht nun über parallele Programmierung am Höchstleistungsrechenzentrum in Stuttgart (HLRS).


Literaturhinweise

Bonfils, X., et al.: The HARPS search for southern extra-solar planets? XXXI. The M-dwarf sample. In: Astronomy & Astrophysics (eingereicht, 2012), arXiv:1111.5019v2
Delfosse, X, et al.: The HARPS search for southern extra-solar planets. XXXV. Super-Earths around the M-dwarf neighbors Gl 433 and Gl 667C. In: Astronomy & Astrophysics (eingereicht, 2012), arXiv:1202.2467v1
Beaulieu, J.-P. et al.: Discovery of a cool planet of 5.5 Earth masses through gravitational microlensing. In: Nature 439, S. 437-440 (2006)

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 27:
Diese künstlerische Darstellung zeigt einen Sonnenuntergang auf der Supererde Gliese 667 Cc. Der hellste Stern an ihrem Himmel ist Gliese 667 C, Komponente eines Dreifachsystems. Die beiden anderen Sterne, Gliese 667 A and B, sind weiter entfernt und stehen rechts im Bild. Neue Untersuchungen zeigen, dass es allein in unserer Galaxis Abermilliarden solcher Gesteinsplaneten im Umlauf um Rote Zwerge geben muss.

http://www.eso.org/public/archives/videos/small_qt/eso1214a.mov
Sonnenuntergang auf der Supererde Gliese 667 Cc

Abb. S. 28:
Neue Beobachtungen lassen darauf schließen, dass die meisten Sterne unserer Galaxis ein Planetensystem besitzen. Viele davon enthalten Planeten, die eine feste Oberfläche besitzen, ähnlich groß wie unsere Erde sind und auf denen es flüssiges Wasser geben kann.

© 2012 Steffen Brinkmann, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 9/12 - September 2012, Seite 27 - 29
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
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Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
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Internet: www.astronomie-heute.de
 
Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2012